Viel Widersprüchliches

Der Mensch tut sich schwer mit Statistik. Und deshalb auch mit dem Wort Risiko. Trotzdem werde ich Sie kurz dreimal mit Wahrscheinlichkeiten behelligen müssen, die keine absoluten Antworten liefern, sondern quasi Denkfiguren für unsere Zukunft sind.

So steigt etwa das Risiko für Wetterextreme rasant. Fast drei Viertel der Weltbevölkerung könnten innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte von Starkregen, Hitze oder Dürre betroffen sein. Die Erderwärmung schreitet so rasch voran, dass sich Menschen wie Ökosysteme nicht mehr schnell genug daran anpassen können, sagt eine norwegische Studie. Schaffen wir es wiederum, den Treibhausgasausstoß zu reduzieren, sinkt diese Zahl auf 20 Prozent, das wären dann „nur mehr“ 1,5 Milliarden betroffene Menschen. (Weiter unten werden Sie von auf den ersten Blick widersprüchlichen Emissionszahlen lesen.)

Eine Prognose, die nicht in Stein gemeißelt ist, lieferte jüngst auch das Complexity Science Hub in Wien. Demnach könnten die Verluste des Bruttoinlandsprodukts durch den Klimawandel bis zu 20 Prozent betragen und damit 30mal höher sein als bisher angenommen. Das Forscherteam hat nicht nur die direkten Auswirkungen der Erderhitzung beachtet, sondern auch Schäden, die etwa durch die weltweite Vernetzung der Lieferketten zustande kommen. Isoliert betrachtet, würden die BIP-Verluste durch Wasserstress oder Hitze in Europa weniger als 1 Prozent betragen, weil der Kontinent über eine hohe Anpassungsfähigkeit verfügt. Aber in Südasien sind Verluste bis zu 15% zu erwarten und in Zentralasien bis zu 7%. Durch die Abhängigkeit von der „asiatischen Werkbank“ könnten die Klimawirkungen in Asien und anderen Kontinenten auch bei uns aufschlagen. Dem Modell liegt die Annahme zugrunde, dass sich die globale Mitteltemperatur bis zum Jahr 2100 um 4,5 Grad erwärmt.

Mit einer interessanten Prognose hat heute auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK aufhorchen lassen. Als wissenschaftlich allgemein akzeptiert gilt, dass die Erderhitzung arme Länder und arme Bevölkerungsschichten am meisten trifft. Sie tragen die größten wirtschaftlichen Risken durch den Klimawandel. Wie das PIK in einer Nature-Studie zeigt, wächst aber das Risiko für Reiche und reiche Länder am schnellsten. Auch daran ist die weltweite Verflechtung der Lieferketten schuld. Fällt die Lieferung von Mikrochips aus Taiwan aus, steht in Europa die Autoindustrie still.

Der Klimawandel scheint sich zu demokratisieren, oder wie der PIK-Wissenschaftler Anders Levermann meint: „Verbraucher und Verbraucherinnen auf der ganzen Welt werden unabhängig von ihrem Einkommen zunehmend Herausforderungen durch die globale Erwärmung gegenüberstehen – ohne Klimaschutz werden wir diese irgendwann nicht mehr bewältigen können.“

Und das ist immerhin der Regler, mit dem wir an den vorher beschriebenen Risiken „schrauben“ können.

Viel Emissionsreduktion durch wenige Klimaschutz-Entscheidungen

Politischer Maßnahmenmix ist entscheidend

Ein Forscherteam hat 1.500 Klimamaßnahmen in 41 Ländern untersucht und die Effektivität von CO2-Steuern genauso ausgewertet wie von Vorschriften für klimafreundliche Gebäude. Dabei zeigte sich, dass nur wenige politische Interventionen zu großen Effekten führen und es einen Mix von Maßnahmen braucht. So führe etwa ein isoliertes Verbot von Kohlekraftwerken zu keiner merkbaren Emissionsreduktion, wenn es nicht begleitet werde von CO2– und Energiesteuern.

