Autor: Franz Zeller

Fleisch und Gemüse

Eine ehrliche Revision unseres Gefrierschrankinhalts hat mir gezeigt, dass ich dort einiges an Treibhausgasemissionen „gebunkert“ habe. Das kleinere Problem ist wahrscheinlich das Wildfleisch vom Schwiegervater, aber die doch bemerkenswerte Menge an Rind, Schwein und Geflügel in der Lade darunter eignet sich so gar nicht, um am Klimaheiligen-Status zu arbeiteten – auch wenn alles bio ist und ich die Landwirt:innen persönlich kenne.

Fleisch ist einfach ein Klimaproblem. Das hat mir diese Woche auch ein Glossar der APA verdeutlicht, dessen Zahlen ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.

Demnach braucht 1kg Rindfleisch 15.500 Liter Wasser, und sogar das klimafreundlichere Geflügel verschlingt noch 3.600 Liter. Laut „Our World in Data“ verwenden wir von den weltweit 104 Millionen Quadratkilometer bewohnbares Land circa 40 Millionen Quadratkilometer als Nutzfläche für die Fleisch- und Molkereiproduktion– eine immens große Fläche.

Eine Tonne Rindfleisch benötigt 1,6 Tonnen Soja, das wiederum zur Rodung von 6.600m2 Regenwald führt, wie der Fleischatlas der Heinrich Böll-Stiftung dokumentiert. Und beim Thema „Hunger“ muss man nicht mit dem Finger auf den Krieg in der Ukraine und die reduzierten Getreideexporte zeigen. Europa arbeitet selbst am Hunger mit: 40% unserer Getreideernte landen in Futtertrögen, statt auf den Tisch zu kommen. So konsumieren Menschen in Österreich im Schnitt fast 94kg Fleisch (etwa ein Drittel davon sind Schlachtabfälle, die nicht als Nahrung verwertet werden).

Fazit: „Die weltweite Fleischproduktion ist in Summe für mehr klimaschädliche Treibhausgase verantwortlich als der gesamte Transportsektor der Welt zusammen“, wie die APA schreibt. Konkret sind es etwa pro Kilogramm Rindfleisch rund 22kg CO2-Äquivalente, auch durch die extreme Wirkung des Methans. Deshalb würde der gegenwärtige Fleischhunger allein schon ausreichen, die Erde bis Ende des Jahrhunderts auf 2 Grad zu erhitzen, selbst wenn wir sofort alle fossilen Brennstoffe verbannen würden.

Wir werden realistischerweise nicht schlagartig ein Vegetarier-Haushalt werden. Aber bei einem Durchschnittskonsum von fast 100kg, wie oben erwähnt, ist der Spielraum für die Reduktion von Schnitzel und Co. doch beträchtlich. Wer gern kocht und Gemüse nicht nur zu Tode gart, der tut sich dabei vielleicht noch leichter.

Nur noch 700 Megatonnen

CO2-Budget bis 2040

Wenn Österreich 2040 tatsächlich klimaneutral sein will, darf es bis dahin nur mehr 700 Megatonnen CO2 ausstoßen. Darauf weisen Wissenschafter des Grazer Wegener Centers für Klima und Globalen Wandel hin. Derzeit emittiert das Land allerdings mehr als 70 Megatonnen pro Jahr. Österreich sei also auf dem falschen Klimapfad, so Stefan Schleicher und Gottfried Kirchengast.

Vor allem im Bereich Verkehr brauche es weitaus stärkere Anstrengungen. Die Autoren fordern beim Transportwesen „den steilsten Reduktionspfad bis 2030“ und „tiefgreifende Maßnahmen“. Insgesamt muss Österreich seine Emissionen um 90-95 Prozent reduzieren, um bis 2040 klimaneutral zu sein.

https://orf.at/stories/3275023/

Milliarden Subventionen für die Klimakatastrophe

Wifo-Bericht

Mit rund 5,3 Milliarden Euro jährlich fördert Österreich klimaschädliches Verhalten. Das zeigt ein „vorläufiger Endbericht“ des Wirtschaftsforschungsinstituts, den der Standard zu lesen bekam. Demnach entgehen dem Staat allein durch die Mineralölsteuerbefreiung von Kerosin rund 400 Millionen Euro. Die niedrigere Besteuerung von Diesel im Vergleich zu Benzin (Dieselprivileg) kostet 540 Millionen bis 1,1 Milliarde Euro. Durch die Pendlerpauschale, die klimaschädlichen Verkehr unterstützt, verliert Österreich 480 Millionen pro Jahr. Kontraproduktiv in Sachen Klimaschutz sind laut Wifo auch Steuerbefreiungen für Taxis, Mietwagen oder landwirtschaftliche Fahrzeuge sowie Steuererleichterungen für Heizöl. Subventionen fossiler Energieträger sind für die Autor:innen des Berichts ein „wesentliches Hindernis“ bei der notwendigen energiepolitischen Transformation, wie der Standard zitiert.

Kurz gemeldet

Die Erderhitzung bringt neue Vogelarten nach Österreich. So brüten erstmal vier Kuhreiher-Paare am Unteren Inn in Oberösterreich.

https://science.orf.at/stories/3213993/

In der Antarktis hat ein Forschungsteam erstmals wieder größere Bestände der über 20 Meter langen Finnwale gesichtet. Sie galten in den 1970er-Jahren durch den Walfang als fast ausgerottet. Erst ein Jagdverbot, das mittlerweile 50 Jahre alt ist, hat eine Erholung ihrer Bestände möglich gemacht. Im Ozean vor der antarktischen Halbinsel leben nun wieder geschätzt 8.000 Finnwale. Die Tiere werden bis zu 70 Tonnen schwer.

https://science.orf.at/stories/3213969/

Servicetipps

Wie gärtnert man im Klimawandel?

Hörtipp

Mehr Dürren und Starkregen setzen auch unseren Gärten zu. Der englische Rasen hat dort für viele Gärtner:innen aus klimatischen Gründen keine große Zukunft mehr, abgesehen von seiner ökologischen Wertlosigkeit. Und in den Städten wird die Kastanie ob der zunehmenden Trockenheit aussterben.

Stattdessen plädieren Landschaftsökologen in MOMENT – NACHHALTIG LEBEN für eine Rückkehr zu naturnahen Gehölzen, etwa dem Dirndlstrauch, statt der aus China stammenden Forsythie, mit der heimische Insekten nicht umgehen können.

Ein naturnaher Garten ist robuster und ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz, so die Gärtner:innen.

Andererseits macht die Erderhitzung auch den Anbau von Gemüse möglich, das vor 20 Jahren hierzulande noch undenkbar war, zum Beispiel Melonen. Eine Sendung mit Tipps, wie wir unsere Gärten zukunftsfit und ökologischer gestalten können.

Extremwetterlagen im Garten, 12.07. | Ö1 | ORF-Radiothek

Raus aus der Komfortzone!

(Gemeinsam mit Juliane Nagiller)

Den Fleischkonsum um zwei Drittel senken, keine Einfamilienhäuser mehr auf der grünen Wiese bauen und ein CO2-Preis von mehr als einhundert Euro: Das sind zwar hehre klimapolitische Maßnahmen, die aber politisch nicht umsetzbar sind, denken Sie vielleicht. In gewisser Weise werden sie von den österreichischen Bürger:innen gefordert. Sie machen drei von insgesamt 93 Empfehlungen des ersten österreichischen Klimarats aus.

Sechs Monate lang haben sich einhundert zufällig ausgewählte Bürger:innen mit der Klimakrise beschäftigt. Ihr Endbericht zeigt, dass Menschen tiefgreifende Einschnitte akzeptieren, diese sogar vorschlagen und einfordern, wenn sie umfassend über die Klimaerwärmung und ihre Folgen informiert wurden. Unterstützt und beraten wurden die Bürger:innen von Wissenschaftler:innen, deren prägnante Vorträge man online nachsehen kann. Auch sie hätten viel beim und vom Klimarat gelernt, berichtet der Gletscherforscher Georg Kaser, unter anderem, wie Wissenschaft zu nachhaltigen Entscheidungen beitragen kann.

