Schlagwort: Wasserstoff

Technooptimismus als Falle

Wir lieben Zauber. Auch wenn er unter dem Deckmantel der Wissenschaft daherkommt. Beziehungsweise als großes Versprechen. Als im Dezember ein kalifornisches Labor den Durchbruch bei der Fusionsforschung verkündete, weil bei der Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium erstmals weniger Energie investiert als geerntet wurde, jubelte ein Teil des Globus auf. Mit einem Mal schien die Lösung aller Energieprobleme in Sichtweite und die beschwerliche Abkehr vom fossilen Irrweg obsolet, weil man ja nun ohnehin bald auf saubere Fusionsenergie zugreifen würde können.

Mitnichten.

Ein tauglicher Fusionsreaktor ist weiter entfernt als das Überschreiten der 2 Grad-Grenze. Manche glauben wohl tatsächlich an die Lösung der Klimakrise durch technologische Wunder, andere verwenden den Verweis auf den technological fix ganz einfach strategisch, um so an alten Technologien wie der Verbrennung festhalten zu können.

Auch der Verweis auf „grünen Wasserstoff“ ist so eine (Selbst-)Beruhigungspille. Die Erzeugung von Wasserstoff braucht etwa sechsmal mehr Energie als die direkte Nutzung von Sonnenstrom, ist also nicht sehr effizient. In Industrieanlagen, die hohe Temperaturen benötigen, wird er seine Berechtigung haben, aber sicher nicht beim Heizen von Haushalten, oder wie es Günter Pauritsch von der Energieagentur ausdrückte: Es sei nicht notwendig, „ein Gas mit 2000 Grad zu verbrennen, um damit 20 Grad Zimmertemperatur zu erreichen“. Ähnliches gilt für Methan aus erneuerbaren Quellen. Bedarf und Angebot klaffen um ein Vielfaches auseinander.

Bei einer Veranstaltung der Universität für Bodenkultur zählte Michael Narodoslawsky von der TU Graz Wasserstoff zu den „psychologisch netten Lösungen“ und verglich die dahinterliegende Haltung mit ‚Warten auf Godot‘: „Wir sitzen in unserer Hängematte, warten darauf, dass Öl durch Wasserstoff ersetzt wird und müssen uns nicht ändern. Es gibt aber einen Spielverderber, das ist die Effizienz“, so Narodoslawsky.

Auch der Boku-Professor Gernot Stöglehner bezeichnete die Hoffnung auf wundersame technologische Lösungen wie die CO2-Abscheidung aus der Luft als „Irrwege in der Energiewende“.

Jüngst flackern verstärkt auch wieder Geoengineering-Hoffnungen in der öffentlichen Diskussion auf. Wie riskant es ist, künstlich Folgen eines Vulkanausbruchs zu erzeugen und etwa per Flugzeug Schwefelpartikel in die Luft zu blasen, dokumentiert der an der Columbia Business School lehrende österreichische Kimaökonom Gernot Wagner in seinem eben erschienenen Buch „Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln?“. Auch in Marc Elsbergs neuestem Thriller „Celsius“ steht das Drehen am Klimarad im Mittelpunkt der Geschichte. Dort bläst China mit einer unheimlichen Flugzeugflotte den „großen Sonnenschirm“ in die Stratosphäre.

Angesichts der vielen internationalen Hinhaltungs- und Verwirrtaktiken ist wohl auch der Kommentar des UNO-Generalsekretärs Antonio Guterres verständlich, wonach die Beschränkung der Erderhitzung auf 1,5 Grad nur mehr auf „wundersame Weise“ erreichbar sei.

Technooptimismus mag ab und an durchaus angebracht sein. Aber als quasi-religiöse Grundhaltung ist er meist nur ein Ablenkungsmanöver, um an überkommenen Geschäftsmodellen und Verfahren festzuhalten (daher auch der Ruf der Autoindustrie nach Wasserstoffantrieb, der sinnvollerweise und aus Energieeffizienzgründen jenen Fahrzeugen vorbehalten sein sollte, die ihn auch wirklich brauchen).

