Schlagwort: Ozeane

Gas und Kohle/ Teufel und Beelzebub

Es war mir bis vor kurzem nicht bewusst: Erdgas gilt als Brückentechnologie, weil es angeblich nur halb so klimaschädlich ist wie Kohle. Diese Rechnung geht aber völlig an der Nutzungsrealität vorbei.

Tatsächlich entsteht bei der Verbrennung von Erdgas im Vergleich zur Kohle nur halb so viel CO2. Die Bilanz ist aber eine mathematische Schönung. Rechnet man die Klimawirkung aus Erdgas von der Erzeugung über den Transport bis zur Verbrennung, hat es keinerlei ökologische Vorteile mehr gegenüber der Kohle.

Erdgas ist im wesentlichen Methan – ein Treibhausgas, das je nach betrachtetem Wirkungszeitraum 25 – 80mal klimaschädlicher ist als Kohlendioxid. Jedes Methan-Molekül in der Luft erhitzt die Atmosphäre weiter. Laut Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur entweichen weltweit etwa 4 Prozent des Erdgases schon vor der Verbrennung durch Lecks in den Leitungen und Speichern. Am stärksten tragen die USA und Russland zu diesen Methanemissionen bei. Der Bremer Umweltphysiker John Burrows kommt zum Schluss, dass „eine Leckage von ungefähr zwei bis drei Prozent Erdgas ausreicht, um jeglichen Vorteil der Verbrennung von Erdgas zu beseitigen.“

Kohle und Erdgas können also beide nicht in die Energiezukunft führen.

Überzogene Hoffnung stecken viele momentan auch in E-Fuels – das sind synthetisch mit erneuerbaren Energien erzeugte Kraftstoffe, die Diesel und Benzin ersetzen sollen. Die Automobilindustrie hofft, mit den E-Fuels ihre Verbrennungsmotoren mit Adaptierungen länger einsetzen zu können.

In der jetzigen technischen Realität sind E-Fuels aber weitaus ineffizienter als etwa ein Auto mit Elektroantrieb. Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung hat schon 2021 errechnet, dass Motoren mit E-Fuels im Vergleich zu reinen Elektromobilen fünfmal so viel Energie verbrauchen. Sie werden zwar mit Hilfe von erneuerbarem Strom hergestellt, in der Breite sinnvoll macht sie das aber noch lange nicht, auch wenn sie klimaneutral erzeugt werden. Durch den hohen Energiebedarf sind die synthetischen Kraftstoffe zudem sehr teuer.

Eventuell werden sie in Mobilitätssparten ihren Nutzen finden, wo sich keine elektrischen Antriebe einsetzen lassen, wie in Flugzeugen. Trotzdem will sich die EU die E-Fuel-Hintertür auch in der Automobilbranche offenhalten. Warum, das lesen Sie im ersten Beitrag des Newsletters.

Emissionsfreie Neuwagen ab 2035

EU

Während das EU-Parlament einen kompletten Verzicht auf Verbrennungsmotoren ab 2035 fordert, wollen die Länder emissionsfreie Verbrenner weiterhin ermöglichen. Auf Druck Deutschlands können mit klimaneutralen E-Fuels betriebene Autos auch nach 2035 zugelassen werden.

Umweltschutzorganisationen kritisieren den Kompromiss im Rat der Umweltschutzminister:innen als „verwässerten Verbrennerausstieg“. Antje von Broock, die Geschäftsführerin des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) nennt das Bekenntnis zu E-Fuels „eine Scheinlösung, sie sind ineffizient, nicht automatisch klimaneutral und werden auf absehbare Zeit teuer sowie begrenzt verfügbar bleiben.“ 

Auch die scientists4future sprechen sich aufgrund der schlechten Effizienz der E-Fuels gegen den Kompromiss aus, der noch einmal mit dem Parlament abgestimmt werden muss. „Es ist praktisch ausgeschlossen, dass bis 2035 genügend Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht, um einen nennenswerten Anteil des Verkehrs mit sauber erzeugten E-Fuels zu betreiben. E-Fuels für PKW und leichte Transporter zu propagieren ist nichts anderes als ein Versuch, die Energie- und Verkehrswende zu verzögern“, so scientists4future in einer Aussendung.

EU-Länder einig: Neuwagen ab 2035 nur noch emissionsfrei – news.ORF.at

E-Fuels: Verbrenner-Aus mit „Aber“ – news.ORF.at

Stellungnahme-synthetische-Kraftstoffe-Layout.pdf (scientists4future.org)

UNO-Ozeankonferenz

Artenschutz

Die Vereinten Nationen haben eine Milliarde US-Dollar Hilfe für 100 Küsten- und Inselstaaten angekündigt, die unter der Verschmutzung, der Überfischung und der Erwärmung der Weltmeere leiden. Die kleinen Staaten erleiden durch die rücksichtslose Nutzung der Meere jährlich einen geschätzten Schaden von einer Billion Dollar. Das wurde am Dienstag auf der UN-Ozeankonferenz in Lissabon bekannt. Sie findet mit zweijähriger Verspätung in Portugal statt.