Es brauche Regeln und Rahmenbedingungen, die klimafreundliches Handeln ermöglichen, stellt der Klimarat fest. Zudem dürfe Klimaschutz weder eine individuelle Entscheidung, noch Luxus sein, weshalb die Bürger:innen bei ihren Empfehlungen auf einen Maßnahmen-Mix setzen. Sie schlagen sowohl Anreize wie klimafreundliche Infrastruktur, Schulungen oder Preissignale, als auch gesetzliche Vorgaben vor. So soll es beispielsweise mehr Bildung zu klimafreundlicher Ernährung, durchgehend breite Geh- und Radwege und eine unbürokratische Sanierungsoffensive geben, genauso wie eine verpflichtende Energieberatung für Gemeinden, ein Werbeverbot für klimaschädliche Produkte und eine Verlagerung der Raumordnungskompetenz auf Länderebene.

Es ist erstaunlich, wie schnell Menschen in einem gut aufgesetzten und begleiteten Prozess (der in dieser Form selbstverständlich auch Geld kostet) die Komplexität und Dringlichkeit der Klimakrise verstehen. Wichtig wäre nun, dass die Politik sich nicht Einzelmaßnahmen herauspickt, sondern die Arbeit der Bürger:innen wertschätzt, indem sie große Teile der Empfehlungen umsetzt. Die Bürger:innen haben ihre Komfortzone verlassen. Das sollte auch die Politik tun.

Ihre

Juliane Nagiller & Franz Zeller

PS: Die Bürger:innen des Klimarats sind übrigens wild entschlossen weiterzumachen. Sie haben einen Verein gegründet und wollen sich weiter für den Klimaschutz engagieren. Ein Umsetzungswille, den man bisweilen in der Politik vermisst.

PPS: Der Ö1 Klima-Newsletter wird im Juli und August unregelmäßig erscheinen.

Hitze vom Sonnblick bis zur Adria

Un-Wetter

Der Gipfel des 3106 Meter hohen Sonnblicks ist heuer zum ersten Mal schon Anfang Juli schneefrei. Üblicherweise lagen zu diesem Zeitpunkt noch etwa zweieinhalb Meter Schnee am Observatorium. Seit dem Messbeginn 1938 aperte der Sonnblick nie so früh aus.

Am Neusiedlersee kommt das Schneewasser vom Sonnblick jedenfalls nicht an. Dort liegt der Wasserstand nur mehr vier Zentimeter über dem historischen Tiefstand von 2003.

Und wie unser Kollege Daniel Schrott vom ORF-Wetter diese Woche auf Twitter gezeigt hat, ist auch Europas Badewanne, das Mittelmeer, bereits 4 Grad wärmer als sonst üblich. Dadurch verliert die kühlende Brise ihre Wirkung – ein Vorgeschmack auf die nächsten Dekaden, in denen uns die Lust auf einen Adria-Urlaub möglicherweise vergeht.

Aber auch für heuer sind noch höhere Temperaturen zu befürchten. „Das ganze System schaukelt sich auf. Die nächste Hitzewelle wird umso ärger ausfallen, weil ja nun auch schon das Meer so warm ist“, meint Meteorologe Schrott.

Je heißer das Mittelmeer, umso größer ist im Herbst übrigens die Wahrscheinlichkeit von Stürmen (Medicanes).

Hitzewellen über Europa haben drei- bis viermal schneller zugenommen als in den übrigen mittleren Breitengraden auf der Nordhalbkugel, etwa in den USA oder Kanada. Das belegt eine Studie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung PIK.

Rein technisch ist eine Veränderung des Jetstreams daran schuld. Immer häufiger kommt es zu „Doppel-Jets“, die viel länger andauern als früher. Dabei teilt sich der von Westen nach Osten fließende Jetstream in zwei Zweige – einen über Nord- und einen über Südeurasien. Die anhaltenden Doppel-Jets verstärken auch die Hitzewellen über Europa. „Unsere Studie zeigt, dass die zunehmende Verweildauer von Doppeljets etwa 30 Prozent der Hitzewellentrends für ganz Europa erklärt. Wenn wir jedoch nur die kleinere westeuropäische Region betrachten, erklärt sie fast 100 Prozent“, sagt Mitautor Efi Rousi.

Normalerweise kühlt das Wetter vom Atlantik den Kontinent ab. „Wenn es aber zum Doppeljet kommt, werden die Wettersysteme nach Norden abgelenkt und es können sich über Westeuropa anhaltende Hitzewellen entwickeln“, so Rousi. In anderen europäischen Regionen wie dem Mittelmeerraum und Osteuropa hängen Hitzewellen eher mit trockenen Böden zusammen.

„Grüne“ Atomkraft

Umstrittene Taxonomie

Gas und Atomkraft gelten als „grüne“ Energieformen – zumindest wenn es nach der europäischen Kommission geht. Das EU-Parlament hat den Vorschlag am Mittwoch bestätigt, Investitionen in Atomkraft und Gas werden damit als klimafreundlich eingestuft.

Die in Österreich zuständige Ministerin Leonore Gewessler hat bereits eine Klage gegen die Entscheidung angekündigt, weil sie dem „Green Deal“ nicht gerecht werde und verantwortungslos sei, und auch Greenpeace will dagegen klagen. 

https://orf.at/stories/3274762/

Auf dem Niveau von 1990

CO2-Ausstoß

Die Treibhausgasemissionen sind nach dem Ausreißer-Jahr 2020 im vergangenen Jahr erneut um 6,5% gestiegen. Das zeigen die aktuellen Berechnungen des Wegener Centers für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz. Österreichs Ausstoß befindet sich nun wieder auf dem Niveau des Jahres 1990. Eigentlich sollte Österreich seinen CO2-Ausstoß bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent und bis 2030 um 55 Prozent senken.

Das verbleibende Treibhausgasbudget, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, könnte bereits in den 2030er Jahren aufgebraucht sein.

Österreichs CO2-Ausstoß im Vorjahr stark gestiegen – steiermark.ORF.at

Kurz gemeldet

Auch die Tiefen des Nordostatlantiks sind mit Mikroplastik verschmutzt. 2.000 Meter unter dem Meeresspiegel zwischen den Azoren und Madeira fanden Forscher:innen vor allem Polyethylen PET und PVC.

Mehr als 120 Wissenschafter:innen erstellen in den kommenden drei Jahren einen Klimabericht für Österreich. Das Papier soll sich an den Sachstandsberichten des Weltklimarates orientieren, aber Empfehlungen auf regionaler Ebene liefern, um den Weg zur Klimaneutralität wissenschaftlich zu untermauern.

Servicetipps

Klimafreundliche Ausflüge

Wer zur nächsten Wanderung öffentlich anreisen möchte, findet Routenvorschläge auf der Plattform Zuugle. Auch bei den Naturfreunden und beim Alpenverein bekommt man Tipps für klimafreundliche Ausflüge.

Reparaturbonus

Nur zur Erinnerung: Wer repariert, vermeidet Müll und Emissionen. Um Geräten ein längeres „Leben“ zu geben, fördert das Klimaschutzministerium Reparaturen über den Reparaturbonus. Er ersetzt 50% der Kosten bis zu einer Höhe von 200 Euro. Die Konsument:innen zahlen damit nur mehr die Hälfte der Rechnung an die Reparaturbetriebe.

Post sucht Ideen für nachhaltige Mehrwegverpackungen

Kartons, die nach einmaliger Verwendung im Abfall landen, sind Ressourcenverschwendung. Im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sucht die Post jetzt nach Ideen für Mehrwegverpackungen. Unter Re:Postboxing können Interessierte ihre Vorschläge zur Reduktion von Einwegverpackungen einreichen.

Erneuerbare ausbauen, Vorbehalte abbauen – aber wie?

