Autor: Franz Zeller

Schein-Klimaschutz, planetare Grenzen und schnelle Mode

Textilien werden im Schnitt weit unter zehnmal getragen. Das sagt der Vorstand des Instituts für Nachhaltigkeitsmanagement an der TU Wien, Andre Martinuzzi. Da ich Modehäuser als die weltliche Version der Vorhölle empfinde, machen mich derlei Statistiken nachgerade fassungslos. Eines meiner ältesten T-Shirts habe ich 2012 in Panama gekauft, und es dürfte qualitativ tatsächlich top sein, da es die Peinlichkeitsschwelle noch immer deutlich unterschreitet.

In PUNKT EINS war diese Woche zu hören, dass Online-Versandhäuser textile Retouren vernichten, weil dies billiger kommt, als die Kleidung auf Lager zu legen. Und gekauft wird auf Anschlag. „Österreicher:innen kaufen derzeit durchschnittlich 60 Kleidungsstücke pro Jahr, und gleichzeitig hat sich die Dauer, die die Kleidung getragen wird, ganz stark verkürzt. Gut 20 Prozent der Kleidung wird gar nie und bis zu 40 Prozent der Kleidung sehr selten getragen“, meinte die Umweltsoziologin Mirjam Mock in der Sendung.

Fast Fashion ist zu einem veritablen Umwelt- und Klimaproblem geworden. Manche Modelabels bringen im Wochenabstand neue Kollektionen heraus, zu Preisen, die die planetaren Kosten überhaupt nicht abbilden. Schätzungen gehen davon aus, dass ein Drittel aller produzierten Textilien überhaupt nie auf den Markt kommt, sondern ungetragen verbrannt oder anders vernichtet wird.

Die Produktion von einem Kilogramm Baumwolle benötigt drei Kilogramm Chemikalien. Weltweit verschlingt die Textilproduktion vier Prozent des Wasserbedarfs oder 100 Milliarden Kubikmeter jährlich. Mit Stand 2019 emittierte die Textilindustrie jährlich 1,2 Milliarden Tonnen CO2, mehr als die gesamte Luftfahrt (0,9 Mrd. Tonnen). Insgesamt ist die Modebranche mit 8 Prozent am Treibhausgasausstoß beteiligt.  

Und dabei sprechen wir noch gar nicht von den unmittelbaren menschlichen Kosten durch die miserablen Arbeitsbedingungen und die Ausbeutung der Textilarbeiter:innen in Billiglohnländern. Menschliches Leid und ökologische Zerstörung gehen wie so oft Hand in Hand. Durch das Missverstehen von Kleidung als Wegwerfprodukt, machen sich auch die Konsument:innen mitschuldig.

Um Mode nachhaltiger zu machen, hat die EU Ende März eine „Initiative für nachhaltige Produkte“ gestartet, die die desaströse Fast Fashion bis 2030 verschwinden lassen soll. Mehr dazu im ersten Beitrag dieses Newsletters.

https://oe1.orf.at/player/20220427/676131

Aus für Fast Fashion

EU-Initiative

Um mehr Bewusstsein für die verheerenden Folgen von Billigmode zu schaffen, will die EU Textilien u.a. mit verpflichtenden Angaben zur Halt- und Wiederverwertbarkeit versehen, ebenso über die Nachhaltigkeit der Produktion. Die Initiative ist Teil der Kommissions-Pläne für eine Kreislaufwirtschaft, die nicht ständig neue Rohstoffe anzapfen und verschlingen muss. Durch Recycling und Reparierbarkeit soll der Ressourcenverbrauch von Textilien drastisch gesenkt werden. Jeder Europäer verbraucht allein über die Textilien, die er durchschnittlich pro Jahr kauft, 9.000 Liter Wasser.

Neue EU-Strategie: Der Anfang vom Ende für „Fast Fashion“ – news.ORF.at

Sechste Planetare Grenze überschritten

Süßwasser

Von den borealen Wäldern bis zu den Tropfen, auf Ackerflächen wie in Wäldern, verändert sich die Bodenfeuchtigkeit. Sie werden zunehmend extrem feucht oder extrem trocken. Dies bringt zum Beispiel den Amazonas-Regenwald nahe an einen Kipppunkt. Das Stockholm Resilience Center und das Potsdamer PIK schätzen die Veränderung des Süßwasserhaushalts als dermaßen gravierend ein, dass sie damit eine planetare Grenze überschritten sehen, weil damit die lebenserhaltenden Systeme der Erde bedroht sind. Hauptautorin Lan Wang-Erlandsson bezeichnet Wasser als den „Blutkreislauf der Biosphäre.“

Wasser ist einer der neun Regulatoren für den Zustand des Erdsystems und die sechste Grenze, deren Überschreitung Forschende festgestellt haben. Andere überschrittene Grenzen sind: Klimawandel, Integrität der Biosphäre, biogeochemische Kreisläufe, Veränderung des Landsystems und, im Jahr 2022, neuartige Stoffe, zu denen Plastik und andere vom Menschen hergestellte Chemikalien gehören, wie das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung in einer Aussendung schreibt.

Update planetare Grenzen: Grenze für Süsswasser überschritten — Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (pik-potsdam.de)

Wort der Woche

„Schein-Klimaschutz“

„Wir sind nach wie vor katastrophal in die falsche Richtung unterwegs.“ Das meinte diese Woche Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der BOKU. Im Klimaschutz würden in der österreichischen Politik Etikettenschwindel, Schönreden und (Selbst-)Täuschung regieren.

„Wir wählen regelmäßig Scheinklimaschutz“, so der Politologe, „im Supermarkt wie bei politischen Wahlen.“ Auch der von Österreich für 2040 versprochenen Klimaneutralität räumten die Expert:innen angesichts der gegenwärtig umgesetzten Maßnahmen nur geringe Chancen auf Realisierung ein. Verbrauchsreduktion und Energiesparen müssten ebenso zu einem Thema werden wie ein Umdenken beim größten Sorgenkind der Klimapolitik, der Mobilität.

„Scheinklimaschutz“ statt echter Maßnahmen – science.ORF.at

50 Grad in Indien

Rekord der Woche

Der März war der zweitheißeste des Subkontinents seit 120 Jahren, ähnliches gilt für April. Die begleitende Trockenheit lieferte auch nur ein Drittel bis ein Viertel der üblichen Regenmengen. Durch die Hitzewelle schrumpft Indiens Weizenproduktion. Sollte sich Indien nicht mehr selbst mit Getreide versorgen können, würde dies zusätzlich zur Weizen-Knappheit durch den Ukraine-Krieg Druck auf den Weltmarkt ausüben.

Der Deutsche Wetterdienst beschreibt Indien als einen der Hotspots des globalen Klimawandels. Als Folge der Erderhitzung nimmt die Zahl von Extremwetter-Ereignissen seit Jahren zu. In den 1980er Jahren gab es in Indien im Schnitt 41 Tage pro Jahr mit Temperaturen über 40 Grad, in den 2010er Jahren waren es bereits 60. In den nächsten Tagen könnte die Hitze in manchen Teilen Indiens und Pakistans die 50 Grad-Grenze überschreiten.

https://orf.at/stories/3262076/

Tipp

„Was müssen wir heute tun, um morgen in einer klimagesunden Zukunft zu leben?“ Mit dieser Frage hat sich der aus rund 100 Bürger:innen bestehende österreichische Klimarat in bislang vier Zusammentreffen beschäftigt. Nun fragt der Klimarat die Menschen in Österreich um ihre Meinung zu den Themen Ernährung und Landnutzung, Mobilität, Wohnen, Produktion und Konsum sowie Energie. Seit dem 27. April kann man sich über klimarat.org an der Diskussion beteiligen bzw. über vorgeschlagene Maßnahmen abstimmen.

Der Klimarat

Schwarze Bänder mit Reise-Geschichte

Hörtipp

Straßen sind Bodenfresser und, wenn befahren, meist indirekt auch Dreckschleudern.Manchmal tituliert man sie euphemistisch einfach um, wenn aus einer Autobahn eine Stadtstraße wird.Andererseits können sie selber eine Attraktion sein.AMBIENTEporträtiert die Westautobahn, die Großglockner Hochalpenstraße und die Salzburger Getreidegasse.

https://oe1.orf.at/player/20220424/675957

Vorzeichen eines Infarkts

„47 Prozent der natürlichen Ökosysteme sind durch die menschliche Nutzung stark geschädigt oder in einem schlechten Zustand.“ Das sagt Kirsten Thonicke vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Und Klimaschutz und Gesundheit der Ökosysteme gehen Hand in Hand, wie auch der jüngste IPCC-Report betont hat.

Alarmierende Daten kamen zuletzt aus dem Amazonas-Regenwald. In manchen Teilen setzt er bereits mehr Kohlendioxid frei als er aufnimmt, verliert also zunehmend seine Funktion als CO2-Senke. So sollen bereits 20% des Amazonas-Regenwaldes abgeholzt worden sein. Bereits dieser Verlust führt zu Dürren im Regenwald, wie der Innsbrucker Ökologe Michael Bahn diese Woche in der Sendung PUNKT EINS betont hat.