Die Klimakrise benötigt kurz- bis mittelfristige Lösungen, oder wie es Gernot Stögmüller mit Blick auf die tickende Klimauhr ausdrückte: „Was wir jetzt nicht entscheiden, ist 2030 nicht realisiert.“

https://science.apa.at/power-search/4410564532718699370

Ozeane im Fieber

Auswirkungen bis nach Österreich

Noch nie seit dem Messbeginn 1955 enthielten die Ozeane so viel Energie wie im Vorjahr. Seit den 80er Jahren hat sich die Geschwindigkeit ihrer Erhitzung verdreifacht, weil die Meere 90% der überschüssigen Energie aus der Atmosphäre aufnehmen. Durch die Erwärmung durchmischen sich auch kalte und warme Wassermassen nicht mehr so wie in der Vergangenheit. Es kommt zu Schichtbildungen.

Die Meere nehmen auch CO2 aus der Luft auf, was im Wasser wiederum zu einer Versäuerung führt und etwa zum Korallensterben beiträgt.

Die Auswirkungen der wärmeren Meere reicht bis Österreich. Eine höhere Temperatur an der Wasseroberfläche führt zu stärkerer Verdunstung. Dadurch kommt es vermehrt zu Extremwetterereignissen. Im Winter fallen die wärmeren Wassermassen in der Luft allerdings nicht als Schnee zu Boden, sondern verstärkt als Regen.

https://orf.at/stories/3301690/

Unternehmen setzen Klimaziele nicht um

Europa

Die Mehrheit der europäischen Unternehmen hat keine nachvollziehbaren Pläne, wie die Klimaziele erreicht werden sollen. Das belegt eine Analyse des Carbon Disclosure Project (CDP).

Zwar habe rund die Hälfte der europäischen Unternehmen Klimaschutzpläne, die sich am internationalen Pariser Klimaziel einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad orientieren. Aber nicht einmal fünf Prozent der Firmen könnten nachweisen, wie sie diese Ziele erreichen und umsetzen wollen, so CDP.

Das Carbon Disclosure Project ortet eine große Lücke zwischen dem, was gesagt, und dem, was in den Firmen tatsächlich getan wird. Für seine Analyse hat es die Angaben von Unternehmen ausgewertet, die rund drei Viertel der europäischen Aktienmärkte repräsentieren.

https://orf.at//stories/3305388/

Klimajugendrat 2023

Rund 80 junge Menschen tauschen sich beim Klimajugendrat vom 22. – 24. Februar mit Parlaments-Abgeordneten zu klimapolitischen Themen aus. Zum Auftakt wird der Climate Action Award verliehen, bei dem es 9 Projekte in die Endauswahl geschafft haben, darunter der Climate Walk, das Klimadashboard oder vegane Kochkurse.

Organisiert wird der Klimajugendrat von der Bundesjugendvertretung (BJV) zusammen mit dem Klima- und Energiefonds.

Kurz gemeldet

In Österreich emittieren die reichsten zehn Prozent der Haushalte mehr als viermal so viel CO2 wie die ärmsten zehn Prozent. Das ist nur ein Beispiel, wie ungleich Treibhausgasemissionen je nach Einkommen und Vermögen verteilt sind. Betrachtet man die Klimawirksamkeit räumlich, ist vor allem der sub-urbane Raum, also der sog. „Speckgürtel“, besonders klimaschädlich, während der CO2-Ausstoß in Städten am geringsten sei.

https://science.orf.at/stories/3217609/

Hörtipp: Bedrohte Halligen

Die Halligen, das sind winzige Inseln im Wattenmeer der Nordsee; sie ragen nur knapp über den Meeresspiegel hinaus. Von den ursprünglich 100 Inseln sind nur mehr 10 übrig und bewohnt. So malerisch sie aussehen, erfüllen sie auch eine wichtige Funktion für die Küste: sie dienen als Wellenbrecher. Der Klimawandel droht nun auch die letzten verbliebenen Halligen zu verschlingen. Denn mit der Erderhitzung steigt sowohl die Intensität als auch die Zahl der Sturmfluten.  Die DIMENSIONEN schildern in 2 Teilen, wie es mit den Mini-Inseln weitergehen könnte.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/soziales