Seit den 1990er-Jahren hat der Fischfang um 60 Prozent zugenommen. Laut Welternährungsorganisation FAO waren 2019 bereits 35,4 Prozent aller Bestände überfischt.

Die Weltmeere beherbergen rund 80 Prozent des Lebens auf dieser Erde. UNO-Generalsekretär António Guterres forderte u.a. drastische Maßnahmen zur Bekämpfung der Verschmutzung mit Plastik und anderem Müll.

Weltmeere: UNO-Ozeankonferenz startet mit eindringlichen Forderungen – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Die Bioethikkommission hat unter dem Titel „Die Klimakrise als ethische Herausforderung“ Empfehlungen zum politischen Umgang mit der Erderhitzung erarbeitet. Sie widmet sich im Papier auch den neuen Strategien der Klimakatastrophen-Leugner und konstatiert: „Da sich die Auswirkungen des Klimawandels auf Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Waldbrände, Überschwemmungen und Wirbelstürme nicht mehr herunterspielen lassen, hat sich die Taktik von ursprünglicher Leugnung hin zu Verzögerung und Ablenkung verlagert.“

Die Erderhitzung wirkt sich nicht auf alle Extremwetterereignisse gleich aus. Am stärksten beeinflusst sie Hitzewellen, wie eben in Italien. Das belegt eine Studie der Victoria University of Wellington.

Um die weltweite Abholzung zu vermeiden, haben sich die 27 EU-Umweltminister:innen auf eine Richtlinie zu „entwaldungsfreien Produkten“ geeinigt. Davon betroffen sind etwa Palmöl, Holz, Kaffee, Kakao und Soja, sowie Rindfleisch, Leder, Schokolade und Möbel, für die keine Wälder mehr gerodet werden dürfen. Verantwortlich für die Lieferkette und die „verbindlichen Sorgfaltspflichten“ sind die importierenden Unternehmen.

Hörtipp

Ob man einen überschwemmten Garten nun auf die Klimakatastrophe mit ihren vermehrten Extremwetterereignissen zurückführt oder nicht: In MOMENT erzählen unterschiedlichste Menschen, wie sie mit der Verwüstung ihrer Gärten umgehen – von besseren Simulationen der möglichen Überschwemmung bis hin zum Bau einer kleinen Staumauer, um das private Paradies zu retten.

https://oe1.orf.at/player/20220627/682804

Wärmere Ozeane sind lauter

  1. April 2022

Der Mensch kann schlecht mit Unsicherheit umgehen. Wir lieben Gewissheiten. Die können uns aber nur Religionen geben, so fragwürdig auch immer sie sein mögen. Zu den zentralen Spielregeln der Wissenschaft hingegen gehört, dass ihre Erkenntnisse immer widerlegbar sein müssen – und manchmal auch widerlegt werden. Manche rechnen ihr das als Schwäche an. Dabei ist das genau die Stärke der Wissenschaft.

Auch in der Klimaforschung haben sich manche Voraussagen verändert. Leider nicht unbedingt in jene Richtung, die zu unserer Entspannung beitragen würden. Bereits 2001 wurde im 3. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC die Möglichkeit von Kipppunkten in unserer Atmosphäre und unseren Ökosystemen angesprochen – das sind jene Momente, ab denen ein Ereignis wie das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes unumkehrbar wird.

2008 hat der deutsche Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber mehr als ein Dutzend solcher tipping points aufgrund der Erderwärmung publiziert. Dazu gehört etwa der Zusammenbruch der Nordatlantischen Umwälzströmung. Sie hat sich schon jetzt um 15% verlangsamt. Bleibt dieses gigantische Energieförderband stehen, kommt es im nordatlantischen Raum zu einer dramatischen Abkühlung. Durch die Erderwärmung könnte auch der Indische Monsun destabilisiert werden. Das hätte mehr Dürren und Flutkatastrophen zur Folge, um nur zwei Beispiele zu nennen.