Der Regenwald hat die Fähigkeit, sich selbst mit Wasser zu versorgen. Die Feuchtigkeit, die vom Atlantik hereinkommt, wird laut Bahn mehrmals verdunstet und so auch in entlegene Gebiete transportiert. Funktioniert dieser Transport durch die Schädigung des Regenwaldes etwa aufgrund von Brandrodungen und Abholzung nicht mehr, verwandeln sich sensible Regionen in Savannen. Als erstes wird es Gebiete im südlichen und östlichen Teil des Amazonas-Regenwaldes treffen, so der Ökologe.

Thonicke wie Bahn sind sich einig, dass der Kipppunkt des Amazonas-Regenwaldes bedrohlich näher rückt und sich deutliche Zeichen eines ökologischen Zusammenbruchs zeigen. Folgt man dem Vergleich, wonach dieser Regenwald mit einer Fläche doppelt so groß wie Indien die grüne Lunge des Planeten ist, dann steht der Globus vor einem Lungeninfarkt. Die in Glasgow verabschiedete Absichtserklärung der Staatengemeinschaft, die Entwaldung bis 2030 global zu stoppen, könnte schon zu spät kommen.

Der Beginn des Newsletters führt sie allerdings in den Mikrokosmos.

Vielleicht kennen Sie mein Faible für Insekten schon. Die Sechsbeiner taugen selten einmal als „Flaggentiere“ für Kampagnen von Umwelt-NGOs und laufen meist unter unserer Wahrnehmungsschwelle durch. Und wenn nicht, rücken wir ihnen fatalerweise mit einer Fliegenklatsche zu Leibe oder zertrampeln sie respektlos. Dabei stehen Insekten an der Basis unserer Ökosysteme und sind bei genauem Hinsehen mindestens so spannend wie der Sibirische Tiger. Wie es ihnen weltweit an den Kragen geht, erfahren Sie im ersten Beitrag dieses Newsletters.

Ihr

Franz Zeller

https://science.orf.at/stories/3210530/

Industrielle Landwirtschaft und Erderwärmung sind mörderisch für Insekten

Artensterben

In Kombination sind Erderwärmung und industrielle Landwirtschaft besonders tödlich für Insekten. Von 1992 bis 2012 haben sich ihre Bestände auf den intensiv agrarisch genutzten Flächen halbiert. Auch die Artenvielfalt ist dort um rund 30 Prozent zurückgegangen. Das zeigt eine jüngst in Nature veröffentlichte Studie, die Daten von 6.000 Lebensräumen weltweit gesammelt hat. Auf naturnahen Flächen sanken die Insektenpopulationen im Vergleich nur um rund 7 Prozent.

Insektensterben: Fatale Kombi aus Erderwärmung und Landwirtschaft – science.ORF.at

Geoengineering verlagert Malariarisiko

Klima-Fummelei

Ein chemisches Sonnensegel in der Stratosphäre: So etwa könnte man die Vision umschreiben, Teile der Erde durch Beschattung abzukühlen. Techniker:innen überlegen, in 20 Kilometer Höhe Schwefelpartikel zu versprühen, die das Sonnenlicht ins Weltall reflektieren.

Dass dieses Konzept mehr als riskant ist, zeigen Simulationen der Georgetown University in Washington, DC. Durch das solare Geoengineering könnte das Malaria-Risiko im globalen Süden umverteilt werden. So würde etwa Indien von der Abschattung profitieren, dafür würden die Malariafälle in Südostasien zunehmen. Insgesamt wäre mit dem chemischen Sonnenschirm trotzdem eine Milliarde Menschen mehr der Krankheitsübertragung durch die Anopheles-Mücke ausgesetzt.

https://science.orf.at/stories/3212652/

Tipp

Wie das Wetter in Österreich 2021 klimatologisch einzuordnen ist, erfährt man im „Klimastatusbericht“, auch aufgeschlüsselt nach Bundesländern.

Kurz gemeldet

Das Meereis der Antarktis ist auf dem tiefsten Stand seit dem Beginn der Aufzeichnungen Ende der 1970er Jahre. Erstmals schrumpfte die Fläche des antarktischen Eises im Februar auf weniger als 2 Millionen Quadratkilometer.

Schmelze: Meereis in Antarktis auf niedrigstem Stand – science.ORF.at

Selbst mit Klimaschutzmaßnahmen wird die Schneedecke auf 1000 Meter Seehöhe Ende des Jahrhunderts um drei Wochen kürzer liegen bleiben. Ohne Bremsen der Erwärmung nimmt sie bis 2100 auf dieser Seehöhe um 80 Prozent ab. Auch künstliche Beschneiung wird aufgrund steigender Temperaturen oft nicht mehr möglich sein.

https://science.orf.at/stories/3212657/

Der Lebensraum von Hochgebirgsvögeln schrumpft durch die Erderhitzung. Am stärksten ist das Alpenschneehuhn davon betroffen, mit einem Flächenverlust von bis zu 59 Prozent.

https://science.orf.at/stories/3212662/

Hörtipps

Negativemissionen

Selbst der Weltklimarat prophezeit, dass wir nicht ohne Negativemissionen auskommen werden, also ohne die großtechnische Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Wie das aussehen könnte, behandelt der Physiker Florian Aigner diese Woche in seiner Podcast-Kolumne AIGNERS UNIVERSUM.

https://radiothek.orf.at/podcasts/oe1/aigners-universum

Dezentral und grün: Energiesysteme im Wandel

Unser Stromnetz ist weitaus sensibler, als wir Endverbraucher:innen das glauben. Vor allem wurde es für wenige Großerzeuger wie Donaukraftwerke gebaut und ist (noch immer) nicht für viele kleine, dezentrale und erneuerbare Energielieferanten wie Photovoltaik und Windräder ausgelegt. Vor welchen Herausforderungen die Leitungen stehen, dokumentieren die DIMENSIONEN in einer Reportage unter anderem aus der Steuerzentrale des überregionalen Stromnetzes.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/wirtschaft

Methan-Spitze

15.4.2022

Im Grunde könnte ich jeden Newsletter im Stil von Wolf Haas und seinem (Anti-)Helden Brenner beginnen: „Jetzt ist schon wieder was passiert!“ Diesmal ist ein neuer Methan-Rekord passiert. Andererseits löst ständig irgendein Klima-Rekord einen anderen ab. Es braucht manchmal etwas emotionale Beherrschung, nicht dagegen abzustumpfen. So habe ich den zweithöchsten Methan-Wert der Geschichte in einem science.orf.at-Artikel aus dem Juli 2020 gefunden.

Methan baut sich in der Atmosphäre zwar viel schneller ab als Kohlendioxid. Über 20 Jahre gerechnet ist seine Treibhaus-Wirkung aber 80mal stärker als jene von CO2.

Woher der jüngste Rekord genau kommt, ist unklar. Bekannte Quellen sind die Viehzucht, fossile Brennstoffe, Erdgaslecks oder Deponien. Erreichen die Permafrostböden den drohenden Kipppunkt, werden auch sie große Mengen Methan emittieren.

Seit der vorindustriellen Zeit ist der Gehalt in der Atmosphäre jedenfalls auf mehr als das zweieinhalbfache gestiegen. 2021 war das Jahr mit dem stärksten Anstieg in der Messhistorie.

Feiertagsbedingt habe ich diesmal den News-Teil eher kurz gehalten und empfehle Ihnen stattdessen eine Reihe sehr lohnender Sendungen rund um Klima und Nachhaltigkeit – von einem Hörbild über persönliche Erfahrungen mit dem Klimawandel bis hin zu DIMENSIONEN über Natur aus zweiter Hand.

Stärkster Methananstieg seit Beginn der Messungen – news.ORF.at

Methan – die unerkannte Gefahr – oe1.ORF.at

Waldschädlinge werden aggressiver

Erderhitzung

Durch den Klimawandel nehmen Extremwetter wie Dürren zu. Je öfter ein Baum an Wassermangel leidet, umso anfälliger wird er für Insekten. So hat die Zahl der Nadelwälder in Europa, die durch Insektenbefall abgestorben sind, laut einer neuen Studie in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Widerstandsfähigkeit von Wäldern etwa gegen den Borkenkäfer hängt fast ausschließlich von der Anzahl und Dauer der erlebten Trockenheitsphasen ab. Gleichzeitig begünstigt die Erderwärmung auch die Vermehrung von Schädlingen wie Kieferborkenkäfern. Von den tausenden untersuchten Nadelbäumen waren 30% von holzbohrenden Käfern befallen.

Waldschädlinge werden aggressiver – science.ORF.at

Nur mehr 2-Grad-Ziel machbar?

Wackelige Prognose

Wenn alle Regierungen ihre bisher gemachten Zusagen für Klimaschutzmaßnahmen einhalten, ist zumindest das 2-Grad-Ziel erreichbar. Das meint ein internationales Forscher:innen-Team in einer Studie, die in Nature publiziert wurde. Andere Wissenschafter:innen kritisieren die Ergebnisse allerdings als zu optimistisch. So geben auch die Studien-Autor:innen selbst nur eine Wahrscheinlichkeit von 48-58% für die Richtigkeit ihrer Prognose an.