Chancen und verpasste Chancen

Einfach wird es nicht, wenn wir (weitgehend) auf Erdgas verzichten wollen. 8,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbrauchen wir in Österreich momentan pro Jahr, wie ich gestern bei einer Präsentation der Österreichischen Energieagentur gelernt habe. Der Verbrauch der Haushalte ist über die letzten Jahre weitgehend stabil geblieben, der Bedarf der Industrie hingegen gestiegen. Papier- und Stahlindustrie brauchen den Energieträger genauso wie Gaskraftwerke. Sie liefern uns im Winter jenen Strom, der sich mit den bestehenden erneuerbaren Quellen nicht mehr ausgeht.

Betrachtet man Erdgas nur als Energieträger (es wird auch noch in andere Produkte umgewandelt), entfallen 57% auf die Industrie, 30% auf die Haushalte. Immerhin stehen noch mehr als 900.000 Gasthermen in österreichischen Wohnungen und Häusern, fast die Hälfte davon in Wien. Und selbst in der Fernwärme steckt zu 50 Prozent Erdgas drin.

Viele Zahlen, die unsere komplexe Abhängigkeit von Erdgas (und in Österreichs Fall damit von russischen Lieferanten) zeigen.

Wie also wegkommen vom fossilen Erdgas, das Milliarden kostet, die Raketen eines autoritären Regimes finanziert und den Erdball ins Fieber treibt?

Wir werden auch in Zukunft gasförmige Energieträger brauchen, meint Günter Pauritsch von der Energieagentur. Aber es gibt Alternativen zur fossilen CO2-Schleuder. „Grünes“ Gas – Biomethan – kann man zum Beispiel durch Vergärung von biogenen Abfällen oder Vergasung von Holz erzeugen. Wie die Energieagentur errechnet hat, lässt sich damit selbst unter optimistischsten Annahmen bis 2040 maximal ein Viertel des Gasbedarfes decken. Und 2040 ist jenes Jahr, für das Österreich die Klimaneutralität anpeilt. Die Differenz könnte aus „grünem“ Wasserstoff kommen. Er wird mit Strom aus Wasser, Wind oder Sonne produziert.

Dass wir unseren Energiebedarf vollständig im Land decken können, bezweifelt Günter Pauritsch aber. Wir werden auch nach 2040 Nettoimporteur bleiben. Deshalb sei es höchste Zeit, sich schon jetzt mit Importmöglichkeiten von erneuerbaren Gasen zu beschäftigen.

Dass wir eine gute Chance zum Umdenken verpasst haben, erfahren Sie jetzt gleich im ersten Beitrag des Newsletters.

Zu wenig grüne Investitionen während Corona

Verpasste Chance

Rund 14 Billionen Dollar haben die G20-Staaten während der Corona-Pandemie in wirtschaftliche Hilfspakete investiert. Aber nur 6 Prozent davon gingen in klimafreundliche Bereiche. Das dokumentiert eine Studie, die kürzlich in Nature erschien.

„Diese Wiederherstellungspakete waren für die Regierungen eigentlich eine Chance zu entscheiden, wie die künftige Wirtschaft im Land aussehen soll und wie man sie in eine klimafreundlichere Richtung lenken könnte“, meinte Koautor Scot Miller gegenüber science.orf.at.

Die G20-Staaten sind für 80% des weltweiten Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich. Die Bereitschaft zu grünen Investitionen schwankt stark: So investierten die EU und Südkorea immerhin 30% ihrer Wiederherstellungsgelder in klimafreundliche Bereiche.