Hörtipp

Dass die fossile Ära, durchaus mit Schrecken, zu Ende geht, scheint vielen klar zu sein. Wir brauchen erneuerbare Energien. Aber wenn es darum geht, ein Windrad in die Landschaft zu stellen, dann werden auch SUV-Fahrer:innen plötzlich zu heftigen Naturschützern, obwohl ein Kilometer Autobahn einen weitaus größeren Hässlichkeitsfaktor hat. Wie die Bevölkerung für ein neues Energiezeitalter gewonnen werden kann, dazu fand in Wien kürzlich ein Expert:innengespräch statt. Das JOURNAL PANORAMA hat die verschiedenen Ideen hörenswert zusammengefasst.

https://oe1.orf.at/player/20220704/684921

Gas und Kohle/ Teufel und Beelzebub

Es war mir bis vor kurzem nicht bewusst: Erdgas gilt als Brückentechnologie, weil es angeblich nur halb so klimaschädlich ist wie Kohle. Diese Rechnung geht aber völlig an der Nutzungsrealität vorbei.

Tatsächlich entsteht bei der Verbrennung von Erdgas im Vergleich zur Kohle nur halb so viel CO2. Die Bilanz ist aber eine mathematische Schönung. Rechnet man die Klimawirkung aus Erdgas von der Erzeugung über den Transport bis zur Verbrennung, hat es keinerlei ökologische Vorteile mehr gegenüber der Kohle.

Erdgas ist im wesentlichen Methan – ein Treibhausgas, das je nach betrachtetem Wirkungszeitraum 25 – 80mal klimaschädlicher ist als Kohlendioxid. Jedes Methan-Molekül in der Luft erhitzt die Atmosphäre weiter. Laut Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur entweichen weltweit etwa 4 Prozent des Erdgases schon vor der Verbrennung durch Lecks in den Leitungen und Speichern. Am stärksten tragen die USA und Russland zu diesen Methanemissionen bei. Der Bremer Umweltphysiker John Burrows kommt zum Schluss, dass „eine Leckage von ungefähr zwei bis drei Prozent Erdgas ausreicht, um jeglichen Vorteil der Verbrennung von Erdgas zu beseitigen.“

Kohle und Erdgas können also beide nicht in die Energiezukunft führen.

Überzogene Hoffnung stecken viele momentan auch in E-Fuels – das sind synthetisch mit erneuerbaren Energien erzeugte Kraftstoffe, die Diesel und Benzin ersetzen sollen. Die Automobilindustrie hofft, mit den E-Fuels ihre Verbrennungsmotoren mit Adaptierungen länger einsetzen zu können.

In der jetzigen technischen Realität sind E-Fuels aber weitaus ineffizienter als etwa ein Auto mit Elektroantrieb. Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung hat schon 2021 errechnet, dass Motoren mit E-Fuels im Vergleich zu reinen Elektromobilen fünfmal so viel Energie verbrauchen. Sie werden zwar mit Hilfe von erneuerbarem Strom hergestellt, in der Breite sinnvoll macht sie das aber noch lange nicht, auch wenn sie klimaneutral erzeugt werden. Durch den hohen Energiebedarf sind die synthetischen Kraftstoffe zudem sehr teuer.

Eventuell werden sie in Mobilitätssparten ihren Nutzen finden, wo sich keine elektrischen Antriebe einsetzen lassen, wie in Flugzeugen. Trotzdem will sich die EU die E-Fuel-Hintertür auch in der Automobilbranche offenhalten. Warum, das lesen Sie im ersten Beitrag des Newsletters.

Emissionsfreie Neuwagen ab 2035

EU

Während das EU-Parlament einen kompletten Verzicht auf Verbrennungsmotoren ab 2035 fordert, wollen die Länder emissionsfreie Verbrenner weiterhin ermöglichen. Auf Druck Deutschlands können mit klimaneutralen E-Fuels betriebene Autos auch nach 2035 zugelassen werden.

Umweltschutzorganisationen kritisieren den Kompromiss im Rat der Umweltschutzminister:innen als „verwässerten Verbrennerausstieg“. Antje von Broock, die Geschäftsführerin des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) nennt das Bekenntnis zu E-Fuels „eine Scheinlösung, sie sind ineffizient, nicht automatisch klimaneutral und werden auf absehbare Zeit teuer sowie begrenzt verfügbar bleiben.“ 

Auch die scientists4future sprechen sich aufgrund der schlechten Effizienz der E-Fuels gegen den Kompromiss aus, der noch einmal mit dem Parlament abgestimmt werden muss. „Es ist praktisch ausgeschlossen, dass bis 2035 genügend Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht, um einen nennenswerten Anteil des Verkehrs mit sauber erzeugten E-Fuels zu betreiben. E-Fuels für PKW und leichte Transporter zu propagieren ist nichts anderes als ein Versuch, die Energie- und Verkehrswende zu verzögern“, so scientists4future in einer Aussendung.

EU-Länder einig: Neuwagen ab 2035 nur noch emissionsfrei – news.ORF.at

E-Fuels: Verbrenner-Aus mit „Aber“ – news.ORF.at

Stellungnahme-synthetische-Kraftstoffe-Layout.pdf (scientists4future.org)

UNO-Ozeankonferenz

Artenschutz

Die Vereinten Nationen haben eine Milliarde US-Dollar Hilfe für 100 Küsten- und Inselstaaten angekündigt, die unter der Verschmutzung, der Überfischung und der Erwärmung der Weltmeere leiden. Die kleinen Staaten erleiden durch die rücksichtslose Nutzung der Meere jährlich einen geschätzten Schaden von einer Billion Dollar. Das wurde am Dienstag auf der UN-Ozeankonferenz in Lissabon bekannt. Sie findet mit zweijähriger Verspätung in Portugal statt.

Seit den 1990er-Jahren hat der Fischfang um 60 Prozent zugenommen. Laut Welternährungsorganisation FAO waren 2019 bereits 35,4 Prozent aller Bestände überfischt.

Die Weltmeere beherbergen rund 80 Prozent des Lebens auf dieser Erde. UNO-Generalsekretär António Guterres forderte u.a. drastische Maßnahmen zur Bekämpfung der Verschmutzung mit Plastik und anderem Müll.

Weltmeere: UNO-Ozeankonferenz startet mit eindringlichen Forderungen – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Die Bioethikkommission hat unter dem Titel „Die Klimakrise als ethische Herausforderung“ Empfehlungen zum politischen Umgang mit der Erderhitzung erarbeitet. Sie widmet sich im Papier auch den neuen Strategien der Klimakatastrophen-Leugner und konstatiert: „Da sich die Auswirkungen des Klimawandels auf Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Waldbrände, Überschwemmungen und Wirbelstürme nicht mehr herunterspielen lassen, hat sich die Taktik von ursprünglicher Leugnung hin zu Verzögerung und Ablenkung verlagert.“

Die Erderhitzung wirkt sich nicht auf alle Extremwetterereignisse gleich aus. Am stärksten beeinflusst sie Hitzewellen, wie eben in Italien. Das belegt eine Studie der Victoria University of Wellington.

Um die weltweite Abholzung zu vermeiden, haben sich die 27 EU-Umweltminister:innen auf eine Richtlinie zu „entwaldungsfreien Produkten“ geeinigt. Davon betroffen sind etwa Palmöl, Holz, Kaffee, Kakao und Soja, sowie Rindfleisch, Leder, Schokolade und Möbel, für die keine Wälder mehr gerodet werden dürfen. Verantwortlich für die Lieferkette und die „verbindlichen Sorgfaltspflichten“ sind die importierenden Unternehmen.