Einerseits seien die Angaben von Regierungen oft sehr vage, andererseits seien Faktoren wie Änderungen in der Landnutzung oder die Abholzung der Regenwälder nur schwer kalkulierbar.

Gängige Prognosen gehen auf Basis der derzeitig zugesagten Klimaschutzmaßnahmen von einer Erwärmung über 3 Grad aus.

Klimaerwärmung: Zwei-Grad-Ziel erreichbar – wenn alle Zusagen einhalten – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Der Internationale Währungsfonds (IWF) wird einen rund 41 Milliarden Euro schweren Fonds schaffen, um vor allem ärmeren und Schwellenländern bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Die Förderung soll ab Oktober verfügbar sein.

IWF will 45-Mrd.-Fonds für Auswirkungen des Klimawandels – news.ORF.at

Hörtipps

Klimakrise – eine persönliche Annäherung

Als Elisabeth Weilenmann 2017 erstmals von irreversiblen Kipppunkten im ökologischen System hört, ist das ein Schock für sie. Es ist der Sommer, in dem sich Greta Thunberg aus Sorge um die Erderwärmung auf die Straße setzt. Zuerst versucht sich Weilenmann mit privatem Engagement – Einkaufen im Bio-Markt oder Teilnahme bei Demonstrationen – von ihren Ängsten zu befreien. Aber nicht immer gelingt die Loslösung von der erdrückenden Kraft apokalyptischer Szenarien. Aus ihrem Erleben der Klimakrise zwischen Resignation und Hoffnung hat die Autorin u.a. über Gespräche mit ihrem Vater sehr persönliche HÖRBILDER gemacht.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/klima

Klimarettung Elektromobilität?

Vielen erscheinen Elektroautos als Lösung aller Umwelt- und Klimaprobleme. Tatsächlich ist ein E-Mobil – je nach Größe – schon nach 25.000 oder 30.000 Kilometern ökologischer als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Ab diesem Zeitpunkt hat es seine aufgrund der Batterie höheren CO2-Emissionen bei der Erzeugung sozusagen abgedient. Gleichzeitig gibt es weitaus effektivere Formen des Transports, zum Beispiel den öffentlichen Verkehr. Sabine Nikolay beleuchtet in einem vierteiligen RADIOKOLLEG Licht- und Schattenseiten der Elektromobilität.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Natur aus zweiter Hand

Kiesgruben können zu einem Totalverlust von Natur führen, bei sorgsamer Renaturierung aber auch zu Biodiversitäts-Hotspots werden. Kathrin Horvath zeigt in den DIMENSIONEN, dass sich in den Abbaustätten sogar seltene und gefährdete Arten ansiedeln. Für Amphibien wie die Gelbbauchunke oder die Knoblauchkröte müssen die Kiesgrubenbetreiber allerdings Flachwasserzonen herstellen oder Abbruchkanten mit Brutröhren der spatzengroßen Uferschwalbe eine Weile unbewirtschaftet lassen.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Österreichs Industrie und der Gasausstieg

Ein JOURNAL PANORAMA zeigt in einer Reportage, wie stark etwa Papier-, Aluminium- oder Zementindustrie von der Gasversorgung abhängig sind.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/wirtschaft

Systemwende jetzt

8. April 2022

Das mediale Echo auf den dieswöchigen Bericht des Weltklimarats war „verhalten“, um es freundlich auszudrücken. Langfristige Entwicklungen verlangen Wiederholungen. Das ermüdet, im Vergleich zur adrenalingeladenen Aufregung durch punktuelle, chronikale Ereignisse. Auch wenn Aufregung angesichts des dritten Teils des 6. IPCC-Reports zu „Mitigation of Climate Change“ mehr als angemessen gewesen wäre. Deshalb hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung.

Im Bericht haben sich die rund 300 Autor:innen mit den Maßnahmen beschäftigt, die zur Eindämmung der Erderwärmung dringend nötig sind. Immerhin war der Treibhausgasausstoß zwischen 2010 und 2019 so hoch wie noch nie zuvor in der Geschichte, auch wenn sich die Wachstumsraten verlangsamt haben. So ist bis 2030 eine CO2-Reduktion (bzw. seiner Äquivalente) von 43 Prozent notwendig, bei einem angenommenen Emissionshöhepunkt im Jahr 2025. (Die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung verursachen übrigens 40 Prozent der weltweiten Treibhausgase.) Geht es ohne neue Maßnahmen weiter, ist die Erde im Jahr 2100 wahrscheinlich um 3,2 Grad wärmer.

Was ist aber nun zu tun?  Unsere Energieerzeugung muss wegkommen von fossilen Rohstoffen. Die Chance dazu ist längst da. Immerhin sind die Kosten für Solarenergie und Lithium-Ionen-Batterien seit 2010 um 85 Prozent gesunken, jene für Windanlagen um 55 Prozent. Auch Industriebetriebe können ihre Prozesse weg von Erdgas, hin zu erneuerbaren Gasen, etwa Wasserstoff, umstellen. Das sei zwar „herausfordernd, aber möglich.“

Ein großes Potential sieht der Bericht in Städten, etwa durch Umstieg auf Elektromobilität, aber auch im Gebäudebau. Durch klimafreundliche Neubauten und Renovierungen könnten bis 2050 rund 42 Prozent der Gebäudeemissionen eingespart werden.

Großes Potential hat auch die Landwirtschaft. Biologische und mit Kompost gedüngte Felder binden etwa 1.700 Kilogramm CO2 pro Hektar und Jahr, wie ich diese Woche in Ilse Hubers DIMENSIONEN über Biostädte gelernt habe. Mit Kunstdünger behandelte Flächen emittieren hingegen 2.000 Kilogramm. Es fehlt also nicht an Alternativen.

Der Weltklimarat hat übrigens auch vorgerechnet, dass ein großer Teil der notwendigen Maßnahmen relativ billig zu erreichen ist. So liegen die Kosten pro vermiedener Tonne Kohlendioxid unter 100 Euro, wenn wir den Treibhausgasausstoß bis 2030 auf die Hälfte von 2019 reduzieren wollen. Ein großer Anteil dieser Klimaschutzmaßnahmen komme zu einem Preis von unter 20 Euro „aus der Wind- und Solarenergie, von Verbesserungen der Energieeffizienz, weniger Zerstörung ökologischer Ressourcen und der Reduktion von Methan-Emissionen aus Kohle, Öl, Gas und Abfall.“

Und auch wenn es vor allem politischer Konzepte bedarf, um uns vor einem heißen Globus zu bewahren: Verhaltensänderungen, etwa durch weniger Fleischkonsum oder eine stärkere Nutzung von öffentlichem Verkehr, könnten den privaten Treibhausgasausstoß bis 2050 um 40 – 70 Prozent verringern.

Kosmetische Maßnahmen werden es allerdings nicht tun. Wir brauchen einen „Systemwandel“, wie der Südtiroler Klimaforscher Georg Kaser meinte. Denn die Zeit drängt. Wollen wir auch nur in die Nähe des 1,5 Grad-Ziels kommen, müssen wir bis 2050 klimaneutral sein. Lassen wir uns auf das 2 Grad-Experiment ein, haben wir noch bis 2070 Zeit.

Ich habe dieser Einleitung diesmal eine Menge unterschiedlichster Quellen und Kurzfassungen, von orf.on bis zu den scientists4future, angehängt. Einfach, weil es sich lohnt, sich mehr als nur ein paar Minuten mit unserer Zukunft zu beschäftigen.

Ihr

Franz Zeller

https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg3/

https://orf.at/stories/3257937/

https://science.orf.at/stories/3212384/

„Jetzt oder nie“: Klimabericht fordert radikale Einsparungen – news.ORF.at

Weltklimarat fordert sofortige drastische Einsparungen – Spektrum der Wissenschaft

https://www.bbc.com/news/science-environment-60984663

„Negativemissionen“

Kunstwort der Woche

Von Negativemissionen spricht man, wenn CO2 wieder aus der Atmosphäre geholt wird. Das braucht aber Energie und außerdem Platz, um es sicher zu speichern. Da wir laut IPCC-Autor:innen nur mehr eine Dekade haben, um den Klimaschutz auf Schiene zu bringen, könnten Negativemissionen zu einer Art Notfallprogramm werden, mit dessen Hilfe wir morgen die Treibhausgase von heute teuer wieder entfernen. Dass für die privatwirtschaftlichen Gewinne in der Gegenwart, in der Zukunft die Allgemeinheit zahlen wird müssen, ist absehbar.

Klimaerwärmung: Negativemissionen als Lösungsansatz – science.ORF.at

Hitze macht krank

2 Studien und 1 Kommentar

Zwischen 2030 und 2050 wird es weltweit jährlich 250.000 zusätzliche Todesfälle geben, die mit der Erderwärmung zu tun haben, so die WHO. Sie werden vor allem auf das Konto von Mangelernährung, Malaria, Durchfall und Hitzestress gehen.

Die Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe fördert zum Beispiel die Verbreitung von krankmachenden Pilzsporen oder verschlechtert die Gehirnleistung und die Lungenfunktion.

