Schlagwort: Extremwetter

Man kann nicht alles reparieren

25. März 2022

Das Gartenjahr beginnt bei mir etwas schleppend. Der Brunnen in unserem Garten ist im Gegensatz zu anderen Jahren leer und der Schlauch-Aufroller kaputt. Letzteren habe ich zu reparieren versucht. Nun gibt es in diesem unförmigen Plastikding aber zwei Schrauben, die mit normalen Werkzeugen nicht zugänglich sind, egal, was ich auch probiert habe. Ein handwerklich sehr versierter Freund hat mir aus Mitleid einen Spezialschraubenzieher geschweißt, mit dem ich den Schlauch-Aufroller öffnen und zumindest zum Großteil instand setzen konnte.

Leider könnten der leere Brunnen und das sich der Reparatur verweigernde Schlauchmonster etwas miteinander zu tun haben. Was sich nicht reparieren lässt, wird normalerweise entsorgt. Das bedeutet im Gegensatz zu einem langlebigen Gerät einen höheren Ressourcenverbrauch, damit mehr CO2-Ausstoß, damit mehr Erderwärmung und mehr Extremwetterereignisse wie Trockenheit. Also einen leeren Brunnen nach einem niederschlagsarmen Winter und mitten in einem Hoch, das sich über Europa festgekrallt hat.

Zwar hat die EU „Reparieren statt wegwerfen“ als Devise ausgegeben, aber so richtig in Fahrt kommt die Verlängerung der Lebensdauer von Geräten nicht. Gemeinhin verweigern sie sich der Reparatur durch verklebte Gehäuse oder unorthodoxe und nicht zugängliche Schrauben. Immerhin müssen die Hersteller bei neuen Kühlschränken, Waschmaschinen, Fernsehern und Geschirrspülern mindestens 7 Jahre lang Ersatzteile liefern. In der Praxis werden aber kaum Einzelteile, sondern ganze Komponentenbündel getauscht.

Ein umfassendes Gesetzespaket zum „Recht auf Reparatur“ war für 2021 von der EU angekündigt, wird aber mindestens noch bis Mitte des Jahres auf sich warten lassen. Wer etwa sein Handy selbst reparieren möchte, hat kaum eine Chance dazu, sondern zahlt meist weit mehr als hundert Euro für den Austausch der defekten Teile. Die Folge: Smartphones werden zu Wegwerfartikeln mit einer Lebensdauer unter 2 Jahren.

Die EU-Abgeordneten, die 2020 den Entschließungsantrag für ein Recht auf Reparatur einbrachten, hatten ganz klar betont, dass die Nutzung von elektronischen Geräten „den Grenzen des Planeten Rechnung tragen“ müsse. Der Planet ist seither nicht größer geworden. Und wollen wir unter einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad bleiben, dann haben wir unser CO2-Budget laut Mercator Research Institute beim derzeitigen Emissionsvolumen in knapp über sieben Jahren aufgebraucht. Es eilt also mit der Treibhausgas-Reduktion.

Um eine Reparatur unseres Planeten geht es auch in diesem Newsletter weiter unten.

Heiße Antarktis

Rekordwert

Im Osten der Antarktis ist es zur Zeit um 40 Grad wärmer als sonst im März üblich. Das zeigen Daten der Weltwetterorganisation WMO. Auf der Forschungsstation Concordia wurden am 12. März minus 12,2 Grad gemessen, dieser Wert liegt 20 Grad über dem letzten Temperaturrekord.

„Mit diesem Ereignis müssen die Rekordbücher und unsere Erwartungen, was in der Antarktis möglich ist, neu geschrieben werden“, kommentierte Robert Rohde vom Umweltdateninstitut Berkeley Earth den Spitzenwert.

https://science.orf.at/stories/3212125/

Starkregen verursacht Großteil des Bodenverlusts

Weinviertel

Nur ganz wenige Starkregenfälle sind für 80% des Bodenschwunds im Weinviertel verantwortlich. Das zeigen Messungen eines BOKU-Forschungsteams in der Region Mistelbach. Die Wissenschafter:innen haben in den vergangenen 25 Jahren rund 150 Messungen durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass nur vier oder fünf schwere Regenfälle vier Fünftel des Bodenverlusts verursacht haben.

