Klimafummeln

Die 1,5 Grad-Erwärmung kommt schneller auf uns zu als gedacht. 1,3 Grad waren es bereits im Vorjahr, verglichen mit der Zeit vor Beginn der Industrialisierung. Der Wille zur Reduktion von fossilen Energieträgern ist dennoch enden wollend. Deshalb rufen viele nach alternativen (komplizierteren) Methoden, um uns vor CO2 und Hitze zu schützen. Eine davon nennt sich Geoengineering. Die Idee: Wir bringen einen chemischen Sonnenschirm in der Atmosphäre aus. Dazu fliegen wir auf eine Höhe von etwa 10 Kilometern und versprühen Schwefelpartikel, die den Planeten dann beschatten. Dass das prinzipiell funktioniert, hat uns die Natur bewiesen – durch Vulkanausbrüche. Beim Ausbruch des Pinatubo 1991 sank die globale Temperatur um 0,5 Grad.

Im Vergleich zum recht einfachen Konzept der Reduktion von Treibhausgasen nimmt sich Geoengineering wie eine hochartistische Schlangenfrau aus, die sich ihre Beine über die Schulter legt und noch unter den Achseln durchfädelt, um sie doppelt zu verknoten. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Gewinne aus den Emissionen von Klimagasen wie auch schon in der Vergangenheit privatisiert werden, die Reparaturmaßnahmen aber auf Kosten der Allgemeinheit gehen.

Dessen ungeachtet sind viele WissenschafterInnen wie etwa Blaž Gasparini von der Universität Wien der Ansicht, dass man Geoengineering zumindest erforschen müsse, um mehr über Risiken und Nebenwirkungen zu erfahren. Mehr Aerosole in der Luft könnten etwa die Ozonschicht schädigen, wie Gasparini in einem Interview im Ö1-JOURNAL meinte.

Auch der in Harvard arbeitende deutsche Chemiker Frank Keutsch plädiert dafür, Geoengineering auf die wissenschaftliche Agenda zu setzen und klare Rahmenbedingungen für Zulassung und Anwendung zu entwickeln.

Ich halte es inzwischen für nicht mehr ausgeschlossen, dass bis 2050 Maßnahmen in diese Richtung ergriffen werden. Und das ist ehrlich gesagt erschreckend. Ich vergleiche diese Methoden des Geoengineering gerne mit starken Schmerzmitteln, Opiaten etwa. Es gibt Situationen, da ist es nötig, sie zu nehmen, weil es nicht anders geht. Gleichzeitig braucht man aber meist noch einen stärkeren Eingriff, eine Operation zum Beispiel. Bei der Modifikation der Sonnenstrahlung ist es ähnlich. Sie kann die Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, nicht ersetzen, nur kurzfristig die Schmerzen lindern“, betont Keutsch gegenüber science.orf.at.

Enthusiasmus klingt anders. Aber Realismus kann sich genau so anhören. Lassen wir die Chance zu vergleichsweise einfachen Lösungen aus – nämlich die Atmosphäre zuerst einmal gar nicht mit Treibhausgasen anzureichern, dann müssen wir wohl oder übel den Schritt zur großtechnischen CO2-Entfernung aus der Luft bzw. zur chemischen Abschattung machen, um Schlimmeres zu vermeiden. Ein Ausstieg aus der Klimafummelei der letzten 150 Jahre ist das nicht, sondern ihre Fortsetzung.

Klimaänderung braucht Waldumbau

Weniger Bäume klimaresistent als gedacht

In Österreich sind im Schnitt zwölf Baumarten je Quadratkilometer klimatisch fit für das 21. Jahrhundert. Bei stabilem Klima wären es 18 gewesen, wie eine neue Studie unter Beteiligung der Universität Wien zeigt. Im europäischen Durchschnitt sind sogar nur neun Baumarten je Quadratkilometer der globalen Erwärmung gewachsen. Das stellt auch den Waldumbau vor schwierige Herausforderungen. Je nach Gebiet gibt es kaum genügend Baumarten, um etwa die vom Borkenkäfer ruinierten Flächen nachhaltig aufzuforsten. „Bäume, die heute gepflanzt werden, müssen sowohl unter den aktuellen Bedingungen, als auch unter zukünftig deutlich wärmeren Bedingungen zurecht kommen“, wie Johannes Wessely von der Uni Wien in einer Aussendung schreibt.