Hörtipp

Ob man einen überschwemmten Garten nun auf die Klimakatastrophe mit ihren vermehrten Extremwetterereignissen zurückführt oder nicht: In MOMENT erzählen unterschiedlichste Menschen, wie sie mit der Verwüstung ihrer Gärten umgehen – von besseren Simulationen der möglichen Überschwemmung bis hin zum Bau einer kleinen Staumauer, um das private Paradies zu retten.

https://oe1.orf.at/player/20220627/682804

Klagen und Kompromisse

Fünf junge Menschen zwischen 17 und 31 haben am Dienstag eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingebracht. Sie klagen gegen den Energiecharta-Vertrag ECT bzw. gegen Regierungen, die weiterhin am ECT festhalten. Dieses umstrittene Gesetzespaket aus dem Jahr 1994 gibt Energiefirmen die Möglichkeiten, Staaten zu milliardenschweren Zahlungen zu zwingen, wenn diese ihre Energiepolitik ändern. Ein Ausstieg aus fossilen Energien wird damit doppelt kostspielig bzw. gebremst.

So haben etwa RWE und Uniper die Niederlande wegen seines Kohleausstiegs auf Milliarden geklagt. Umwelt-NGOs bezeichnen den Energiecharta-Vertrag als „Anti-Klimaabkommen“.

Insgesamt 12 Regierungen stehen jetzt vor dem EMRG in Straßburg, darunter auch Österreich.

„Mit dem Energiecharta-Vertrag ermöglichen die beklagten Regierungen ihren Unternehmen, legitime Klimaschutzmaßnahmen anderer Staaten anzufechten. Dies ist unvereinbar mit internationalen Klimaverpflichtungen im Rahmen des Pariser Abkommens und verstößt gegen die Verpflichtungen der Europäischen Menschenrechtskonvention“, wie die Pariser Anwältin Clémentine Baldon argumentiert. Sie vertritt die Kläger:innen. Im Detail argumentieren die fünf jungen Leute, dass eine Mitgliedschaft beim ECT u.a. das Recht auf Leben nach Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletze. Die 17jährige Julia etwa verlor bei den großräumigen Überflutungen in Deutschland und Belgien im Jahr 2021 ihr Elternhaus.

In der Kritik steht der Energiecharta-Vertrag seit langem. Laut Guardian könnte der ECT betroffene Staaten bis 2050 insgesamt 1.3 Billionen Euro kosten, wenn sie aus Kohle, Gas und Öl aussteigen. Auch der jüngste IPCC-Report warnte, dass ein Vertragswerk wie die Energiecharta die Klimaziele konterkarieren würde.

Deshalb versuchten die 53 Vertrags-Staaten das Papier Ende Mai zu reformieren und an das Pariser Klimaabkommen anzupassen. Wie erwartet, scheiterte das Vorhaben. Eine Änderung ist nur möglich, wenn alle Mitglieds-Länder zustimmen.

Obwohl der EuGH bereits 2021 die Energiecharta für Streitigkeiten zwischen EU-Ländern als ungeeignet erklärte, werden viele der 55 anhängigen Verfahren weitergeführt – sie liegen bei Schiedsgerichten, die nicht bereit sind, sich der Rechtsprechung des EuGH zu unterwerfen, wie das Umweltinstitut München schreibt.

Auch ein rechtliches Kurzgutachten der Arbeiterkammer kommt zum Schluss, dass der ECT „den Erfordernissen des dynamischen Energiesektors nicht gerecht“ wird und legt insgesamt einen Austritt aus dem ECT nahe.

Die EU plädiert derweil für einen langsamen Ausstieg aus dem Investorenschutz bis 2040. Das ist auch angesichts dessen zu zögerlich, als das ECT in krassem Widerspruch zu den EU-Klimaschutzzielen steht. Immerhin fünf Länder – Frankreich, Deutschland, die Niederlande, Polen und Spanien haben die EU-Kommission jetzt aufgefordert, Vorschläge vorzulegen, wie man den ECT früher aufkündigen könnte.

Positiveres aus Brüssel lesen Sie im ersten Beitrag dieses Newsletters.

Klima-Kompromiss

EU-Parlament

Nachdem es vor zwei Wochen noch abgelehnt worden war, hat sich das EU-Parlament diese Woche auf ein Klimapaket geeinigt. Es sieht vor, auch Gebäude und Verkehr in den Emissionshandel einzubeziehen. Der CO2-Ausstoß bekommt damit in diesen Sektoren einen Preis, ähnlich wie jetzt schon in der Industrie üblich.

Die kostenlose Vergabe von Zertifikaten für CO2-Emissionen soll ab 2027 graduell auslaufen und ab 2032 ganz eingestellt werden. Geplant ist auch eine Art CO2-Zoll für sehr emissionsintensive Importe wie Stahl oder Zement. Dies schützt zum Beispiel heimische Produkte, die klimafreundlicher erzeugt werden. Geplant ist die Abgabe ab 2026.

Zudem soll ein CO2-Sozialfonds geschaffen werden, da Klimaschutz zum Teil auch zu höheren Kosten führt, die Bezieher:innen niedriger Einkommen stärker treffen als finanzstarke.

Der Kompromiss ist Teil des EU-Klimapakets „Fit for 55“. Es hat zum Ziel, die EU-weiten Emissionen bis 2030, bezogen auf das Jahr 1990, um 55 Prozent zu senken. Noch ist der Plan aber nicht beschlossen, da neben dem Parlament auch die EU-Staaten den Pakt mittragen müssen.

Im zweiten Anlauf: EU-Parlament einigt sich auf Klimapaket – news.ORF.at

Die Zukunft ertrinkt in Plastik

OECD-Prognose

Bis 2060 wird sich unser Plastikverbrauch verdreifachen, schreibt die OECD in ihrem neuesten Report „Global Plastics Outlook“. Während die Industrieländer ihre Plastikmengen verdoppeln, steigt der Konsum in aufstrebenden Ländern in Sub-Sahara-Afrika und Asien noch weitaus stärker an.

Derzeit wird ungefähr die Hälfte des Plastikmülls deponiert, weniger als ein Fünftel recycliert, der Rest landet noch immer in der Umwelt.

Wenn es zu keiner Änderung im Umgang mit Plastik kommt, befürchtet die OECD eine Plastikflut auf dem Planeten:

  • Der unkontrolliert entsorgte Plastikmüll verdoppelt sich bis 2060 auf 44 Millionen Tonnen pro Jahr.
  • Schon derzeit treiben 140 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren und Flüssen. Diese Menge wird bis 2060 auf 493 Megatonnen steigen.
  • Der Treibhausgasausstoß über den Lebenszyklus von Plastik verdoppelt sich bis 2060 auf 4.3 Gigatonnen pro Jahr.

Die OECD plädiert deshalb für eine Reduktion des Plastikverbrauchs und mehr Kreislaufwirtschaft. Dazu gehören auch haltbarere Produkte als bisher. Die könnten durch politische Maßnahmen wie eine Plastiksteuer gefördert werden, so die OECD im Bericht. Um die Umwelt zu entlasten, müsse man auch weitaus mehr Plastik sammeln und recyclieren.

https://www.oecd-ilibrary.org/environment/global-plastics-outlook_de747aef-en

Wort der Woche

SDG-washing

2015 beschlossen die Vereinten Nationen die Nachhaltigkeitsziele (SDGs). Bis 2030 sollten auf Basis von 17 Punkten wie „Abschaffung der Armut“ oder „Nachhaltiger Konsum“ Frieden und Wohlstand auf dem und mit dem Planeten gesichert werden. Passiert ist allerdings fast nichts. Das zeigt eine Studie der Universität Utrecht. Zwar würden sich sowohl Politik als auch viele Unternehmen zu den Zielen bekennen, aber kaum etwas umsetzen. „Die SDGs scheinen öffentliche Budgets und finanzielle Zuteilungsmechanismen in keiner wichtigen Weise verändert zu haben“, wie das Team um den Nachhaltigkeitsforscher Frank Biermann schreibt. Im Gegenteil würden politische und wirtschaftliche Eliten das SDG-Vokabular verwenden, um ihrer nicht-inklusiven Politik Legitimität zu verschaffen, also eine Art von „SDG-washing“ betreiben.

https://science.orf.at/stories/3213724/

Kurz gemeldet

Forscher:innen fordern einen „grünen Marshallplan“, um die Naturzerstörung zu stoppen. Aktuell gelten 22.000 Tier- und Pflanzenarten als gefährdet. Artenschutz ist auch Klimaschutz. Wie Expert:innen immer wieder betonen, müssten bis 2030 insgesamt 30 Prozent der weltweiten Landes- und Meeresfläche unter Schutz gestellt werden.