Mit der Erderwärmung nehmen extreme Wetterereignisse wie Dürren und Starkregen zu. Aktuell gelten in der EU hunderte Millionen Hektar als erosionsgefährdet.

https://noe.orf.at/stories/3148439/

Waldbrände erhitzen Arktis

Sekundärschaden von fossilem CO2

Bei Waldbränden gelangen große Mengen brauner Kohlenstoffpartikel in die Luft. Diese winzigen Teilchen können Wärme besonders gut absorbieren und führen laut einer chinesischen Studie in der Arktis bereits stärker zur Erwärmung als die Verbrennung fossiler Energieträger.

Gleichzeitig ist das CO2 aus fossilen Brennstoffen verantwortlich für die Zunahme an Waldbränden. Laut dem jüngsten IPCC-Bericht werden verheerende Waldbrände bis 2050 um die Hälfte zunehmen. Die Schadwirkung aus der Verfeuerung von Öl oder Gas wird dadurch also noch einmal vervielfacht.

https://science.orf.at/stories/3212064/

Klimaopfer Kuckuck

Zählung mit Bürger:innen-Hilfe

Durch die Erderwärmung kommt der Kuckuck rund 10 Tage früher aus seinem Winterquartier zurück als noch vor 20 Jahren. Und ist trotzdem oft schon zu spät dran, weil Rotkehlchen oder Bachstelze dann schon brüten und er sich schwerer tut, ihnen seine Eier unterzujubeln. Auch dadurch ist der Kuckucksbestand zurückgegangen. Birdlife zählt in Österreich ein Viertel weniger Kuckucke als noch vor 25 Jahren. Um neue Daten zu erhalten, sammelt Birdlife nun Kuckucks-Meldungen. Wer den ersten Kuckuck hört, kann die Beobachtung auf einer Webseite eintragen.

https://kaernten.orf.at/stories/3148376/

https://birdlife.at/fso/form/27

Kurz gemeldet

Innsbrucker Gletscherforschern schmilzt ihr Klimaarchiv davon. Um im Eis konservierte Daten über 6000 Jahre zu retten, versuchen die Glaziolog:innen noch so viele Eiskerne wie möglich aus den Tiroler Alpengipfeln zu bohren.

https://tirol.orf.at/stories/3148380/

Am anderen Ende der Welt ist das Great Barrier Reef erneut von einer Korallenbleiche bedroht. Die Wassertemperaturen im australischen Herbst liegen entlang des 2.300 Kilometer langen Riffs teilweise einen halben Grad über dem Schnitt. 

https://science.orf.at/stories/3212067/

TIPP – Ö1-Initiative

Reparatur der Zukunft 2022

Klimainnovation in Europa

Bereits vor mehr als drei Jahrzehnten hat der Weltklimarat die Folgen des Klimawandels vorausgesagt. Nun sind sie für jeden zu spüren. Europa steht vor fundamentalen, klimabedingten Umwälzungen. Als Radiosender, der die Entwicklung unseres Planeten aus vielerlei Blickwinkeln begleitet, möchte Ö1 bei der Bewältigung dieser Probleme helfen.

Mit der Initiative „Reparatur der Zukunft – Das Casting neuer Ideen“ machen wir seit 2020

Projekte sichtbar, die an Lösungen für die Gesellschaft von morgen arbeiten. Mittlerweile befinden sich 350 Projekte für ein nachhaltiges Leben in der Ö1-Datenbank https://oe1.orf.at/zukunft.

In diesem Jahr setzen wir den Fokus auf Klimainnovationen. Wir sammeln Projekte, Konzepte und Ideen, die in einem Videoclip ihren Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise schildern – in Lebensbereichen wie Energie, Ernährung, Wirtschaft, Bildung, Soziales, Technologie, Mobilität, Energie, Gesundheit oder Kultur.

Eine Jury wählt darüber hinaus Projekte aus, die zu Weiterbildungen in Österreich und ins Ausland eingeladen werden.  Alle Informationen zur Initiative „Reparatur der Zukunft“ und zum Casting neuer Ideen finden Sie unter https://oe1.orf.at/zukunft und auf Englisch unter https://oe1.orf.at/future.