Extreme Temperaturen erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit eines Hitzeschlags sowie von Herz-Kreislauf- oder Nierenproblemen. Gleichzeitig verbreiten sich im wärmeren Klima Mosquitos, Zecken und andere krankmachende Insekten stärker, weshalb neben Malaria auch das West Nil- oder Chikungunya-Fieber häufiger werden könnten.

Laut einem Bericht vom Mai 2021 sind auch die Kosten aus diesen Krankheitsfällen erheblich. Sie sollen in den USA schon derzeit bei 800 Milliarden jährlich liegen.

https://www.the-scientist.com/critic-at-large/opinion-climate-change-is-dangerous-to-your-health-69801

Wie ganz neue Daten der WHO aus Afrika zeigen, waren 56 Prozent der zwischen 2001 und 2022 untersuchten gesundheitlichen Notfälle klimabedingt. 40% davon verursachten Krankheiten, die über das Wasser übertragen werden. Bei Kindern unter 5 Jahren sind Durchfallerkrankungen die dritthäufigste Todesursache. „Durch Mücken oder Zecken übertragene Krankheiten – insbesondere Gelbfieber – machten demnach 28 Prozent der klimabedingten Notfälle aus“, schreibt science.orf.at.

https://orf.at/stories/3258268/

An Tagen mit extremer Hitze (im Schnitt 34 Grad Celsius) suchen 66 Prozent mehr Menschen die Notfall-Ambulanzen von Spitälern auf als bei normalen Temperaturen. Das zeigt eine im British Medical Journal veröffentlichte Studie. Das Team dahinter hat dazu Daten von 70 Millionen Menschen aus den USA und 22 Millionen Ambulanzbesuchen ausgewertet. Überraschenderweise war die Altersgruppe zwischen 18 und 64 mehr von der Hitze betroffen als ältere Menschen.

Kurz gemeldet

Ozonschwund in der Höhe und ein Übermaß an bodennahem Ozon heizen das Südpolarmeer auf. Die beiden Phänomene sind für 30 Prozent seiner Erwärmung verantwortlich.

https://science.orf.at/stories/3212325/

Österreich hat bereits am 6. April seinen individuellen „Welterschöpfungstag“ erreicht. Das ist jener Zeitpunkt, an dem das Land jene Ressourcen aufgebraucht hat, die ihm im Sinne der Nachhaltigkeit zustehen. Der globale Welterschöpfungstag fällt gewöhnlich in den Juli. In den besonders verschwenderischen USA liegt er Anfang März, am spätesten begeht ihn am 20. Dezember Jamaika.

Österreich hat „Welterschöpfungstag“ erreicht – news.ORF.at

Nachhaltige Landwirtschafts- und Mobilitätsprojekte

Hörtipp

„Market Gardens“ sind kleine landwirtschaftliche Flächen, auf denen eine Vielfalt an Obst, Gemüse und Pflanzen angebaut werden kann. In den letzten Jahren wurde diese Tradition aus dem 19. Jahrhundert wiederbelebt. Gärtner:innen kultivieren auf den Miniflächen Pflanzen und vermarkten sie lokal – bei sehr guten Erträgen.

Die Market Gardens sind eines von mehreren klimainnovativen Projekten, die das RADIOKOLLEG aus der Ö1-Initiative REPARATUR DER ZUKUNFT präsentiert.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Wärmere Ozeane sind lauter

  1. April 2022

Der Mensch kann schlecht mit Unsicherheit umgehen. Wir lieben Gewissheiten. Die können uns aber nur Religionen geben, so fragwürdig auch immer sie sein mögen. Zu den zentralen Spielregeln der Wissenschaft hingegen gehört, dass ihre Erkenntnisse immer widerlegbar sein müssen – und manchmal auch widerlegt werden. Manche rechnen ihr das als Schwäche an. Dabei ist das genau die Stärke der Wissenschaft.

Auch in der Klimaforschung haben sich manche Voraussagen verändert. Leider nicht unbedingt in jene Richtung, die zu unserer Entspannung beitragen würden. Bereits 2001 wurde im 3. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC die Möglichkeit von Kipppunkten in unserer Atmosphäre und unseren Ökosystemen angesprochen – das sind jene Momente, ab denen ein Ereignis wie das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes unumkehrbar wird.

2008 hat der deutsche Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber mehr als ein Dutzend solcher tipping points aufgrund der Erderwärmung publiziert. Dazu gehört etwa der Zusammenbruch der Nordatlantischen Umwälzströmung. Sie hat sich schon jetzt um 15% verlangsamt. Bleibt dieses gigantische Energieförderband stehen, kommt es im nordatlantischen Raum zu einer dramatischen Abkühlung. Durch die Erderwärmung könnte auch der Indische Monsun destabilisiert werden. Das hätte mehr Dürren und Flutkatastrophen zur Folge, um nur zwei Beispiele zu nennen.

2019 haben Schellnhuber und seine Kolleg:innen ihre Prognosen revidiert und gewarnt, dass die Kipppunkte wahrscheinlicher und zeitlich näher sein könnten, als zuvor angenommen. Ging man vor zwei Jahrzehnten noch davon aus, dass sie erst bei einer globalen Erwärmung von 5 Grad auftreten, gelten manche Kipppunkte auch schon bei einem Temperaturanstieg von 1 bis 2 Grad als wahrscheinlich. Und wie vor einigen Wochen erwähnt, stehen wir momentan bei einer durchschnittlichen Erderwärmung von 1,1 Grad, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Amundsen See-Einbuchtung in der Westantarktis könnte diesen point of no return bereits überschritten haben. Und auch für das Grönländische Eisschild könnte der irreversible Abschmelzprozess schon bei 1,5 Grad Erwärmung starten – möglicherweise in den 2030er-Jahren. Vom Auftauen der Permafrostböden haben wir ja erst vor kurzem im Ö1 Klima-Newsletter berichtet.

Insofern ist das Paris-Ziel von 1,5 Grad nicht der sichere Klima-Hafen, wie viele meinen, sondern nur ein Zielwert zur Schadensminimierung. In Wahrheit zählt jedes Zehntel Grad, das wir vermeiden können.

Wärmer Ozeane sind lauter

Biodiversität

Steigt die Temperatur in den Meeren, können sich die Schallwellen schneller ausbreiten. In der arktischen Barent See oder im nordwestlichen Pazifik ist die Schallgeschwindigkeit in einer Tiefe von 50 Metern bereits um ein Prozent gestiegen, wie eine kanadische Studie zeigt. Gleiches gilt für die Arktis, den Golf von Mexiko oder die südliche Karibik 500 Meter unter der Wasseroberfläche. Für die Meerestiere wird sich damit die Kommunikation möglicherweise folgenschwer wandeln. „Die Veränderung der Schallgeschwindigkeit beeinflusst auch ihre Fähigkeit zur Nahrungsaufnahme, das Paarungsverhalten oder die Flucht vor Räubern“, so die Autoren.

Warming oceans are getting louder – AGU Newsroom

Riesiger Eisberg abgebrochen

Ostantarktis

Bereits Mitte März dürfte sich ein Eiskoloss in der Größe Roms vom Festland der östlichen Antarktis gelöst haben.  Die NASA-Expertin Catherine Colello Walker beschrieb die Ablösung des sog. Conger Eisschelfs im Guardian als „einen der bedeutsamsten Abbrüche in der Antarktis seit den frühen 2000er Jahren“ und als „Anzeichen für das, was kommen mag.“

Im Gegensatz zur Westantarktis ist ein Abschmelzen der Ostantarktis zwar unwahrscheinlicher. Aber auch hier könnte durch punktuelle Ereignisse ein nicht mehr zu stoppender Eisverlust in Gang gesetzt werden – mit einem langfristigen Meeresspiegelanstieg von 3-4 Metern.

Riesiger Eisberg in östlicher Antarktis abgebrochen – science.ORF.at

Wie Gas in der Industrie ersetzen?

Energiewende

8,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht Österreich pro Jahr. Mehr als 70 Prozent davon gehen in die Industrie, einerseits als Energieträger, andererseits auch als Rohstoff für chemische Produkte oder Düngemittel. Der größte Verbraucher ist der Chemiesektor, gefolgt von der Papier- und Zellstoffproduktion und der Stahlindustrie. In einigen Bereichen, etwa der Lebensmittelindustrie, könnten Trocknungsprozesse statt mit Gas über Biomasse betrieben werden. Auch in der Stahlindustrie seien Verfahren mit Strom statt Gas möglich, allerdings mit einer Umstellungszeit von 10-15 Jahren, so Ilse Schindler vom Umweltbundesamt in Wien.

Weniger Erdgas: Wie der Energiewechsel funktionieren könnte – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Australischen Forscherinnen ist es gelungen, hitzetolerantere Korallen zu züchten. Am Great Barrier Reef hat gerade wieder eine temperaturbedingte Korallenbleiche eingesetzt.

