Schlagwort: Klimajugendrat

Wohlfahrtsgewinne durch weniger Treibhausgase

Ich muss Sie wieder mit dem Wort “Utopie” behelligen. Ein Freund, der an einer FH unterrichtet, fragte seine StudentInnen nach Zukunftsvisionen. Es kamen aber nur Dystopien – also negative Zukunftsbilder. Das ist menschlich verständlich, da wir immer mehr Angst vor Verlust haben als Mut für Neues. Aber: Zukunft entwickelt man besser mit einem positiven Bild als mit einer Abwehrhaltung. Oder um es ganz einfach zu sagen: Wir brauchen Utopien momentan wie ein Stück Brot.

Solche Utopien hat diese Woche eine Studie im Auftrag von Mutter Erde präsentiert. Darin haben WissenschafterInnen des Wegener Center der Uni Graz und der WU Wien drei Wege zu “netto null” Treibhausgasemissionen auf ihre volkswirtschaftlichen Auswirkungen hin analysiert.

Österreich strebt ja laut Regierungsprogramm bis 2040 Klimaneutralität an. Wir können zum Beispiel weitermachen wie bisher, uns aber auf “saubere” Energie konzentrieren, die wir international einkaufen, ohne unseren Verbrauch zu reduzieren. Dazu brauchen wir weder Verhaltensänderungen noch soziale Innovationen (Zero Basis-Szenario).

Wir können aber auch unseren Ressourcen- und Energieverbrauch drastisch reduzieren. Das würde vor allem die Industrie fordern, die viel mehr als bisher auf Kreislaufwirtschaft setzen müsste. Es würde zum Beispiel bedeuten, unsere Erneuerbaren so auszubauen, dass wir uns ab 2030 ohne Abhängigkeit vom Ausland mit grünem Strom versorgen können.

Braucht das erste Szenario 317 Terawattstunden Gesamtenergie pro Jahr, benötigen wir im zweiten – Zero Transition genannten – Szenario nur 192 Terawattstunden.

Die Kreislaufwirtschaft ist weitaus arbeitsintensiver, sodass bei Zero Transition auch die Arbeitslosigkeit deutlich geringer ist als bei Zero Basis: Sie liegt nach dem Modell bei etwa 1,8 Prozent statt bei 5,4 im energieintensiven Szenario. Auch die Löhne steigen durch den höheren Arbeitskräftebedarf.

Am ambitioniertesten ist die Vision Just Transition – also “gerechter Übergang”: Hier kommt auch noch der Faktor der sozialen Gerechtigkeit dazu, indem etwa eine luxus-fokussierte CO2-Steuer eingeführt wird, da ja Begüterte weitaus mehr Treibhausgase emittieren als Menschen mit geringem finanziellem Spielraum. Diese luxusorientiere CO2-Bepreisung würde Flugreisen genauso treffen wie emissionsintensive Autos. Gleichzeitig rechnet Just Transition mit einer Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit um 1,2 Stunden und mit mehr Car-Sharing, wodurch zum Beispiel in der Stadt der Bedarf an Parkplätzen zurück geht.

Durch die Arbeitszeitverkürzung sinkt zwar das BIP um 0,5 – 1 Prozent, aber die Arbeitslosigkeit reduziert sich um 1 – 2 Prozent.

“Die Studie zeigt sehr deutlich, dass sich eine dekarbonisierte und defossilisierte Wirtschaft und Wohlfahrtsgewinne nicht ausschließen, bei kluger Gestaltung einander vielmehr bedingen”, schließen die AutorInnen in ihrer Zusammenfassung. Abgesehen von Emissionsreduktionen kommt es auch zu positiven Wertschöpfungseffekten, vor allem durch die Umstellung auf materialsparende Produktionsformen.

Es gibt also viel zu gewinnen, selbst wenn Veränderungen immer Angst machen. Aber das Ziel ist formuliert. Und der Weg auch.

Mutter Erde – Studie

Österreich plant massiven Ausbau des Schienennetzes

26 Milliarden für Bahnverkehr und Klimaschutz

Die ÖBB und das Klimaministerium haben kürzlich das „Zielnetz 2040“ präsentiert, das die Bahninfrastruktur in Österreich deutlich verbessern soll. Bahnfahren soll so noch attraktiver werden und die CO2-Emissionen im Verkehrssektor reduzieren. Die 67 geplanten Projekte umfassen unter anderem eine Verkürzung der Fahrzeit zwischen Wien und München auf 2,5 Stunden, eine bessere Anbindung des Flughafens Wien an das Schienennetz und eine schnellere Verbindung von Graz nach Maribor. Die Gesamtkosten für den Ausbau belaufen sich auf 26 Mrd. Euro.