Das Forschungsteam plädiert für bunt gemischte Wälder mit mindestens drei Baumarten und sehr unterschiedlichen Eigenschaften. In tiefen Lagen seien dies etwa Stieleiche, Winterlinde und Hainbuche. Im Westen Frankreichs und auf der Iberischen Halbinsel tue man sich hingegen schwer, noch ausreichend Bäume zu finden, die bis zum Ende des 21. Jahrhunderts durchhalten können.

https://science.orf.at/stories/3224785

Klimaveränderung wird Haupttreiber für Artensterben

Weniger Biodiversität durch steigende Temperaturen

Früher waren Veränderungen in der Landnutzung der Haupttreiber für das Artensterben – in Zukunft wird es der Klimawandel sein. Das legen neue Modellrechnungen nahe. So werde es zu weltweiten Biodiversitätsrückgängen zwischen knapp unter einem bis fünf Prozent pro Jahrzehnt kommen. Gelingt es, die Erderwärmung auf zwei Prozent zu begrenzen (einem Ziel, von dem wir derzeit noch weit entfernt sind), fällt das Artensterben um 40 bis 74 Prozent niedriger aus als bei einem Szenario ohne Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen.

https://science.orf.at/stories/3224747

Kurz gemeldet

Rund 170 Wissenschafterinnen und Wissenschafter fordern in einem Brief an die Landeshauptleute, dass Österreich dem EU-Renaturierungsgesetz zustimmt. Das Gesetz soll mehr Wälder, Moore und Flüsse schützen und der Klima- und Biodiversitätskrise begegnen. Die Bundesländer blockieren bisher die Zustimmung Österreichs in der EU.

https://science.orf.at/stories/3224795

Asien war laut der Weltmeteorologie-Organisation WMO im vergangenen Jahr die von klimabedingten Gefahren am stärksten betroffene Region weltweit. 2023 seien in Asien 79 wetterbedingte Katastrophen im Zusammenhang mit hydro-meteorologischen Ereignissen gemeldet worden, teilte die UNO-Behörde mit. Mehr als 80 Prozent davon waren Überschwemmungen und Stürme. Allein dabei seien mehr als 2.000 Menschen ums Leben gekommen.

Quelle: APA/ AFP

Tipp

Fotowettbewerb zu Klimaschutz

„Individuelle Beiträge zum Umweltschutz in der Europäischen Union würdigen:“ Das ist das Ziel des Fotowettbewerbs, den der Europäische Klimapakt – er ist Teil des Green Deal – ins Leben gerufen hat. Bis Ende Juni können alle interessierten Bürgerinnen und Bürger Fotos einreichen, die ihr eigenes Engagement für den Klimaschutz illustrieren oder auch nur dokumentieren, wie sich etwa ihre Kommune für Klimadinge engagiert.

https://climate-pact.europa.eu/get-involved/capture-your-climate-action-enter-our-photo-competition_en?prefLang=de

Hörtipp

Uganda erstickt im Plastikmüll

Wie kann die weltweite Plastikproduktion eingedämmt werden? Darüber diskutieren ab 23. April Vertreterinnen und Vertreter aus mehr als 175 Staaten in Kanada. Das UNO-Umweltprogramm UNEP will ein verbindliches Abkommen erreichen, doch einige Industrieländer und Ölproduzenten blockieren. Für Uganda und andere afrikanische Länder geht es ums Überleben: Der Victoriasee ist mit Plastik verschmutzt, das Trinkwasser und die Fischerei sind bedroht, wie das JOURNAL PANORAMA dokumentiert hat.

DI | 23 04 2024 – oe1.ORF.at

Was kostet die Klimaerwärmung?

2023 lagen die weltweiten Durchschnittstemperaturen um 1,3 Grad Celsius über jenen der vorindustriellen Zeit. In der Arktis waren es 3,3 Grad und in Europa 2,3 Grad mehr. Vor kurzem hat der Europäische Klimawandeldienst Kopernikus gemeinsam mit der Weltorganisation für Meteorologie diese Zahlen im Bericht über den europäischen Stand des Klimas 2023 veröffentlicht. Dazu eine detaillierte Auflistung all jener Phänomene, die mit der Klimaerwärmung zunehmen: Dürre ebenso wie Starkregen, Waldbrände und

Überflutungen, Hitzewellen. Auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit hat der Bericht dokumentiert.

Aber wie ist dem am effektivsten entgegenzusteuern? Eine Reduktion der Treibhausgase scheint vielfach teuer. Die entsprechenden Maßnahmen sind allerdings weitaus billiger als gar nicht zu handeln. Das macht eine Studie in der Fachzeitschrift Nature deutlich, die im letzten Newsletter bereits angesprochen wurde. Die DIMENSIONEN haben darüber mit einem der drei Studienautoren, dem Physiker und Leiter der Abteilung für Komplexitätsforschung am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, Anders Levermann, gesprochen.

Klimakosten, Emissionen, Kamele, Kontinente, 25.04. | Ö1 | ORF-Radiothek

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