Im Herbst wird in Montreal die weltweite Biodiversitätspolitik bis 2050 beschlossen.

https://science.orf.at/stories/3213720/

Ohne Klimaschutz wird sich die Schneedecke in den Alpen bis Ende des Jahrhunderts halbieren. Am meisten wären die Südwestalpen davon betroffen. Bei einer schnellen Emissionsreduktion beschränkt sich der Schneeverlust auf 20%.

EGU – News & press – Snow cover in the Alps will halve without climate action – emissions cuts can save 80% of snow days

Auf schmalem Grat

Hörtipp

Die Alpen haben sich seit Beginn der Industrialisierung um 2 Grad erwärmt, und damit weit über dem globalen Durchschnitt. Die Winter werden kürzer und trockener, die Vegetationsperiode beginnt früher. Die mit der Klimaerhitzung verbundenen Starkregen wiederum lösen vermehrt Steinschläge aus. Sie werden zu 80% durch Wasser verursacht.

Wie der Klimawandel das Leben in den Alpen verändert, zeigen die DIMENSIONEN im Teil 2 der Reihe an der Jahreszeit Sommer.

https://oe1.orf.at/player/20220622/682576

Bammel

Mir fehlt in dieser Woche ein Arbeitstag – wegen dem Feiertag und einer zusätzlich Radio-Produktion. Und eigentlich habe ich mich schon mit dem Gedanken getragen, diesen Newsletter auszulassen. Aber dann prasselten in dieser Woche so viele versteckte Handlungsappelle auf mich ein, dass ich jetzt in aller Eile noch ein paar Klimanews zusammenfassen möchte. Jede Woche, in der wir die Dringlichkeit der Klimakrise ignorieren, ist eine verlorene Woche. Ich verzichte also auf Vollständigkeit.

Via dem schon öfter erwähnten Politologen Reinhard Steurer bin ich zum Beispiel auf Twitter (@ReiSteurer) auf die Präsentation der französischen Wettermoderatorin Sylvain Perdigon gestoßen. Sie hat 2014 eine Wettervorhersage für August 2050 gestaltet. Die Frankreich-Karte zeigte damals im Osten 42 Grad, selbst Bordeaux in Atlantiknähe hatte sich auf 40 Grad erhitzt. Perdigons Prognosen werden allerdings schon jetzt, 28 Jahre früher, wahr.

Bilder aus Kansas wiederum zeigen eine hunderte Meter lange Kamerafahrt, entlang tausender Rinderkadaver. Sie sind in der jüngsten Hitzewelle im Mittleren Westen verendet.

Und zwischen den Zeilen merkt man immer öfter, dass auch viele Wissenschafter:innen nicht mehr daran glauben, wir könnten das 1,5 Grad-Ziel noch annähernd schaffen.

Das alles ist mehr als beunruhigend. Deshalb dieser ungewöhnlich kurze Zwischenruf.

news.ORF.at

Wasserrationierung in Po-Ebene

Dürre

Der Po hat mit der schlimmsten Dürre seit 70 Jahren zu kämpfen. Der Wasserspiegel liegt drei Meter unter dem langjährigen Durchschnitt. Fehlende Niederschläge, eine hohe Bevölkerungsdichte und die große Wasserentnahme der Landwirtschaft machen dem Fluss schwer zu schaffen. Die Produktion von Gemüse und Obst dürfte um 30-40 Prozent zurückgehen, der Ertrag aus Getreide um Soja bis zu 50 Prozent.

Mit dem Wassermangel ist auch die Stromerzeugung aus Wasserkraft zum Erliegen gekommen. 125 Gemeinden müssen zudem ihr Trinkwasser rationieren.

Dürre in Italien: Po auf Rekordtief der letzten 70 Jahre – news.ORF.at

Dürre: 125 Gemeinden am Fluss Po vor Wasserrationierung – news.ORF.at 

Grönlands Gletscherschmelze beschleunigt sich

Meeresspiegel

Tausende kleine Gletscher im Norden Grönlands schmelzen schneller als erwartet. Über die letzten zwei Jahrzehnte hat der Eisverlust mit der sich erwärmenden Arktis um 50% zugenommen. Die dänischen Wissenschafter:innen haben sich bei ihren Untersuchungen auf die 20.300 kleineren Gletscher konzentriert. Sie machen zwar nur etwa 4 Prozent der Eismasse aus, tragen aber mit 11 Prozent zum grönländischen Gletscherverlust bei. Im Vergleich zu 2003 hat sich der Verlust vervierfacht, weil die kleineren Gletscher noch viel sensibler auf die Erderwärmung reagieren als große Eismassen.

 Melting accelerates for thousands of Greenland’s northern glaciers – AGU Newsroom 

Diesmal zwei Hörtipps, jeweils mit Überlegungen zum Leben mit der Klimakrise

PUNKT EINS thematisierte mit Birgit Bednar-Friedl vom Grazer Wegener Center for Climate and Global Change Strategien zum Umgang mit der Erderhitzung. Die Ökonomin ist Spezialistin für Klimawandelfolgen und Anpassung – passend zu den ungewöhnlich hohen Juni-Temperaturen.

Es wird heiß, 14.06. | Ö1 | ORF-Radiothek

Der Meteorologe Mojif Latib wiederum erläuterte in KONTEXT, was wir der Klimakrise noch entgegensetzen können. Er hat das im Herder Verlag erschienene Buch „Countdown“ geschrieben.

„Countdown“ | Countdown zur Klimakatastrophe, 17.06. | Ö1 | ORF-Radiothek

CO2-Steuer als Teuerungsbremse

Diese Woche war klimapolitisch so wechselhaft wie das Wetter. Dass die CO2-Steuer in Österreich nicht so kommt, wie geplant, scheint mittlerweile fix. Statt im Juli wird sie wohl erst im Oktober eingeführt. Die Bepreisung mit 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid haben Umweltschutzorganisationen ohnehin wiederholt als zu niedrig kritisiert, weil dies keinen Steuerungseffekt habe.

Auf den ersten Blick wirkt die Verschiebung sozial, um die jüngsten Teuerungen bei fossilen Energieträgern abzufedern. Auf den zweiten Blick könnte der neue Termin aber auch eine wenig durchdachte, populistische Panikreaktion sein. Das legt zumindest eine Studie der deutschen Mercator-Stiftung nahe, die im Mai erschienen ist. Der Bericht empfiehlt, auch angesichts der Energiekrise an der CO2-Steuer festzuhalten, sie jedoch als Umverteilungsinstrument zu nutzen. Wichtig sei die Rückerstattung der Einnahmen. „Das Festhalten am Fahrplan für die CO2-Bepreisung … ist mit Blick auf den Wohlstand die richtige Strategie – sofern der Staat die entsprechenden Einnahmen weitgehend durch Steuersenkungen oder Transfers an die privaten Haushalte zurück verteilt“, so das „Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“.

Die Energiekrise trifft die Geringverdiener am meisten. Das sind aber gleichzeitig jene, die auch am klimafreundlichsten leben – eine Gleichung, auf die ich in diesem Newsletter schon mehrfach hingewiesen habe. Nutzt man die Einnahmen aus der CO2-Steuer, um finanziell Schwächere zu unterstützen, hält man die finanzielle Belastung durch die verteuerten Energieträger real ebenfalls niedrig und belohnt Klimaschutz. Ein Wegfall der Kohlendioxid-Bepreisung führt nur zu niedrigeren Energiekosten ohne Lenkungseffekt.