Nachhaltiger Tourismus

Hörtipp

Unsere Urlaube sind meist CO2-intensiv. Schon die Anreise mit dem Flugzeug schleudert Unmengen Treibhausgase in die Atmosphäre. Und der Aufenthalt in einem klimatisierten Hotelkomplex verschlingt den nächsten Bulk an Energie. Dass es auch anders geht, zeigt AMBIENTE am Beispiel dreier Projekte in Kärnten, der Toskana und in Thailand.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/wirtschaft

IPCC-Bericht – Das „Window of Opportunity“ schließt sich

Am Montag dieser Woche erschien der jüngste Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC – wie sein Vorgänger unter äußerst ungünstigen Umständen. War es im Vorjahr Corona, das dem ersten Teil die öffentliche Aufmerksamkeit entzog, ist es diese Woche der erschütternde Krieg in der Ukraine. Dessen ungeachtet bleibt die drohende Klimaerwärmung ein Jahrhundertproblem, das unsere Aufmerksamkeit ebenso verlangt wie die humanitäre und politische Katastrophe in einem Land knapp vierhundert Kilometer östlich.

Schon jetzt, so konstatieren die Autor:innen, habe die Erderwärmung zu irreversiblen Entwicklungen geführt, die weder durch den Menschen, noch die Natur ausgeglichen werden können. Immer wieder korrigieren die 270 Verfasser:innen des zweiten Teils des sechsten Sachstandsberichts, wie der Report offiziell heißt, frühere Prognosen – leider, weil sie die disruptive Kraft der aufgeheizten Atmosphäre unterschätzt haben.

Wie die Autor:innen selber die Resultate aus dem jüngsten Bericht einschätzen, hat meine Kollegin Juliane Nagiller in science.orf.at zusammengefasst. „Noch gibt es Möglichkeiten, wie wir uns anpassen können. Diese Möglichkeiten werden geringer werden, je wärmer es wird“, sagt etwa Mitautorin Daniela Schmidt von der University of Bristol.

Der Report unter dem Titel „Impacts, Adapation and Vulnerability“ beschränkt sich nicht auf die direkten Auswirkungen der Treibhausgase. Er zeigt auch, das ge- und zerstörte Ökosysteme und der Verlust der Artenvielfalt doppelt verwundbar machen für die Folgen der Erderwärmung. Damit verbunden ist der Auftrag, unsere Umwelt besser zu schützen, weil auch sie uns resilienter macht gegen die Erderwärmung.

Der gesamte IPCC-Report umfasst 3.675 Seiten. Ich habe in diesem Newsletter vor allem die wichtigsten Fakten aus dem 36seitigen „Summary for Policymakers“ zusammengefasst. Auf dass sie nicht vergessen werden mögen.

AR6 Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability — IPCC

Extreme

Seit 1850 ist die Globaltemperatur um 1,09 Grad gestiegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad beschränken können, liegt unter 50%. Dies hat bereits jetzt zu einer Zunahme von Dürren und Unwetterkatastrophen geführt. Kinder, die derzeit 10 Jahre alt oder jünger sind, werden rund viermal mehr Extremwetter erleben als wir heute.

Die direkten finanziellen Schäden durch Überflutungen sind bei einer Erwärmung von 2 Grad bereits 1,4 bis 2mal so hoch wie bei einem globalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad. Die Kosten für Extremwetterereignisse steigen exponentiell mit der Erderwärmung.

Artenvielfalt

Die Hälfte aller untersuchten Arten flieht aus den Hitzezonen in höhere Lagen und vor allem in Richtung der Pole – um rund 59 Kilometer pro Jahrzehnt. Bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad werden 3-14% aller landlebenden Arten wahrscheinlich aussterben. Bei +2 Grad steigt der Maximalwert auf 18 Prozent, bei 3 Grad auf 29 Prozent. Im 5 Grad-Szenario könnten fast die Hälfte aller Spezies vom Erdboden verschwinden.