Ökologie: Hitzetolerante Korallen am Great Barrier Reef – science.ORF.at

Podcast NACHHALTIG LEBEN

TIPP

Jeden zweiten Freitag fragt Ruth Hosp in der Sendung NACHHALTIG LEBEN (11.55 Uhr), wie ein ökologisch verträglicher Lebensstil aussehen könnte. Es geht um „grünes“ Reisen genauso wie um den Ausstieg aus der ressourcenverschlingenden „Fast Fashion“. NACHHALTIG LEBEN ist auch als Podcast abonnierbar.

https://radiothek.orf.at/podcasts/oe1/oe1-nachhaltig-leben

Sendungen zum Thema aus dem gesamten Ö1-Angebot, von DIMENSIONEN über MOMENT bis zum RADIOKOLLEG sind dauerhaft unter https://oe1.orf.at/nachhaltigleben nachhörbar.

Man kann nicht alles reparieren

25. März 2022

Das Gartenjahr beginnt bei mir etwas schleppend. Der Brunnen in unserem Garten ist im Gegensatz zu anderen Jahren leer und der Schlauch-Aufroller kaputt. Letzteren habe ich zu reparieren versucht. Nun gibt es in diesem unförmigen Plastikding aber zwei Schrauben, die mit normalen Werkzeugen nicht zugänglich sind, egal, was ich auch probiert habe. Ein handwerklich sehr versierter Freund hat mir aus Mitleid einen Spezialschraubenzieher geschweißt, mit dem ich den Schlauch-Aufroller öffnen und zumindest zum Großteil instand setzen konnte.

Leider könnten der leere Brunnen und das sich der Reparatur verweigernde Schlauchmonster etwas miteinander zu tun haben. Was sich nicht reparieren lässt, wird normalerweise entsorgt. Das bedeutet im Gegensatz zu einem langlebigen Gerät einen höheren Ressourcenverbrauch, damit mehr CO2-Ausstoß, damit mehr Erderwärmung und mehr Extremwetterereignisse wie Trockenheit. Also einen leeren Brunnen nach einem niederschlagsarmen Winter und mitten in einem Hoch, das sich über Europa festgekrallt hat.

Zwar hat die EU „Reparieren statt wegwerfen“ als Devise ausgegeben, aber so richtig in Fahrt kommt die Verlängerung der Lebensdauer von Geräten nicht. Gemeinhin verweigern sie sich der Reparatur durch verklebte Gehäuse oder unorthodoxe und nicht zugängliche Schrauben. Immerhin müssen die Hersteller bei neuen Kühlschränken, Waschmaschinen, Fernsehern und Geschirrspülern mindestens 7 Jahre lang Ersatzteile liefern. In der Praxis werden aber kaum Einzelteile, sondern ganze Komponentenbündel getauscht.

Ein umfassendes Gesetzespaket zum „Recht auf Reparatur“ war für 2021 von der EU angekündigt, wird aber mindestens noch bis Mitte des Jahres auf sich warten lassen. Wer etwa sein Handy selbst reparieren möchte, hat kaum eine Chance dazu, sondern zahlt meist weit mehr als hundert Euro für den Austausch der defekten Teile. Die Folge: Smartphones werden zu Wegwerfartikeln mit einer Lebensdauer unter 2 Jahren.

Die EU-Abgeordneten, die 2020 den Entschließungsantrag für ein Recht auf Reparatur einbrachten, hatten ganz klar betont, dass die Nutzung von elektronischen Geräten „den Grenzen des Planeten Rechnung tragen“ müsse. Der Planet ist seither nicht größer geworden. Und wollen wir unter einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad bleiben, dann haben wir unser CO2-Budget laut Mercator Research Institute beim derzeitigen Emissionsvolumen in knapp über sieben Jahren aufgebraucht. Es eilt also mit der Treibhausgas-Reduktion.

Um eine Reparatur unseres Planeten geht es auch in diesem Newsletter weiter unten.

Heiße Antarktis

Rekordwert

Im Osten der Antarktis ist es zur Zeit um 40 Grad wärmer als sonst im März üblich. Das zeigen Daten der Weltwetterorganisation WMO. Auf der Forschungsstation Concordia wurden am 12. März minus 12,2 Grad gemessen, dieser Wert liegt 20 Grad über dem letzten Temperaturrekord.

„Mit diesem Ereignis müssen die Rekordbücher und unsere Erwartungen, was in der Antarktis möglich ist, neu geschrieben werden“, kommentierte Robert Rohde vom Umweltdateninstitut Berkeley Earth den Spitzenwert.

https://science.orf.at/stories/3212125/

Starkregen verursacht Großteil des Bodenverlusts

Weinviertel

Nur ganz wenige Starkregenfälle sind für 80% des Bodenschwunds im Weinviertel verantwortlich. Das zeigen Messungen eines BOKU-Forschungsteams in der Region Mistelbach. Die Wissenschafter:innen haben in den vergangenen 25 Jahren rund 150 Messungen durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass nur vier oder fünf schwere Regenfälle vier Fünftel des Bodenverlusts verursacht haben.

Mit der Erderwärmung nehmen extreme Wetterereignisse wie Dürren und Starkregen zu. Aktuell gelten in der EU hunderte Millionen Hektar als erosionsgefährdet.

https://noe.orf.at/stories/3148439/

Waldbrände erhitzen Arktis

Sekundärschaden von fossilem CO2

Bei Waldbränden gelangen große Mengen brauner Kohlenstoffpartikel in die Luft. Diese winzigen Teilchen können Wärme besonders gut absorbieren und führen laut einer chinesischen Studie in der Arktis bereits stärker zur Erwärmung als die Verbrennung fossiler Energieträger.

Gleichzeitig ist das CO2 aus fossilen Brennstoffen verantwortlich für die Zunahme an Waldbränden. Laut dem jüngsten IPCC-Bericht werden verheerende Waldbrände bis 2050 um die Hälfte zunehmen. Die Schadwirkung aus der Verfeuerung von Öl oder Gas wird dadurch also noch einmal vervielfacht.

https://science.orf.at/stories/3212064/

Klimaopfer Kuckuck

Zählung mit Bürger:innen-Hilfe

Durch die Erderwärmung kommt der Kuckuck rund 10 Tage früher aus seinem Winterquartier zurück als noch vor 20 Jahren. Und ist trotzdem oft schon zu spät dran, weil Rotkehlchen oder Bachstelze dann schon brüten und er sich schwerer tut, ihnen seine Eier unterzujubeln. Auch dadurch ist der Kuckucksbestand zurückgegangen. Birdlife zählt in Österreich ein Viertel weniger Kuckucke als noch vor 25 Jahren. Um neue Daten zu erhalten, sammelt Birdlife nun Kuckucks-Meldungen. Wer den ersten Kuckuck hört, kann die Beobachtung auf einer Webseite eintragen.

https://kaernten.orf.at/stories/3148376/

https://birdlife.at/fso/form/27

Kurz gemeldet

Innsbrucker Gletscherforschern schmilzt ihr Klimaarchiv davon. Um im Eis konservierte Daten über 6000 Jahre zu retten, versuchen die Glaziolog:innen noch so viele Eiskerne wie möglich aus den Tiroler Alpengipfeln zu bohren.

https://tirol.orf.at/stories/3148380/

Am anderen Ende der Welt ist das Great Barrier Reef erneut von einer Korallenbleiche bedroht. Die Wassertemperaturen im australischen Herbst liegen entlang des 2.300 Kilometer langen Riffs teilweise einen halben Grad über dem Schnitt. 

https://science.orf.at/stories/3212067/

TIPP – Ö1-Initiative

Reparatur der Zukunft 2022

Klimainnovation in Europa

Bereits vor mehr als drei Jahrzehnten hat der Weltklimarat die Folgen des Klimawandels vorausgesagt. Nun sind sie für jeden zu spüren. Europa steht vor fundamentalen, klimabedingten Umwälzungen. Als Radiosender, der die Entwicklung unseres Planeten aus vielerlei Blickwinkeln begleitet, möchte Ö1 bei der Bewältigung dieser Probleme helfen.

Mit der Initiative „Reparatur der Zukunft – Das Casting neuer Ideen“ machen wir seit 2020

Projekte sichtbar, die an Lösungen für die Gesellschaft von morgen arbeiten. Mittlerweile befinden sich 350 Projekte für ein nachhaltiges Leben in der Ö1-Datenbank https://oe1.orf.at/zukunft.

In diesem Jahr setzen wir den Fokus auf Klimainnovationen. Wir sammeln Projekte, Konzepte und Ideen, die in einem Videoclip ihren Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise schildern – in Lebensbereichen wie Energie, Ernährung, Wirtschaft, Bildung, Soziales, Technologie, Mobilität, Energie, Gesundheit oder Kultur.

Eine Jury wählt darüber hinaus Projekte aus, die zu Weiterbildungen in Österreich und ins Ausland eingeladen werden.  Alle Informationen zur Initiative „Reparatur der Zukunft“ und zum Casting neuer Ideen finden Sie unter https://oe1.orf.at/zukunft und auf Englisch unter https://oe1.orf.at/future.