Ruppig ist das Klima derzeit auch in Brüssel. Das EU-Parlament hat eine Reform des Emissionshandelssystems abgelehnt. Um die Klimaziele 2030 (-55% CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990) zu erreichen, war geplant, auch die Treibhausgase aus dem Verkehr und dem Gebäudebereich, zusätzlich zum bestehenden Emissionshandelssystem für die Großindustrie, mit einem Preis zu belegen. Darüber hinaus sollten Importe von Zement und Stahl aus wenig klimafreundlicher Erzeugung über einen CO2-Zoll verteuert werden.

Der Großteil der Abgeordneten stimmte schlussendlich gegen das schon vermeintlich akkordierte Paket, weil es durch zu klimafeindliche Abänderungsanträge kurz vor der Abstimmung verwässert worden wäre. Nun liegt es wieder im Umweltausschuss des EU-Parlaments.

Aber zwischen Bremsen und Vertagen gibt es auch Positives zu berichten. Ab 2035 dürfen in der EU keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden, so zumindest ein Beschluss des EU-Parlaments, der noch mit den Staaten abgestimmt werden muss. Und Österreich wird nächste Woche voraussichtlich ein Verbot für Gasheizungen in Neubauten verabschieden sowie einen Fahrplan für den Ausbau alter Ölheizungen.

Entlastungspaket: Verschiebung von CO2-Steuer wohl fix – news.ORF.at

Warum der CO2-Preis trotz Energiekrise steigen sollte – Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) (mcc-berlin.net)

Rückschlag für EU-Klimapaket: Abstimmungen im EU-Parlament gescheitert – news.ORF.at

Steigende Temperaturen trotz Emissionsstopp

Was wäre wenn – Klimaszenario

Mit welcher Verzögerung sich der Planet abkühlen würde, selbst wenn schlagartig alle Treibhausgas-Emissionen zum Erliegen kommen: das haben Wissenschafter:innen um Michelle Dvorak von der University of Washington simuliert. In Nature Climate Change berichten sie, dass die Temperaturen zuerst noch ansteigen und erst nach einigen Jahren sinken. Das liegt paradoxerweise zum Teil an der kurzzeitig kühlenden Wirkung von Aerosolen aus der fossilen Verbrennung, diese mildern zumindest vorübergehend die Wirkung der Emissionen. Wichtiger ist allerdings die langfristige Wirkung der Treibhausgase: CO2 bleibt sehr lange in der Atmosphäre, Methan wird immerhin innerhalb von rund 10 Jahren wieder abgebaut.

Und so kommt die Studie zum Schluss, dass selbst bei einer (unwahrscheinlichen) Reduzierung der Emissionen auf null im Jahre 2029 die 1,5 Grad-Grenze mit 66prozentiger Wahrscheinlichkeit überschritten wird, selbst wenn die Temperaturen später wieder sinken.

Zunächst schnellere Erwärmung nach Emissionsstopp – science.ORF.at

Alpen ergrünen

Klimawandel

Sogar vom Weltall aus ist sichtbar, dass die Alpen immer grüner werden. Das zeigt ein Vergleich von Satellitenbildern aus den Jahren 1984 bis 2021. Demnach erscheinen 80% der alpinen Fläche heute grüner als noch vor 40 Jahren. „Grünere Berge reflektieren weniger Sonnenlicht und führen daher zu einer weiteren Erwärmung – und damit zu einer weiteren Schrumpfung der reflektierenden Schneedecke“, so die Studienautorin Sabine Rumpf von der Universität Basel.

Ergrünen der Alpen vom All aus sichtbar – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Das Mikroplastik hat auch die Antarktis erreicht. In jeder einzelnen Probe haben Wissenschafter:innen kleine Plastikbestandteile im antarktischen Schnee nachgewiesen, vor allem PET und noch 12 weitere Polymere.

Umwelt: Mikroplastik im Schnee der Antarktis nachgewiesen – science.ORF.at

Libellen sind Profiteure der Erderwärmung. Der Bestand von Schmetterlingen und Heuschrecken nimmt in Summe hingegen ab, wie eine Analyse von 200 Insektenarten zeigt.

Manche Insekten profitieren von Erderwärmung – science.ORF.at

Reparatur der Zukunft

Tipp

Noch bis zum 20. Juni sucht die Ö1-Initiative „Reparatur der Zukunft“ nach Ideen für Klimainnovationen. Das kann ein nachhaltiger Salz-Vitalofen ebenso sein wie eine Secondhand-Kleidertausch-App oder ein Klimadashboard, das permanent dokumentiert, wo Österreich bei der Bewältigung der Klimakrise steht. Einreichungen in Form kurzer Videoclips sind in Deutsch und Englisch möglich. Eine Jury wird die originellsten Projekte auszeichnen. Interessante Ideen gehen auch im RADIOKOLLEG auf Sendung.

https://oe1.orf.at/zukunft

Grüne Haut gegen Hitzesommer in der Stadt

Hörtipp

24mal stieg die Temperatur in Wien oder Graz im vergangenen Sommer über 30 Grad. Städte sind besonders anfällig für Hitzetage, weil Asphalt und Beton die hohen Temperaturen besonders gut speichern und dann auch nachts abgeben. Ein Mittel gegen die Erhitzung der Stadt sind begrünte Dächer. Sie sind gleichzeitig Hitzeschild, Dämmung und Luftfilter, bringen aber auch Natur zurück in die Häuserfluchten. MOMENT-NACHHALTIG LEBEN zeigt in einer Reportage, wie grüne Wände und Dachbegrünungen das Mikroklima in der Stadt beeinflussen.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Klimaschutz = Naturschutz = Armutsbekämpfung

Und wieder liegt eine Murmeltierwoche hinter uns – mit der Wiederholung von Dingen, die wir schon oft gehört haben, die aber nicht oft genug gesagt werden können: Klimaschutz ist auch Armutsbekämpfung und Naturschutz. Die jüngsten Berichte des Weltklimarates haben auf diesen Zusammenhang hingewiesen, und diese Woche tun es auch Berichte des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung PIK und des WWF zusammen mit dem Roten Kreuz.

„Klimafolgen wie etwa Wetterextreme oder Folgen der Naturzerstörung erhöhen zum Beispiel die Risiken für die Landwirtschaft, also für die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern, für die Lebensmittelpreise, und letztlich für die Ernährung und Gesundheit aller“, sagt Björn Sörgel vom PIK. Umgekehrt machen eine gesunde Artenvielfalt und eine nachhaltige Bewirtschaftung die Lebensräume resilienter gegen klimatische Veränderungen.

„Gezielte Maßnahmen zum Schutz der Natur können klimabedingte Katastrophen um über ein Viertel verringern. Das würde nicht nur unzählige Menschenleben retten, sondern gerade in den ärmsten Regionen der Welt Schäden in Milliardenhöhe verhindern”, wie auch WWF-Programmleiterin Hanna Simons betont.

So sieht das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung die UN-Nachhaltigkeitsziele untrennbar mit den Pariser Klimazielen verbunden sowie mit den 2010 beschlossenen Aichi-Biodiversitätszielen. In keinem der drei Bereiche ist die internationale Staatengemeinschaft auf Kurs, um die Ziele auch tatsächlich zu erreichen.

Wie schon öfter angemerkt, gilt: Je reicher eine Gesellschaft bzw. eine Personengruppe innerhalb einer Gemeinschaft, umso mehr Klimaschäden richtet sie an. Begüterte fliegen etwa weitaus mehr als Menschen mit wenig finanziellem Spielraum. Deshalb verlangt der Klimaschutz auch nach Umverteilung: Als wichtiges Mittel der Umverteilung nennt das PIK eine CO2-Emissionsabgabe. Sie könnte an jene gehen, die treibhausgassparsam leben.

Aber selbst eine Bepreisung von Kohlendioxid ist keine Generallösung: Während Indien laut PIK damit einen Großteil der Mittel aufbringen könnte, die für das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele (u.a. Abschaffung von Armut und Hunger oder das Bereitstellen von leistbarer und sauberer Energie) nötig sind, wird Afrika dafür Milliardenhilfen brauchen.