So wird zum Beispiel die Fahrtzeit von Innsbruck nach München auf 65 Minuten und von Wien nach Budapest via Flughafen auf zwei Stunden reduziert werden. Auch der ländliche Raum soll vom Ausbau profitieren, etwa das Gasteinertal und die Ostrampe der Arlbergbahn. Im öffentlichen Nahverkehr sollen vor allem die Takte dichter werden.

https://orf.at/#/stories/3346783/

872 Milliarden Euro Kosten durch Meeresspiegelanstieg

Szenario 2100

Schäden durch den Anstieg des Meeresspiegels könnten die Wirtschaften der EU und des Vereinigten Königreichs bis Ende des Jahrhunderts insgesamt bis zu 872 Milliarden Euro kosten, wie aus einer Modellierungsstudie hervorgeht. Die AutorInnen untersuchten dafür 271 europäische Regionen bis 2100 unter der Annahme, dass wenig bis gar nichts gegen die Erderwärmung getan wird (Szenario hoher Emissionen SSP5-RCP8.5).

Die Modellierung zeigte regionale Unterschiede in den wirtschaftlichen Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs. Die Mehrheit der wirtschaftlichen Verluste – bis zu 21% des regionalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) bis 2100 – konzentrierte sich in Küstenregionen wie Venetien und der Emilia-Romagna in Italien und Zachodniopomorskie in Polen. Auch Regionen um die Ostsee, die belgische Küste, Westfrankreich und Griechenland sind gefährdet, hohe wirtschaftliche Verlust zu erleiden. Binnenregionen – etwa in Deutschland, Österreich und Ungarn – könnten bis 2100 hingegen wirtschaftliche Gewinne von bis zu 1% des regionalen BIP erzielen, u.a. durch eine Verlagerung der landwirtschaftlichen Produktion.

Baumarten stärker bedroht als bisher angenommen

Biodiversitätsverlust im Atlantischen Regenwald

Eine in Science veröffentlichte Studie zeigt, dass Baumarten stärker gefährdet sind als bisher angenommen, insbesondere im Atlantischen Regenwald. Die Forschenden fanden heraus, dass 82% der endemischen und 65% aller dort vorkommenden Baumarten vom Aussterben bedroht sind. Allein der Habitatverlust in tropischen Wäldern gefährdet 35-43% aller Baumarten. Bisher galten – alle Ökosysteme zusammengenommen – nur 30 Prozent aller Baumarten als bedroht.

Der atlantische Regenwald erstreckte sich einst über die gesamte Ostküste Brasiliens sowie kleine Teile Argentiniens und Paraguays. Er zählt zu den globalen Biodiversitätshotspots und beherbergt mehr als 15.000 Pflanzenarten.

Tipps

Klimajugendrat

Im Klimajugendrat können junge Menschen aus ganz Österreich mit PolitikerInnen aller im Nationalrat vertretenen Parteien über Klimapolitik diskutieren. Der nächste Klimajugendrat für Menschen zwischen 14 und 30 findet vom 9. bis 11. April 2024 im Parlament in Wien statt. Die Teilnahme ist kostenlos und die Anreise, Unterkunft und Verpflegung werden bei Bedarf übernommen.

https://bjv.at/klimajugendrat24/

Kostenlose Expedition: Girls on Ice

Girls* on Ice Austria bietet eine kostenlose Expedition für junge Frauen zwischen 15 und 17 Jahren, die die vergletscherten Berge Tirols erkunden wollen. Unter der Leitung von ErdwissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und Bergführerinnen erfahren sie dabei Details über Gletscher, alpine Landschaftsformen, Wetter, Klima und Klimawandel. Ziel ist es, Interesse an den Naturwissenschaften zu wecken, Geschlechterrollen zu hinterfragen und das Vertrauen in die eigenen physischen Fähigkeiten zu stärken. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Interessierte können sich bis 16. Februar bewerben.

www.inspiringgirls.org/goi-austria

Kurz gemeldet

Im Jahr 2025 werden die Erneuerbaren erstmals mehr Strom produzieren als Kohlekraftwerke, so ein OECD-Report. Ihr Anteil an der Stromproduktion steigt von 30% im Jahr 2023 auf 37% im Jahr 2026.

https://www.iea.org/reports/electricity-2024/executive-summary

Hörtipps

Sauber bis zum Ursprung – die gesetzliche Überwachung von Europas Lieferketten

Die EU will noch heuer ein Lieferkettengesetz beschließen, das Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte und Umweltschutz in ihren globalen Produktionsstätten zu respektieren, um etwa Kinderarbeit zu vermeiden. Das Gesetz soll bis 2026 in Kraft treten und könnte weitreichende Folgen für die Wirtschaft und die Gesellschaft haben. NGOs loben die EU für ihren Vorstoß, während Industrieverbände den hohen bürokratischen Aufwand beklagen, wie das JOURNAL PANORAMA dokumentiert.

https://oe1.orf.at/player/20240122/746684

Was bringt das LNG-Terminal Rügen?