Nachhaltiger Tourismus

Hörtipp

Unsere Urlaube sind meist CO2-intensiv. Schon die Anreise mit dem Flugzeug schleudert Unmengen Treibhausgase in die Atmosphäre. Und der Aufenthalt in einem klimatisierten Hotelkomplex verschlingt den nächsten Bulk an Energie. Dass es auch anders geht, zeigt AMBIENTE am Beispiel dreier Projekte in Kärnten, der Toskana und in Thailand.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/wirtschaft

Chancen und verpasste Chancen

Einfach wird es nicht, wenn wir (weitgehend) auf Erdgas verzichten wollen. 8,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbrauchen wir in Österreich momentan pro Jahr, wie ich gestern bei einer Präsentation der Österreichischen Energieagentur gelernt habe. Der Verbrauch der Haushalte ist über die letzten Jahre weitgehend stabil geblieben, der Bedarf der Industrie hingegen gestiegen. Papier- und Stahlindustrie brauchen den Energieträger genauso wie Gaskraftwerke. Sie liefern uns im Winter jenen Strom, der sich mit den bestehenden erneuerbaren Quellen nicht mehr ausgeht.

Betrachtet man Erdgas nur als Energieträger (es wird auch noch in andere Produkte umgewandelt), entfallen 57% auf die Industrie, 30% auf die Haushalte. Immerhin stehen noch mehr als 900.000 Gasthermen in österreichischen Wohnungen und Häusern, fast die Hälfte davon in Wien. Und selbst in der Fernwärme steckt zu 50 Prozent Erdgas drin.

Viele Zahlen, die unsere komplexe Abhängigkeit von Erdgas (und in Österreichs Fall damit von russischen Lieferanten) zeigen.

Wie also wegkommen vom fossilen Erdgas, das Milliarden kostet, die Raketen eines autoritären Regimes finanziert und den Erdball ins Fieber treibt?

Wir werden auch in Zukunft gasförmige Energieträger brauchen, meint Günter Pauritsch von der Energieagentur. Aber es gibt Alternativen zur fossilen CO2-Schleuder. „Grünes“ Gas – Biomethan – kann man zum Beispiel durch Vergärung von biogenen Abfällen oder Vergasung von Holz erzeugen. Wie die Energieagentur errechnet hat, lässt sich damit selbst unter optimistischsten Annahmen bis 2040 maximal ein Viertel des Gasbedarfes decken. Und 2040 ist jenes Jahr, für das Österreich die Klimaneutralität anpeilt. Die Differenz könnte aus „grünem“ Wasserstoff kommen. Er wird mit Strom aus Wasser, Wind oder Sonne produziert.

Dass wir unseren Energiebedarf vollständig im Land decken können, bezweifelt Günter Pauritsch aber. Wir werden auch nach 2040 Nettoimporteur bleiben. Deshalb sei es höchste Zeit, sich schon jetzt mit Importmöglichkeiten von erneuerbaren Gasen zu beschäftigen.

Dass wir eine gute Chance zum Umdenken verpasst haben, erfahren Sie jetzt gleich im ersten Beitrag des Newsletters.

Zu wenig grüne Investitionen während Corona

Verpasste Chance

Rund 14 Billionen Dollar haben die G20-Staaten während der Corona-Pandemie in wirtschaftliche Hilfspakete investiert. Aber nur 6 Prozent davon gingen in klimafreundliche Bereiche. Das dokumentiert eine Studie, die kürzlich in Nature erschien.

„Diese Wiederherstellungspakete waren für die Regierungen eigentlich eine Chance zu entscheiden, wie die künftige Wirtschaft im Land aussehen soll und wie man sie in eine klimafreundlichere Richtung lenken könnte“, meinte Koautor Scot Miller gegenüber science.orf.at.

Die G20-Staaten sind für 80% des weltweiten Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich. Die Bereitschaft zu grünen Investitionen schwankt stark: So investierten die EU und Südkorea immerhin 30% ihrer Wiederherstellungsgelder in klimafreundliche Bereiche.

CoV-Wirtschaftshilfen: Verpasste Chance für grünere Zukunft – science.ORF.at

Was man über Biodiversität wissen muss

10 „Must-Knows“

Biodiversität, Ökologie und Klimaschutz gehören zusammen. So haben die Ökosysteme an Land und im Wasser in den letzten zehn Jahren etwa 55 Prozent des vom Menschen verursachten CO2 aufgenommen. Umso mehr Sinn macht es, die Natur intakt zu halten. Das betonen die Autor:innen des 60seitigen Berichts „10 Must-Knows aus der Biodiversitätsforschung 2022“ und finden sich damit ganz auf Linie mit dem jüngsten Sachstandsbericht des IPCC. Sie kritisieren etwa, dass weltweit 22mal mehr für Investitionen ausgegeben wird, die der Biodiversität schaden, als für artenschutzfreundliche Alternativen.

Zudem, so kritisiert der Bericht, vergesse man zu oft auf die unsichtbare Flora und Fauna. „Elefanten oder Tiger möchten alle schützen, das Leben unter der Oberfläche stirbt unsichtbar“, denn in Flüssen und Seen sei die Menge größerer Wirbeltiere um 84 Prozent zurückgegangen.

Biodiversität : Zehn „Must-knows“ zum Artensterben – science.ORF.at

10 Must-Knows aus der Biodiversitätsforschung 2022 | Zenodo

Antarktisches Meereis auf Rekordtief geschrumpft

Natürliche Schwankung

Mit knapp unter 2 Millionen Quadratkilometern Ausdehnung hat die antarktische Meereisfläche im Februar den tiefsten Stand seit dem Beginn der Satellitenbeobachtung vor 43 Jahren erreicht. Die Forscher:innen der Nature-Studie führen den Negativrekord allerdings fast zur Gänze auf natürliche Schwankungen zurück. Der Wind habe Eismassen aus der Ross See Richtung Norden getrieben. Dort seien sie im wärmeren Wasser dann geschmolzen. Im Gegensatz zum arktischen Eis, das seit dem Start der Satellitenauswertung 1979 kontinuierlich geschrumpft ist, schwankt das antarktische Eis viel stärker. Nach dem jüngsten Rekordtief 2017 hat es bis 2020 fast wieder seine normale Ausdehnung erreicht.

https://www.nature.com/articles/d41586-022-00550-4

Europas Permafrost-Moore tauen

Vor dem Kipppunkt

Erwärmt sich die Erde um 2 Grad, könnten in Europa Permafrost-Moore auf einer Fläche von 700.000 km2 auftauen. Das entspricht fast neunmal der Fläche Österreichs. Moore binden sehr viel Kohlenstoff. Tauen die Moore, emittieren sie Treibhausgase wie CO2 und Methan. Wie die Autor:innen der Nature Climate Change-Studie schreiben, habe man ihre Bedeutung für das Klima bisher unterschätzt. Die Moore in Europa und Sibirien könnten bereits nahe an jenem Kipppunkt stehen, an dem sie von Kohlenstoffsenken zu Kohlenstoffschleudern werden. Die Moorgebiete in Norwegen, Schweden, Finnland und dem Westen Russlands könnten bereits in den 2030er-Jahren ihre kohlenstoffbindende Funktion verlieren.

https://science.orf.at/stories/3211985/

Kurz gemeldet

Die EU-Finanzminister:innen haben sich auf eine Art CO2-Zoll geeinigt. Um Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen zu vermeiden, sollen Stahl-, Zement-, Düngemittel- oder Stromimporte ab 2026 entsprechend ihrem Treibhausgasausstoß besteuert werden.

Finanzminister einigen sich auf CO2-Grenzausgleich – news.ORF.at

Die OMV will die Produktion von Öl und Gas zur energetischen Nutzung bis 2050 völlig einstellen. Bis 2030 plant sie als Zwischenziel eine Reduktion von 20 Prozent.

OMV plant Ausstieg aus Öl und Gas – news.ORF.at

Auf schmalem Grat

Hörtipp

Die Alpen haben das angepeilte 2 Grad-Ziel längst überschritten. Nicht nur die wachsende Anzahl von Schneekanonen zeigt, dass sich das Leben in den Bergregionen mit dem Klimawandel stark verändern wird. Die DIMENSIONEN haben sich der Frage gewidmet, wie sich die Erderwärmung auf den Winter auswirkt.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/klima

Wenn die Hummel nicht mehr brummt

Der Kuckuck ist ein bisschen wie ein schlechter Bassist: Er hat Probleme mit dem Timing. Üblicherweise kommt er im Frühjahr so rechtzeitig aus seinem Winterquartier im Süden zurück, dass das Weibchen seine Eier in die Nester von Rotkehlchen oder Rotschwanz legen kann. Idealerweise schlüpfen die Kuckucksjungen vor der Brut der Wirtsvögel. Dann werfen sie deren Eier aus dem Nest und lassen sich „fremdbetreuen“. Dieses Schmarotzertum macht den Kuckuck zwar nicht sympathisch, aber Sympathiewerte sind nun mal keine Kategorie der Natur.

Mit der Klimaerwärmung wird es im Frühjahr eher warm. Rotkehlchen wie Bachstelze haben längst zu brüten begonnen oder der Nachwuchs ist bereits geschlüpft, wenn der Kuckuck aus Zentralafrika eintrifft. Seine Chancen, sich fortzupflanzen, sinken daher drastisch. Darauf weist auch der WWF im Bericht Feeling the Heat hin, in dem er anhand von 13 Arten exemplarisch veranschaulicht, wie die globale Erwärmung die Natur beschädigt.