Und so meint auch PIK Direktor Ottmar Edenhofer: „Es ist halt leider nichts kostenlos. Entweder wir zahlen weiterhin für die Schäden an Klima und Natur, und damit letztendlich auch für menschliches Leid. Oder wir zahlen für die Lösungen.“

PIK-Policy Paper: “Joint implementation of the Sustainable Development Goals, climate change mitigation and biosphere protection: Policy options for tackling multiple crises simultaneously”

WWF-Report: „Working with Nature to Protect People: How Nature-based Solutions Reduce Climate Change and Weather-Related Disasters“

G7 verabschieden sich von Kohlestrom

Energiewende I

Die größten Industrienationen der Welt (u.a. Deutschland, Frankreich und die USA) wollen bis 2035 Strom weitgehend CO2-frei erzeugen. Damit verbunden ist ein Ausstieg aus Kohlekraftwerken. Darauf haben sich die G7 in Berlin geeinigt. Auch ineffiziente und klimaschädliche Subventionen für fossile Energien sollen bis 2025 auslaufen.

Ambitioniert sind die Ziele auch beim Methan, das als etwa 25mal so klimaschädlich gilt wie Kohlendioxid. Sein Ausstoß (er kommt vor allem aus der Tierhaltung) soll weltweit bis 2030 um 34% sinken.

Die G7 haben sich auch darauf geeinigt, ärmere Länder bei der Energiewende und den Folgen der Erderwärmung zu unterstützen. Die Gelder, die Entwicklungsländer für die Anpassung an den Klimawandel erhalten, sollen bis 2025 gegenüber 2019 mindestens verdoppelt werden.

Als nächsten Schritt wollen die G7 die G20 ins Boot holen. Die G20-Staatengruppe verursacht 80% der weltweiten Emissionen.

Quelle: APA

Noch mehr Photovoltaikförderung

Energiewende II

Die Förderung für Photovoltaik wird um 40 Millionen Euro aufgestockt. Das hat das Klimaschutzministerium diese Woche bekanntgegeben. Mit den 40 Millionen der ersten Förderrunde wurden 11.000 PV-Anlagen unterstützt. Für die zweite Förderrunde ab 21. Juni stehen nach der Erhöhung 60 Millionen Euro zur Verfügung.

https://www.orf.at/#/stories/3268993/

Photovoltaikförderungen-Österreich

Der schwierige Weg zu nachhaltigem Kerosin

Energiewende III

Der Anteil der Flugbranche am CO2-Ausstoß der EU wird auf rund 3,8 Prozent geschätzt. Als Hoffnungsträger für „grüneres“ Fliegen gelten Sustainable Aviation Fuels (SAFs). Sie können beispielsweise aus gebrauchtem Speiseöl und Altfetten hergestellt werden.

Bereits in drei Jahren sollen alle EU-Staaten zumindest 2% des Kerosins durch SAFs ersetzen. Größere Mengen des nachhaltigeren Flugbenzins sind allerdings auch noch nicht verfügbar. Und zudem ist es fünf- bis neunmal so teuer wie das (nicht-besteuerte) fossile Kerosin.

Zum Klimawandel trägt übrigens nicht nur der enorme CO2-Ausstoß der Flugzeuge bei, sondern auch die Bildung von Kondensstreifen. Sie führen zur Bildung von Wolken, die wiederum zur planetaren Aufheizung beitragen.

https://orf.at/stories/3266129/

Kurz gemeldet

Die Stadt Paris will in ihren 1.300 Kantinen künftig an zwei Tagen pro Woche ausschließlich vegetarische Mahlzeiten servieren. Darüber hinaus sieht der Ernährungsplan des Stadtrats bis 2027 nur mehr nachhaltige Gerichte in den Pariser Krippen, Schulen, Altersheimen und kommunalen Betrieben vor.

https://www.orf.at/#/stories/3268961/

Knappes Holz

Hörtipp

Bäume formen unsere Landschaft, Holz unsere Kultur – vom Bauen bis zum Heizen. Dabei ist Holz weitaus mehr als ein Rohstoff für Gebäude und Energie. Es ist eine wertvolle Faser, für die sich mittlerweile viele Industriezweige interessieren. Wald ist auch ein riesiger Kohlenstoffspeicher und Teil der grünen Lunge dieses Planeten – und vielleicht auch deshalb viel zu schade zum Verbrennen, dauert es doch Jahrzehnte, bis ein neuer Baum nachgewachsen ist. Gleichzeitig wird der Rohstoff immer knapper. Was Europa nicht selbst decken kann und importieren muss, holzt man andernorts ab. Ein RADIOKOLLEG über eine unterschätzte und rarer werdende nachwachsende Ressource.

Wirtschaft – oe1.ORF.at

Nachhaltige Ernährung und nachhinkender Klimaschutz

Jüngst beim Tennistraining: Mein Doppelpartner Simon unterbricht plötzlich das Einschlagen, bückt sich und hebt vorsichtig ein Insekt auf. Dann trägt er es vom Spielfeld und setzt es in die Wiese. Früher wäre diese Art Umsicht als Blümchenromantik abgetan worden, nunmehr ist das genau jener Paradigmenwechsel, den wir brauchen. Wir müssen mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen sorgsamer umgehen als in den vergangenen Jahrzehnten. Das übertriebene Konsumieren der Natur ist zu einem ruinösen Ausbeutungssystem geworden, das sich in einer teils ruinösen, ausbeuterischen Arbeitswelt widerspiegelt.

Die individuelle Sorge für die Biosphäre im breitesten Sinn ersetzt zwar überhaupt keine politischen Weichenstellungen, aber sie kann jenen Druck aufbauen, den wir brauchen, um die Entscheidungsträger von der Dringlichkeit eines neuen Miteinander zu überzeugen. Deshalb hört man auch vielfach Rufe nach einem Systemwechsel.

Dass diese scheinbar pathetischen Plädoyers einen fundierten Hintergrund haben, zeigt diese Woche ein Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI. Es sieht ein Zeitalter der Risiken auf uns zukommen, für die unsere Entscheidungsträger überhaupt nicht vorbereitet seien. Bezeichnenderweise nennt SIPRI seinen Report „Umwelt des Friedens“. Anhand von Beispielen aus Afrika dokumentiert das Institut, wie etwa Dürren und Krieg ineinandergreifen. In Somalia hätten anhaltende Dürren und andere klimatische Veränderungen, verbunden mit Armut, viele Menschen in die Arme terroristischer Milizen getrieben. In Zentralamerika wiederum führten Auswirkungen der Klimakrise zu einer verstärkten Migration nach Nordamerika.

Das Umdenken beginnt also tatsächlich dort, wo wir nicht mehr achtlos auf unserer Mitwelt herumtrampeln, aber es darf damit keineswegs aufhören und muss noch das letzte Gesetz durchdringen.

Europa isst die Welt

WWF-Report

Europa importiert mehr Nahrungsmittel als es exportiert. Damit entzieht es anderen Regionen 11 Prozent der Kalorien und 26 Prozent der Proteine. Das dokumentiert der neue WWF-Report „Europe eats the world“. Europa ist nach China und den USA zwar der drittgrößte Nahrungsmittel- und Agrarexporteur, aber vor allem die Einfuhr von Tierfutter wie Soja führt zu einer negativen Kalorienbilanz.

Der WWF fordert mehr Nachhaltigkeit ein. So lande die Hälfte des Getreides als Futter zur Fleischerzeugung im Trog, anstatt als Lebensmittel auf dem Teller. Außerdem kritisiert der WWF, dass 15% der produzierten Nahrung schon kurz nach der Ernte verloren gehen – das sind 1,2 Milliarden Tonnen weltweit.