Just in Zeiten, in denen allerorts vom Ausstieg aus den fossilen Energieträgern geredet wird, plant Deutschland den Bau des größten Flüssiggas – Terminals Europas. Unmittelbar vor der Ostseeinsel Rügen soll ein „schwimmendes“ Terminal aus zwei Schiffen von Erdgastankern mit LNG (Liquified Natural Gas) aus aller Welt beliefert werden. WissenschaftlerInnen sehen dadurch die Energiewende gefährdet, die Bundesregierung wiederum argumentiert, das Bauprojekt sei für die Energieversorgung Deutschlands unerlässlich. Die betroffene Bevölkerung Rügens reagiert mit Widerstand, wie die DIMENSIONEN in einer Reportage zeigen.

https://oe1.orf.at/player/20240124/746800

Technooptimismus als Falle

Wir lieben Zauber. Auch wenn er unter dem Deckmantel der Wissenschaft daherkommt. Beziehungsweise als großes Versprechen. Als im Dezember ein kalifornisches Labor den Durchbruch bei der Fusionsforschung verkündete, weil bei der Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium erstmals weniger Energie investiert als geerntet wurde, jubelte ein Teil des Globus auf. Mit einem Mal schien die Lösung aller Energieprobleme in Sichtweite und die beschwerliche Abkehr vom fossilen Irrweg obsolet, weil man ja nun ohnehin bald auf saubere Fusionsenergie zugreifen würde können.

Mitnichten.

Ein tauglicher Fusionsreaktor ist weiter entfernt als das Überschreiten der 2 Grad-Grenze. Manche glauben wohl tatsächlich an die Lösung der Klimakrise durch technologische Wunder, andere verwenden den Verweis auf den technological fix ganz einfach strategisch, um so an alten Technologien wie der Verbrennung festhalten zu können.

Auch der Verweis auf „grünen Wasserstoff“ ist so eine (Selbst-)Beruhigungspille. Die Erzeugung von Wasserstoff braucht etwa sechsmal mehr Energie als die direkte Nutzung von Sonnenstrom, ist also nicht sehr effizient. In Industrieanlagen, die hohe Temperaturen benötigen, wird er seine Berechtigung haben, aber sicher nicht beim Heizen von Haushalten, oder wie es Günter Pauritsch von der Energieagentur ausdrückte: Es sei nicht notwendig, „ein Gas mit 2000 Grad zu verbrennen, um damit 20 Grad Zimmertemperatur zu erreichen“. Ähnliches gilt für Methan aus erneuerbaren Quellen. Bedarf und Angebot klaffen um ein Vielfaches auseinander.

Bei einer Veranstaltung der Universität für Bodenkultur zählte Michael Narodoslawsky von der TU Graz Wasserstoff zu den „psychologisch netten Lösungen“ und verglich die dahinterliegende Haltung mit ‚Warten auf Godot‘: „Wir sitzen in unserer Hängematte, warten darauf, dass Öl durch Wasserstoff ersetzt wird und müssen uns nicht ändern. Es gibt aber einen Spielverderber, das ist die Effizienz“, so Narodoslawsky.

Auch der Boku-Professor Gernot Stöglehner bezeichnete die Hoffnung auf wundersame technologische Lösungen wie die CO2-Abscheidung aus der Luft als „Irrwege in der Energiewende“.

Jüngst flackern verstärkt auch wieder Geoengineering-Hoffnungen in der öffentlichen Diskussion auf. Wie riskant es ist, künstlich Folgen eines Vulkanausbruchs zu erzeugen und etwa per Flugzeug Schwefelpartikel in die Luft zu blasen, dokumentiert der an der Columbia Business School lehrende österreichische Kimaökonom Gernot Wagner in seinem eben erschienenen Buch „Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln?“. Auch in Marc Elsbergs neuestem Thriller „Celsius“ steht das Drehen am Klimarad im Mittelpunkt der Geschichte. Dort bläst China mit einer unheimlichen Flugzeugflotte den „großen Sonnenschirm“ in die Stratosphäre.

Angesichts der vielen internationalen Hinhaltungs- und Verwirrtaktiken ist wohl auch der Kommentar des UNO-Generalsekretärs Antonio Guterres verständlich, wonach die Beschränkung der Erderhitzung auf 1,5 Grad nur mehr auf „wundersame Weise“ erreichbar sei.