Wenig amused ob der Hitze sind auch der Darwin-Nasenfrosch (in Südamerika heimisch) und die Kaiserpinguine, die Lederschildkröte oder das Rentier.

Insgesamt, so schätzt der Weltbiodiversitätsrat, sind von den bekannten 8 Millionen Arten bereits mehr als eine Million bedroht. Dazu gehört auch ein Insekt, ohne das wir gar nicht leben könnten, wie Sie im ersten Beitrag lesen werden.

Hummeln mit Hitzeschock

Artensterben

Die pelzigen Hummeln sind nach menschlichen Maßstäben warm angezogen und damit gut an kältere Klimazonen angepasst. Wird es heiß, können sie schnell überhitzen. Beobachtungen an 66 Hummelarten über ein ganzes Jahrhundert hinweg haben gezeigt, dass sich die Brummer immer mehr in kühlere Regionen zurückgezogen haben. Ihre Anzahl ist dabei kontinuierlich gesunken. Dazu trägt neben der Erderwärmung auch die intensive Landwirtschaft bei. Eine Hummel braucht für ihren Energiebedarf mehrere hundert Blüten pro Tag. Sie bestäubt en passant Wild- und Kulturpflanzen. Sinken die Hummelzahlen, ist auch unsere Ernährung gefährdet.

https://science.orf.at/stories/3211875/

Amazonas-Regenwald wird labiler

Ökologie

Bei mehr als drei Vierteln des Amazonas-Waldes hat die Fähigkeit nachgelassen, sich von Störungen wie Dürren oder Bränden zu erholen. Das zeigt eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Nicholas Boers vom PIK führt die nachlassende Widerstandsfähigkeit auf Störungen durch Brandrodungen und Abholzungen zurück. Als Gegenmaßnahme müsse man die Abholzung stark eindämmen, aber auch die globalen Treibhausgasemissionen reduzieren.

Das Amazonas-Gebiet hat eine Schlüsselrolle für das Weltklima. Es speichert große Mengen CO2 und beherbergt viele Tier- und Pflanzenarten. Forscher:innen fürchten, dass sich das Amazonas-Becken bei einem Verlust von 20-25% der Walddecke in eine Savanne verwandeln könnte. 

https://science.orf.at/stories/3211835/

Renaturierung statt technischer Maßnahmen

CO2-Speicherung

Durch die Renaturierung zerstörter oder beschädigter Lebensräume könnten wir im EU-Raum jährlich 300 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent aus der Atmosphäre holen. Das behauptet eine Studie im Auftrag des World Wide Fund for Nature (WWF). Die Menge entspricht den gesamten Emissionen von Österreich, Ungarn, Tschechien und der Slowakei.

Im März will die EU ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) präsentieren. Der WWF fordert, „dass bis 2030 mindestens 15 Prozent der Land- und Meeresfläche sowie 15 Prozent der Flussstrecken der EU wiederhergestellt werden müssen“. Renaturierungen seien wesentlich sicherer und praktikabler als technische Lösungen.

WWF-Studie: EU-weite Renaturierungen können riesige Mengen CO2 binden – WWF Österreich

Kurz gemeldet

Die Zukunft der Windkraft liege auf hoher See, weil sich rund 80 Prozent der Windressourcen über der Tiefsee befinden. Auch 200 Meter lange Rotorblätter seien kein Problem, so die Energieforscherin Lucy Pao.

https://science.orf.at/stories/3211864/

Vor dem Anstieg von Gletscherseen in Zentralasien warnt ein Forscherteam der Universität Innsbruck. Der Gletscherschwund in Folge des Klimawandels könnte zu einer Verzehnfachung der Wassermenge in den hoch gelegenen Becken führen – mit der Gefahr von Dammbrüchen und Flutwellen.

https://science.orf.at/stories/3211799/

Das Zeitfenster schließt sich

Hörtipp

Die Anpassungen an die Klimaerwärmung werden Geld kosten. Aber sie werden billiger sein als nachträgliche Reparaturmaßnahmen. Das sagt die Ökonomin Birgit Bednar-Friedl in den DIMENSIONEN.DISKUSSIONEN. Sie ist Mitautorin des jüngsten IPCC-Berichts. Darin hat der Weltklimarat unter anderem darauf hingewiesen, wie wichtig gesunde Ökosysteme sind, um uns vor negativen Auswirkungen der Erderwärmung zu schützen. Gleichzeitig klafft aber eine große Lücke zwischen dem, was getan werden sollte, und dem, was tatsächlich umgesetzt wird. So ist der Globus mit den derzeitigen Maßnahmen auf dem Weg zu einer 2,7 Grad-Erwärmung – und damit weit weg vom 1,5 Grad-Ziel.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

IPCC-Bericht – Das „Window of Opportunity“ schließt sich

Am Montag dieser Woche erschien der jüngste Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC – wie sein Vorgänger unter äußerst ungünstigen Umständen. War es im Vorjahr Corona, das dem ersten Teil die öffentliche Aufmerksamkeit entzog, ist es diese Woche der erschütternde Krieg in der Ukraine. Dessen ungeachtet bleibt die drohende Klimaerwärmung ein Jahrhundertproblem, das unsere Aufmerksamkeit ebenso verlangt wie die humanitäre und politische Katastrophe in einem Land knapp vierhundert Kilometer östlich.

Schon jetzt, so konstatieren die Autor:innen, habe die Erderwärmung zu irreversiblen Entwicklungen geführt, die weder durch den Menschen, noch die Natur ausgeglichen werden können. Immer wieder korrigieren die 270 Verfasser:innen des zweiten Teils des sechsten Sachstandsberichts, wie der Report offiziell heißt, frühere Prognosen – leider, weil sie die disruptive Kraft der aufgeheizten Atmosphäre unterschätzt haben.

Wie die Autor:innen selber die Resultate aus dem jüngsten Bericht einschätzen, hat meine Kollegin Juliane Nagiller in science.orf.at zusammengefasst. „Noch gibt es Möglichkeiten, wie wir uns anpassen können. Diese Möglichkeiten werden geringer werden, je wärmer es wird“, sagt etwa Mitautorin Daniela Schmidt von der University of Bristol.

Der Report unter dem Titel „Impacts, Adapation and Vulnerability“ beschränkt sich nicht auf die direkten Auswirkungen der Treibhausgase. Er zeigt auch, das ge- und zerstörte Ökosysteme und der Verlust der Artenvielfalt doppelt verwundbar machen für die Folgen der Erderwärmung. Damit verbunden ist der Auftrag, unsere Umwelt besser zu schützen, weil auch sie uns resilienter macht gegen die Erderwärmung.

Der gesamte IPCC-Report umfasst 3.675 Seiten. Ich habe in diesem Newsletter vor allem die wichtigsten Fakten aus dem 36seitigen „Summary for Policymakers“ zusammengefasst. Auf dass sie nicht vergessen werden mögen.

AR6 Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability — IPCC

Extreme

Seit 1850 ist die Globaltemperatur um 1,09 Grad gestiegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad beschränken können, liegt unter 50%. Dies hat bereits jetzt zu einer Zunahme von Dürren und Unwetterkatastrophen geführt. Kinder, die derzeit 10 Jahre alt oder jünger sind, werden rund viermal mehr Extremwetter erleben als wir heute.

Die direkten finanziellen Schäden durch Überflutungen sind bei einer Erwärmung von 2 Grad bereits 1,4 bis 2mal so hoch wie bei einem globalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad. Die Kosten für Extremwetterereignisse steigen exponentiell mit der Erderwärmung.

Artenvielfalt

Die Hälfte aller untersuchten Arten flieht aus den Hitzezonen in höhere Lagen und vor allem in Richtung der Pole – um rund 59 Kilometer pro Jahrzehnt. Bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad werden 3-14% aller landlebenden Arten wahrscheinlich aussterben. Bei +2 Grad steigt der Maximalwert auf 18 Prozent, bei 3 Grad auf 29 Prozent. Im 5 Grad-Szenario könnten fast die Hälfte aller Spezies vom Erdboden verschwinden.

Nahrung

Der Klimawandel und die damit verbundenen Extremereignisse haben das Nahrungsangebot, trotz steigender Produktivität, in viel kleinerem Ausmaß als möglich wachsen lassen. Sie bremsen damit auch das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele (SDGs). Acht Prozent der heutigen Ackerfläche werden 2100 nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar sein. In den Ozeanen reduzieren Erwärmung und Übersäuerung das Fischangebot. Die Fischereierträge könnten bis Ende des Jahrhunderts um bis zu 41 Prozent zurückgehen. Das führt vor allem in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika sowie kleinen Inselstaaten und der Arktis zu Ernährungsproblemen. Rund die Hälfte der Weltbevölkerung leidet schon jetzt an Wassermangel.

Wasser

Die Risiken durch Wassermangel werden mittel- bis langfristig in allen Regionen steigen. Bei einer globalen Erwärmung von 2 Grad nimmt die Verfügbarkeit von Schmelzwasser zur landwirtschaftlichen Bewässerung in einigen Gegenden bis zu 20 Prozent ab. Auch der Verlust von Gletschereis reduziert die sommerliche Verfügbarkeit von Wasser drastisch.