Die 63 Fälle erfolgreicher Klimapolitik haben der Studie zufolge zu Emissions-Rückgängen von durchschnittlich 19 Prozent geführt. In Österreich konnte keine einzige substanzielle Emissionsreduktion im Gebäude-, Strom- oder Industriesektor identifiziert werden, so der an der Studie beteiligte österreichische Klima- und Umweltökonom Moritz Schwarz. Besser ist die Situation im Verkehrssektor. Dort sieht Schwarz klimafreundliche Preisanreize durch Mineralölsteuern und besonders CO2-Steuern. Diese Maßnahmen seien – auch wenn sie zum Teil isoliert umgesetzt wurden – schon sehr wirksam.

https://science.orf.at/stories/3226410

Niedrigste CO2-Emissionen seit 1990

Treibhausgas-Reduktion

Scheinbar im Widerspruch zur vorherigen Studie stehen die jüngsten Emissionsentwicklungen: Die Treibhausgas-Emissionen sind in Österreich 2023 gegenüber dem Jahr zuvor um 6,4 Prozent gesunken. Damit wurden 4,7 Millionen Tonnen CO2 weniger als im Vorjahr emittiert und der niedrigste Ausstoß seit 1990 erreicht. In den vergangenen zwei Jahren sind die Treibhausgas-Emissionen somit um insgesamt 11,9 Prozent gesunken.

Laut Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist der Rückgang nur zu einem geringen Teil auf wirtschaftliche Schwankungen oder die mildere Witterung zurückzuführen. Für den Rückgang beim CO2-Ausstoß sei einerseits die Abkehr von Heizöl und Erdgas verantwortlich, andererseits aber auch der Ausbau der Erneuerbaren sowie eine bessere Wärmedämmung von Gebäuden.

Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, braucht es auch weiterhin ein jährliches Emissionsminus zwischen 4 und 5 Prozent, so Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt.  

Methanemissionen im Rekordtempo

Ausstoß Richtung 3 Grad-Erwärmung

Methan ist über 100 Jahre gerechnet etwa 25mal klimawirksamer als Kohlendioxid. Derzeit liegt seine Konzentration in der Atmosphäre etwa 160 Prozent über dem vorindustriellen Niveau von 1750. Zwar haben sich 158 Länder verpflichtet, ihren Methanausstoß in diesem Jahrzehnt um 30 Prozent zu reduzieren und damit die Erderwärmung um 0,2 Grad zu vermindern. Tatsächlich steigen die Emissionen aber schneller als je zuvor.

Nur die Europäische Union und Australien haben ihren durch Menschen verursachten Methanausstoß in den letzten zwei Jahrzehnten verringert, während die größten Zuwächse aus China und Südostasien kamen.

https://science.orf.at/stories/3226632

Kurz gemeldet

Der Sommer 2024 war weltweit der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1979. Er lag 0,69 Grad über dem Mittel der Jahre 1991-2020.

https://orf.at/stories/3368693

Hörtipp
Was heimische Fischzucht nachhaltig macht

Auch unter den Fischen sind nicht alle gleich, zumindest nicht vor dem Gesetz. In Forellenzuchten dürfen bis zu 180 Tiere auf einem Quadratmeter gehalten werden, während ein Zuchtkarpfen in Österreich auf durchschnittlich 15 Quadratmeter Teichfläche residieren darf. Dazu kommt, dass etwa Forellen und Saiblinge wie alle Raubfische mit Fischmehl gefüttert werden müssen, das großteils aus Meeresfischen gewonnen wird. MOMENT – NACHHALTIG LEBEN geht deshalb der Frage nach, worauf man in Sachen Nachhaltigkeit beim Kauf heimischer Fische achten kann und woher Spitzenköche Fisch aus Österreich beziehen.

https://oe1.orf.at/player/20240903/768718

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