Nahrung

Der Klimawandel und die damit verbundenen Extremereignisse haben das Nahrungsangebot, trotz steigender Produktivität, in viel kleinerem Ausmaß als möglich wachsen lassen. Sie bremsen damit auch das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele (SDGs). Acht Prozent der heutigen Ackerfläche werden 2100 nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar sein. In den Ozeanen reduzieren Erwärmung und Übersäuerung das Fischangebot. Die Fischereierträge könnten bis Ende des Jahrhunderts um bis zu 41 Prozent zurückgehen. Das führt vor allem in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika sowie kleinen Inselstaaten und der Arktis zu Ernährungsproblemen. Rund die Hälfte der Weltbevölkerung leidet schon jetzt an Wassermangel.

Wasser

Die Risiken durch Wassermangel werden mittel- bis langfristig in allen Regionen steigen. Bei einer globalen Erwärmung von 2 Grad nimmt die Verfügbarkeit von Schmelzwasser zur landwirtschaftlichen Bewässerung in einigen Gegenden bis zu 20 Prozent ab. Auch der Verlust von Gletschereis reduziert die sommerliche Verfügbarkeit von Wasser drastisch.

Ungleichheit

Die Folgen des menschlichen Treibhausgas-Ausstoßes sind global sehr ungleich verteilt. Die Ärmsten bekommen sie am meisten zu spüren. 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen leben in den Weltgegenden, die den Klimawandel am stärksten erleben. Dazu zählen West-, Zentral- und Ostafrika, Südasien, Mittel- und Südamerika sowie kleine Inselgruppen und die Arktis. In diesen Regionen war die Sterblichkeit aufgrund von Überflutungen, Dürren und Stürmen 15mal höher als in Regionen mit „geringer Verletzlichkeit“.

Gesundheit

Extreme Hitze führt weltweit zu Übersterblichkeit. Klimatisch bedingte Krankheiten – über die Ernährung ebenso wie über Wasser – nehmen zu. Auch von Tieren übertragene Infektionen wie Dengue oder Malaria werden mehr, einerseits weil sich die Überträger weiter ausbreiten, andererseits weil sie sich in wärmerem Wetter besser vermehren können. Krankheiten des Verdauungstraktes wie Cholera, die in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen sind, bekommen durch die Erderwärmung neuen Aufschwung.

Anpassungsstrategien

Kurzfristige Klimaschutzmaßnahmen, die die Erwärmung auf 1,5 Grad beschränken, können die Schäden an Ökosystemen und Gesellschaften reduzieren, aber nicht mehr alle negativen Effekte rückgängig machen. Darin sind sich die Autor:innen des zweiten Teils des sechsten IPCC-Sachstandberichts einig. Ein verstärktes Augenmerk auf die Biodiversität und Ökosysteme ist fundamental, um die Resilienz gegen klimatische Veränderungen zu stärken. Dazu gehört etwa, dass 30-50% der weltweiten Landfläche und Ozeane unter Schutz gestellt werden. Durch Anpassungsmaßnahmen könne man höhere Investitionen in der Zukunft vermeiden, und der potenzielle Nutzen dieser Maßnahmen sei langfristig höher als ihre Kosten, meint etwa Mitautorin Schmidt.

Jede Verzögerung bei einer weltweit abgestimmten Anpassung an die Klimaveränderung und bei der Eindämmung der Klimaschäden führt dazu, dass sich das „window of opportunity“ weiter schließt und damit auch die Chance sinkt „auf eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle“, wie der Bericht schließt.

IPCC-Bericht: Zeitfenster für Klimarettung schließt sich – news.ORF.at

IPCC-Bericht: Anpassung an Klimafolgen zu zögerlich – science.ORF.at

AR6 Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability — IPCC

Raus aus dem Gas – aber wie?

Hörtipp

Österreich will bis 2040 klimaneutral sein. Der Ukraine-Krieg könnte den Ausstieg aus der fossilen Verbrennung beschleunigen, auch wenn das russische Gas derzeit noch ungestört fließt. Immerhin eine Million Haushalte und viele Industriebetriebe hängen vom Erdgas ab, das wir zu 80 Prozent aus Russland beziehen. Im JOURNAL PANORAMA haben Energieexpert:innen und ein Wirtschaftsforscher darüber diskutiert, wie die Abkehr vom Gas gelingen könnte.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/wirtschaft