CoV-Wirtschaftshilfen: Verpasste Chance für grünere Zukunft – science.ORF.at

Was man über Biodiversität wissen muss

10 „Must-Knows“

Biodiversität, Ökologie und Klimaschutz gehören zusammen. So haben die Ökosysteme an Land und im Wasser in den letzten zehn Jahren etwa 55 Prozent des vom Menschen verursachten CO2 aufgenommen. Umso mehr Sinn macht es, die Natur intakt zu halten. Das betonen die Autor:innen des 60seitigen Berichts „10 Must-Knows aus der Biodiversitätsforschung 2022“ und finden sich damit ganz auf Linie mit dem jüngsten Sachstandsbericht des IPCC. Sie kritisieren etwa, dass weltweit 22mal mehr für Investitionen ausgegeben wird, die der Biodiversität schaden, als für artenschutzfreundliche Alternativen.

Zudem, so kritisiert der Bericht, vergesse man zu oft auf die unsichtbare Flora und Fauna. „Elefanten oder Tiger möchten alle schützen, das Leben unter der Oberfläche stirbt unsichtbar“, denn in Flüssen und Seen sei die Menge größerer Wirbeltiere um 84 Prozent zurückgegangen.

Biodiversität : Zehn „Must-knows“ zum Artensterben – science.ORF.at

10 Must-Knows aus der Biodiversitätsforschung 2022 | Zenodo

Antarktisches Meereis auf Rekordtief geschrumpft

Natürliche Schwankung

Mit knapp unter 2 Millionen Quadratkilometern Ausdehnung hat die antarktische Meereisfläche im Februar den tiefsten Stand seit dem Beginn der Satellitenbeobachtung vor 43 Jahren erreicht. Die Forscher:innen der Nature-Studie führen den Negativrekord allerdings fast zur Gänze auf natürliche Schwankungen zurück. Der Wind habe Eismassen aus der Ross See Richtung Norden getrieben. Dort seien sie im wärmeren Wasser dann geschmolzen. Im Gegensatz zum arktischen Eis, das seit dem Start der Satellitenauswertung 1979 kontinuierlich geschrumpft ist, schwankt das antarktische Eis viel stärker. Nach dem jüngsten Rekordtief 2017 hat es bis 2020 fast wieder seine normale Ausdehnung erreicht.

https://www.nature.com/articles/d41586-022-00550-4

Europas Permafrost-Moore tauen

Vor dem Kipppunkt

Erwärmt sich die Erde um 2 Grad, könnten in Europa Permafrost-Moore auf einer Fläche von 700.000 km2 auftauen. Das entspricht fast neunmal der Fläche Österreichs. Moore binden sehr viel Kohlenstoff. Tauen die Moore, emittieren sie Treibhausgase wie CO2 und Methan. Wie die Autor:innen der Nature Climate Change-Studie schreiben, habe man ihre Bedeutung für das Klima bisher unterschätzt. Die Moore in Europa und Sibirien könnten bereits nahe an jenem Kipppunkt stehen, an dem sie von Kohlenstoffsenken zu Kohlenstoffschleudern werden. Die Moorgebiete in Norwegen, Schweden, Finnland und dem Westen Russlands könnten bereits in den 2030er-Jahren ihre kohlenstoffbindende Funktion verlieren.

https://science.orf.at/stories/3211985/

Kurz gemeldet

Die EU-Finanzminister:innen haben sich auf eine Art CO2-Zoll geeinigt. Um Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen zu vermeiden, sollen Stahl-, Zement-, Düngemittel- oder Stromimporte ab 2026 entsprechend ihrem Treibhausgasausstoß besteuert werden.

Finanzminister einigen sich auf CO2-Grenzausgleich – news.ORF.at

Die OMV will die Produktion von Öl und Gas zur energetischen Nutzung bis 2050 völlig einstellen. Bis 2030 plant sie als Zwischenziel eine Reduktion von 20 Prozent.

OMV plant Ausstieg aus Öl und Gas – news.ORF.at

Auf schmalem Grat

Hörtipp

Die Alpen haben das angepeilte 2 Grad-Ziel längst überschritten. Nicht nur die wachsende Anzahl von Schneekanonen zeigt, dass sich das Leben in den Bergregionen mit dem Klimawandel stark verändern wird. Die DIMENSIONEN haben sich der Frage gewidmet, wie sich die Erderwärmung auf den Winter auswirkt.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/klima