Technooptimismus mag ab und an durchaus angebracht sein. Aber als quasi-religiöse Grundhaltung ist er meist nur ein Ablenkungsmanöver, um an überkommenen Geschäftsmodellen und Verfahren festzuhalten (daher auch der Ruf der Autoindustrie nach Wasserstoffantrieb, der sinnvollerweise und aus Energieeffizienzgründen jenen Fahrzeugen vorbehalten sein sollte, die ihn auch wirklich brauchen).

Die Klimakrise benötigt kurz- bis mittelfristige Lösungen, oder wie es Gernot Stögmüller mit Blick auf die tickende Klimauhr ausdrückte: „Was wir jetzt nicht entscheiden, ist 2030 nicht realisiert.“

https://science.apa.at/power-search/4410564532718699370

Ozeane im Fieber

Auswirkungen bis nach Österreich

Noch nie seit dem Messbeginn 1955 enthielten die Ozeane so viel Energie wie im Vorjahr. Seit den 80er Jahren hat sich die Geschwindigkeit ihrer Erhitzung verdreifacht, weil die Meere 90% der überschüssigen Energie aus der Atmosphäre aufnehmen. Durch die Erwärmung durchmischen sich auch kalte und warme Wassermassen nicht mehr so wie in der Vergangenheit. Es kommt zu Schichtbildungen.

Die Meere nehmen auch CO2 aus der Luft auf, was im Wasser wiederum zu einer Versäuerung führt und etwa zum Korallensterben beiträgt.

Die Auswirkungen der wärmeren Meere reicht bis Österreich. Eine höhere Temperatur an der Wasseroberfläche führt zu stärkerer Verdunstung. Dadurch kommt es vermehrt zu Extremwetterereignissen. Im Winter fallen die wärmeren Wassermassen in der Luft allerdings nicht als Schnee zu Boden, sondern verstärkt als Regen.

https://orf.at/stories/3301690/

Unternehmen setzen Klimaziele nicht um

Europa

Die Mehrheit der europäischen Unternehmen hat keine nachvollziehbaren Pläne, wie die Klimaziele erreicht werden sollen. Das belegt eine Analyse des Carbon Disclosure Project (CDP).

Zwar habe rund die Hälfte der europäischen Unternehmen Klimaschutzpläne, die sich am internationalen Pariser Klimaziel einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad orientieren. Aber nicht einmal fünf Prozent der Firmen könnten nachweisen, wie sie diese Ziele erreichen und umsetzen wollen, so CDP.

Das Carbon Disclosure Project ortet eine große Lücke zwischen dem, was gesagt, und dem, was in den Firmen tatsächlich getan wird. Für seine Analyse hat es die Angaben von Unternehmen ausgewertet, die rund drei Viertel der europäischen Aktienmärkte repräsentieren.

https://orf.at//stories/3305388/

Klimajugendrat 2023

Rund 80 junge Menschen tauschen sich beim Klimajugendrat vom 22. – 24. Februar mit Parlaments-Abgeordneten zu klimapolitischen Themen aus. Zum Auftakt wird der Climate Action Award verliehen, bei dem es 9 Projekte in die Endauswahl geschafft haben, darunter der Climate Walk, das Klimadashboard oder vegane Kochkurse.

Organisiert wird der Klimajugendrat von der Bundesjugendvertretung (BJV) zusammen mit dem Klima- und Energiefonds.

Kurz gemeldet

In Österreich emittieren die reichsten zehn Prozent der Haushalte mehr als viermal so viel CO2 wie die ärmsten zehn Prozent. Das ist nur ein Beispiel, wie ungleich Treibhausgasemissionen je nach Einkommen und Vermögen verteilt sind. Betrachtet man die Klimawirksamkeit räumlich, ist vor allem der sub-urbane Raum, also der sog. „Speckgürtel“, besonders klimaschädlich, während der CO2-Ausstoß in Städten am geringsten sei.

https://science.orf.at/stories/3217609/

Hörtipp: Bedrohte Halligen

Die Halligen, das sind winzige Inseln im Wattenmeer der Nordsee; sie ragen nur knapp über den Meeresspiegel hinaus. Von den ursprünglich 100 Inseln sind nur mehr 10 übrig und bewohnt. So malerisch sie aussehen, erfüllen sie auch eine wichtige Funktion für die Küste: sie dienen als Wellenbrecher. Der Klimawandel droht nun auch die letzten verbliebenen Halligen zu verschlingen. Denn mit der Erderhitzung steigt sowohl die Intensität als auch die Zahl der Sturmfluten.  Die DIMENSIONEN schildern in 2 Teilen, wie es mit den Mini-Inseln weitergehen könnte.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/soziales