Ungleichheit

Die Folgen des menschlichen Treibhausgas-Ausstoßes sind global sehr ungleich verteilt. Die Ärmsten bekommen sie am meisten zu spüren. 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen leben in den Weltgegenden, die den Klimawandel am stärksten erleben. Dazu zählen West-, Zentral- und Ostafrika, Südasien, Mittel- und Südamerika sowie kleine Inselgruppen und die Arktis. In diesen Regionen war die Sterblichkeit aufgrund von Überflutungen, Dürren und Stürmen 15mal höher als in Regionen mit „geringer Verletzlichkeit“.

Gesundheit

Extreme Hitze führt weltweit zu Übersterblichkeit. Klimatisch bedingte Krankheiten – über die Ernährung ebenso wie über Wasser – nehmen zu. Auch von Tieren übertragene Infektionen wie Dengue oder Malaria werden mehr, einerseits weil sich die Überträger weiter ausbreiten, andererseits weil sie sich in wärmerem Wetter besser vermehren können. Krankheiten des Verdauungstraktes wie Cholera, die in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen sind, bekommen durch die Erderwärmung neuen Aufschwung.

Anpassungsstrategien

Kurzfristige Klimaschutzmaßnahmen, die die Erwärmung auf 1,5 Grad beschränken, können die Schäden an Ökosystemen und Gesellschaften reduzieren, aber nicht mehr alle negativen Effekte rückgängig machen. Darin sind sich die Autor:innen des zweiten Teils des sechsten IPCC-Sachstandberichts einig. Ein verstärktes Augenmerk auf die Biodiversität und Ökosysteme ist fundamental, um die Resilienz gegen klimatische Veränderungen zu stärken. Dazu gehört etwa, dass 30-50% der weltweiten Landfläche und Ozeane unter Schutz gestellt werden. Durch Anpassungsmaßnahmen könne man höhere Investitionen in der Zukunft vermeiden, und der potenzielle Nutzen dieser Maßnahmen sei langfristig höher als ihre Kosten, meint etwa Mitautorin Schmidt.

Jede Verzögerung bei einer weltweit abgestimmten Anpassung an die Klimaveränderung und bei der Eindämmung der Klimaschäden führt dazu, dass sich das „window of opportunity“ weiter schließt und damit auch die Chance sinkt „auf eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle“, wie der Bericht schließt.

IPCC-Bericht: Zeitfenster für Klimarettung schließt sich – news.ORF.at

IPCC-Bericht: Anpassung an Klimafolgen zu zögerlich – science.ORF.at

AR6 Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability — IPCC

Raus aus dem Gas – aber wie?

Hörtipp

Österreich will bis 2040 klimaneutral sein. Der Ukraine-Krieg könnte den Ausstieg aus der fossilen Verbrennung beschleunigen, auch wenn das russische Gas derzeit noch ungestört fließt. Immerhin eine Million Haushalte und viele Industriebetriebe hängen vom Erdgas ab, das wir zu 80 Prozent aus Russland beziehen. Im JOURNAL PANORAMA haben Energieexpert:innen und ein Wirtschaftsforscher darüber diskutiert, wie die Abkehr vom Gas gelingen könnte.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/wirtschaft

Der Klimawandel zerstört Gesundheit und Gemeinschaften

Als Pollenallergiker, der die warmen Jahreszeiten liebt, sieht man dem kommenden Frühling mit gemischten Gefühlen entgegen. Eindeutig negative Gefühle ruft die Ankündigung hervor, dass die Birken, diese „Gfrastsackln“, heuer noch früher ihre Pollen über große Teile Österreichs verstreuen und bei dem einen oder anderen nicht nur zu tränenden Augen, sondern zu regelrechter Atemnot führen werden.

Die Erderwärmung verlängert insgesamt die Pollenzeit über das Jahr noch – von der Haselblüte bis zum vermaledeiten Ragweed. Aber der Klimawandel wird nicht nur die Allergiker treffen. Auch sonst verändert er medizinisch einiges. Der britische Epidemiologe Andy Haines befürchtet etwa eine Zunahme von Todesfällen bei älteren Personen, aber auch mehr Krankheiten durch eingewanderte Krankheitserreger – zum Beispiel durch Malaria oder Dengue. „Der Klimawandel ist für die menschliche Gesundheit wahrscheinlich die größte Gefahr in diesem Jahrhundert“, wie Haines kürzlich bei einer OECD-Veranstaltung sagte.

Die Wirkweisen sind manchmal sehr verschlungen: So dürfte die Erderwärmung auch Alzheimer befördern, das wiederum von Feinstaub negativ beeinflusst wird. Feinstaub entsteht bei den zunehmenden Waldbränden, aber natürlich vor allem durch die Verbrennung fossiler Energieträger, sodass sich letztendlich ein für die menschliche Gesundheit nicht zuträglicher Wirkungsbogen schließt.

Schnell wechselnde Wetterlagen wiederum belasten Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen, weil sie eine „eine erhöhte Anpassungsleistung des Organismus“ erfordern, wie das Climate Change Center Austria (CCCA) in einer Broschüre schreibt.

Der Klimawandel hat aber auch die Kraft, ganze Gesellschaften zu verändern, wie Sie gleich am Beginn dieses Newsletters lesen werden.

Erderwärmung zerstört Gemeinschaften

Afrika

Somalia erlebt die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. In den vergangen zwei Monaten sind 700.000 Nutztiere verendet. 8 Millionen Menschen sind mittlerweile auf Hilfe angewiesen. Viele von ihnen verlassen auf der Suche nach Wasser und Essen ihre Heimat, so Walter Mawere von der Hilfsorganisation CARE.

Naturkatastrophen treffen verstärkt Frauen. Wenn die Lebensgrundlagen verloren gehen, so wie nach einem Zyklon 2019 in Malawi, spart man(n) das Schulgeld für die Mädchen ein, bürdet den Frauen mehr Hausarbeit auf und schickt sie kilometerweit zur nächsten Wasserstelle.

Alle rasanten Veränderungen zusammen führen zu neuen Verteilungskämpfen und sozialem Chaos, so Mawere.

Somalia: Klimawandel zerstört Gesellschaften – science.ORF.at

Klimawandel lässt Wald brennen

UNO-Bericht

Nicht jede Waldbrandkatastrophe wie etwa jene 2019/ 2020 in Australien ist eine direkte Folge der Erderwärmung. Aber die Bedingungen, die solche Brände möglich machen, werden häufiger, besagt ein neuer UNO-Report. Demnach wird die Zahl schwerer Waldbrände bis 2030 selbst bei Einhaltung des 2 Grad-Ziels um 14 Prozent steigen. Bis Ende des Jahrhunderts pendeln die Schätzungen zwischen 31 und 52 Prozent.

Im Bericht in Zusammenarbeit mit dem norwegischen Umwelt-Institut GRID-Arendal wurden nur Waldbrände modelliert, die in der Theorie einmal pro 100 Jahre vorkommen. Die WissenschafterInnen befürchten allerdings, dass auch kleinere Brände im selben Ausmaß zunehmen könnten.

Bei den enormen Waldbränden in Australien wurden laut UNO-Report fast drei Milliarden Säugetiere, Reptilien, Vögel und Amphibien getötet oder verletzt.

UNO-Bericht: Extreme Waldbrände werden deutlich zunehmen – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Durch die zahlreichen BesucherInnen wird die Antarktis zunehmend mit Ruß verschmutzt. Das beschleunigt die Schmelze des Eisschildes.

Antarktis: Mehr Ruß beschleunigt Schneeschmelze – science.ORF.at

Energiewende

Hörtipp

Österreich verbraucht doppelt so viel Energie wie der Weltdurchschnitt. Gleichzeitig ist die Energiewirtschaft für rund drei Viertel aller Treibhausgase verantwortlich. Wir müssen unsere klimaschädlichen Emissionen also reduzieren, um den Planeten nicht zu überhitzen. Auch wenn zum Beispiel Wind und Sonne im Übermaß vorhanden sind: Der Umstieg auf eine nachhaltige Energieerzeugung geht nicht schlagartig. Und es wird auch nicht ohne eine Steigerung der Energieeffizienz gehen. Ein RADIOKOLLEG von Juliane Nagiller über den holprigen Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/wirtschaft

Nachhaltig leben

Tipp

In Ö1 zieht sich das Thema „Nachhaltigkeit“ seit langem durch viele Sendereihen. Ab sofort bündeln wir die zahlreichen Beiträge für ein nachhaltiges Leben in einem dauerhaft verfügbaren Dossier auf einer Website:

http://oe1.ORF.at/nachhaltigleben

Sortiert nach Ökologie, Soziales und Wirtschaft wächst so ein Archiv der Nachhaltigkeit, das uns in die Zukunft begleiten soll. Wer wissen möchte, ob uns Elektromobilität von allen Klima- und Verkehrsproblemen befreit, wird dort ebenso fündig werden wie jene, die nach ökologisch verträglicher Mode fragen.