2019 haben Schellnhuber und seine Kolleg:innen ihre Prognosen revidiert und gewarnt, dass die Kipppunkte wahrscheinlicher und zeitlich näher sein könnten, als zuvor angenommen. Ging man vor zwei Jahrzehnten noch davon aus, dass sie erst bei einer globalen Erwärmung von 5 Grad auftreten, gelten manche Kipppunkte auch schon bei einem Temperaturanstieg von 1 bis 2 Grad als wahrscheinlich. Und wie vor einigen Wochen erwähnt, stehen wir momentan bei einer durchschnittlichen Erderwärmung von 1,1 Grad, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Amundsen See-Einbuchtung in der Westantarktis könnte diesen point of no return bereits überschritten haben. Und auch für das Grönländische Eisschild könnte der irreversible Abschmelzprozess schon bei 1,5 Grad Erwärmung starten – möglicherweise in den 2030er-Jahren. Vom Auftauen der Permafrostböden haben wir ja erst vor kurzem im Ö1 Klima-Newsletter berichtet.

Insofern ist das Paris-Ziel von 1,5 Grad nicht der sichere Klima-Hafen, wie viele meinen, sondern nur ein Zielwert zur Schadensminimierung. In Wahrheit zählt jedes Zehntel Grad, das wir vermeiden können.

Wärmer Ozeane sind lauter

Biodiversität

Steigt die Temperatur in den Meeren, können sich die Schallwellen schneller ausbreiten. In der arktischen Barent See oder im nordwestlichen Pazifik ist die Schallgeschwindigkeit in einer Tiefe von 50 Metern bereits um ein Prozent gestiegen, wie eine kanadische Studie zeigt. Gleiches gilt für die Arktis, den Golf von Mexiko oder die südliche Karibik 500 Meter unter der Wasseroberfläche. Für die Meerestiere wird sich damit die Kommunikation möglicherweise folgenschwer wandeln. „Die Veränderung der Schallgeschwindigkeit beeinflusst auch ihre Fähigkeit zur Nahrungsaufnahme, das Paarungsverhalten oder die Flucht vor Räubern“, so die Autoren.

Warming oceans are getting louder – AGU Newsroom

Riesiger Eisberg abgebrochen

Ostantarktis

Bereits Mitte März dürfte sich ein Eiskoloss in der Größe Roms vom Festland der östlichen Antarktis gelöst haben.  Die NASA-Expertin Catherine Colello Walker beschrieb die Ablösung des sog. Conger Eisschelfs im Guardian als „einen der bedeutsamsten Abbrüche in der Antarktis seit den frühen 2000er Jahren“ und als „Anzeichen für das, was kommen mag.“

Im Gegensatz zur Westantarktis ist ein Abschmelzen der Ostantarktis zwar unwahrscheinlicher. Aber auch hier könnte durch punktuelle Ereignisse ein nicht mehr zu stoppender Eisverlust in Gang gesetzt werden – mit einem langfristigen Meeresspiegelanstieg von 3-4 Metern.

Riesiger Eisberg in östlicher Antarktis abgebrochen – science.ORF.at

Wie Gas in der Industrie ersetzen?

Energiewende

8,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht Österreich pro Jahr. Mehr als 70 Prozent davon gehen in die Industrie, einerseits als Energieträger, andererseits auch als Rohstoff für chemische Produkte oder Düngemittel. Der größte Verbraucher ist der Chemiesektor, gefolgt von der Papier- und Zellstoffproduktion und der Stahlindustrie. In einigen Bereichen, etwa der Lebensmittelindustrie, könnten Trocknungsprozesse statt mit Gas über Biomasse betrieben werden. Auch in der Stahlindustrie seien Verfahren mit Strom statt Gas möglich, allerdings mit einer Umstellungszeit von 10-15 Jahren, so Ilse Schindler vom Umweltbundesamt in Wien.

Weniger Erdgas: Wie der Energiewechsel funktionieren könnte – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Australischen Forscherinnen ist es gelungen, hitzetolerantere Korallen zu züchten. Am Great Barrier Reef hat gerade wieder eine temperaturbedingte Korallenbleiche eingesetzt.

Ökologie: Hitzetolerante Korallen am Great Barrier Reef – science.ORF.at

Podcast NACHHALTIG LEBEN

TIPP

Jeden zweiten Freitag fragt Ruth Hosp in der Sendung NACHHALTIG LEBEN (11.55 Uhr), wie ein ökologisch verträglicher Lebensstil aussehen könnte. Es geht um „grünes“ Reisen genauso wie um den Ausstieg aus der ressourcenverschlingenden „Fast Fashion“. NACHHALTIG LEBEN ist auch als Podcast abonnierbar.

https://radiothek.orf.at/podcasts/oe1/oe1-nachhaltig-leben

Sendungen zum Thema aus dem gesamten Ö1-Angebot, von DIMENSIONEN über MOMENT bis zum RADIOKOLLEG sind dauerhaft unter https://oe1.orf.at/nachhaltigleben nachhörbar.