WWF: EU „teurer Supermarkt, nicht Kornkammer der Welt“ – news.ORF.at

Wie unser Ernährungssystem klimaneutral wird

Potsdam-Studie

Eine Eindämmung des Wachstums allein macht unser Ernährungssystem nicht nachhaltig. Diese Erkenntnis haben Forscher:innen des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung PIK anhand von Simulationen gewonnen. Ziel war es, effektive Maßnahmen zu finden, um die Nahrungsmittelproduktion emissionsneutral zu gestalten. Am effektivsten ist demnach eine „Kombination aus Ernährungsumstellung, Emissionsbepreisung und internationalen Einkommenstransfers“. Dies würde auch zu einer gesünderen Ernährung für die wachsende Weltbevölkerung führen. Einfach nur dem Degrowth-Gedanken zu folgen und zu reduzieren, reicht laut Benjamin Bodirsky vom PIK nicht aus. „Unser Ergebnis zeigt, dass das derzeitige Ernährungssystem im Grunde nie wirklich nachhaltig ist, egal mit welcher Wachstumsrate.“ Stattdessen müsse man das System selbst „von Grund auf verändern“.

Die Lebensmittelproduktion vom Acker bis zum Teller ist weltweit für rund ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich.

Nachhaltigkeit im Ernährungssystem: Nicht einfach weniger, sondern anders und besser — Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (pik-potsdam.de)

Österreich hinkt bei Klimazielen stark hinterher

EU-Kommission

Die in Österreich geplanten CO2-Reduktionen reichen nicht aus, um bis 2040 Klimaneutralität zu schaffen, so eine Kritik der EU-Kommission. Vor allem bei der Reduktion des Autoverkehrs passiere zu wenig. Es brauche einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs und bessere Alternativen zur Autonutzung. Allein bis 2030 muss Österreich seinen Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 2005 um 36% reduzieren. Laut Kommission könnte das Land dieses Ziel um bis zu 9% verfehlen.

Kommission: Österreich hinkt bei Klimazielen stark hinterher – news.ORF.at

Kurz gemeldet

Die internationale Fischerei verstärkt die Mangelernährung in einigen Weltgegenden, weil sie wichtige Nährstoffe umverteilt.

Globalisierung: Fischerei verstärkt Mangelernährung – science.ORF.at

Nachhaltige Waldbewirtschaftung

Hörtipp

Ein Baum braucht oft Generationen von Menschenleben, bis er ausgewachsen ist. Die Forstbäuer:innen müssen bei der Bewirtschaftung weit über ihr Leben hinausdenken.  Deshalb verwundert es nicht, dass der heute inflationär verwendete Begriff „Nachhaltigkeit“ aus der Forstwirtschaft stammt. „Nachhaltige Nutzung“ wurde schon vor mehr als 300 Jahren eingefordert, wie die fünfteilige Serie in der Reihe VOM LEBEN DER NATUR zeigt.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

„Mastjahre“ und gefährliche Spins

Diese Woche habe ich bei einem Gespräch mit dem Klima-Ökonomen Karl Steininger gelernt, dass eine globale Erwärmung von 1,5 Grad für Österreich wahrscheinlich 3 Grad bedeutet. Dazu kommen noch die Nachrichten, dass wir diese Grenze möglicherweise schon in diesem Jahrzehnt überschreiten, und zwar bis 2026, und nicht erst im kommenden Jahrzehnt.

Viele Klimaprognosen erweisen sich als zu optimistisch. 2015 hielt man es noch für ausgeschlossen, dass die 1,5 Grad-Grenze so schnell erreicht wird. Auch die Konferenz der Universitäten hat diese Woche von der Politik ein „radikales und sofortiges Umdenken“ in der Energie- und Wachstumspolitik gefordert.

Beruhigend ist das alles nicht. Was aber wirklich Emotionen (bei mir) hochgehen lässt, sind neue Spins, um die alten, eingefahrenen CO2-Pfade nur ja nicht verlassen zu müssen und weiter mit Pestiziden und fossil erzeugten Düngern Geschäfte treiben zu können. Da fordert der Chef des Schweizer Agrarkonzerns Syngenta, übrigens die Tochtergesellschaft eines chinesischen Mega-Unternehmens, tatsächlich die Abkehr vom Biolandbau. Er trage, so Erik Fyrwald, nicht nur zur Klimakrise bei, sondern auch zum Hunger auf der Welt.

Fyrwald, ein Donald Trump der industriellen Landwirtschaft, wurde mit seinen Schwurbeleien in jeder Menge deutschsprachiger Medien zitiert. Und damit ist der Schaden schon angerichtet.

Zur Erinnerung: Der Biolandbau verursacht halb so viele Klima- und Ökoschäden wie die industrielle Landwirtschaft. Er baut Humus auf, statt ihn zu vernichten. Und er muss keine Erdölprodukte ins Feld gießen, um Erträge zu erwirtschaften, die zugegebenermaßen um rund ein Fünftel geringer sind als jene aus dem chemischen Landbau. Aber selbst mit ausschließlich biologischer Landwirtschaft ließe sich die ganze Welt ernähren – wenn wir denn unseren Fleischkonsum deutlich reduzieren.

Ihr erboster

Franz Zeller

Überschreitung der 1,5-Grad-Schwelle bis 2026 möglich – news.ORF.at

2 Millionen Hektar Brachflächen für Agrarproduktion

Kritik an Freigabe

Als Reaktion auf die Getreidekrise durch den Ukraine-Krieg werden europaweit rund 2 Millionen Hektar Brachland für die landwirtschaftliche Nutzung freigegeben. Österreich hat bereits 9.000 Hektar umgewidmet. Umweltexperten kritisieren, dass damit wichtige Lebensräume beschädigt werden. Brachflächen sind Rückzugsorte für die unterschiedlichsten Tier- und Pflanzenarten. Das Rebhuhn braucht die nicht-bewirtschafteten Areale genauso wie Insekten, die dort Schutz finden vor den Pestiziden der industriellen Landwirtschaft.

Artenvielfalt: Kritik an Freigabe von Brachflächen – science.ORF.at

Rekordverdächtige Baumblüte

Mastjahr

Bei Bäumen kommt es in immer kürzeren Abständen zu sogenannten „Mastjahren“ – das sind Jahre mit besonders ausgeprägten Blütenmengen. Üblicherweise blühen etwa Apfelbäume alle zwei Jahre besonders stark, Eichen alle 6-12 Jahre und Nadelbäume im 7-Jahresabstand. 2022 wird ein besonders starkes Mastjahr werden, so der Naturschutzbund in einer Aussendung.

Rekordverdächtiges Baumblühen erwartet – noe.ORF.at

Temperatur der Woche

Texas

Nicht nur Indien und Pakistan kämpfen mit einer einzigartigen Hitzewelle. Auch den Texanern wird derzeit mächtig heiß. Am Samstag wurden in Texas fast 45 Grad Celsius gemessen. Auch Colorado und New Mexiko sind von der Rekordhitze betroffen.

https://www.washingtonpost.com/weather/2022/05/08/texas-record-heat-midwest/

Kurz gemeldet

30 Grad werden heutzutage um durchschnittlich zehn Tage früher erreicht als noch vor ein paar Jahrzehnten. Das zeigt eine Auswertung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ZAMG.

https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/erster-201e30er201c-immer-frueher-1

Seit dem Jahr 2000 sind Zahl und Dauern von Dürren global um rund 29 Prozent gestiegen, so die UNO in einem Bericht.

UNO-Bericht: Fast ein Drittel mehr Dürren seit 2000 – science.ORF.at

Zeigt man Menschen auf der Speisekarte, wie klimafreundlich das jeweilige Gericht ist, essen sie auch umweltverträglicher. Das hat eine Studie der Universität Würzburg nachgewiesen.

Weniger CO2 durch klimafreundliche Speisekarten – science.ORF.at

Streitfall Klimaschutz

Hörtipp

Um die steigenden CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre in den Griff zu kriegen, ist immer wieder vom Konzept der „Negativemissionen“ die Rede. Der Weg dorthin ist jedoch umstritten – das industrielle Entziehen aus der Luft wird ebenso angedacht wie natürliche Emissionssenken, etwa durch extensive Bepflanzungen. Dazu und über die Frage, ob Politik oder Individuen für den Klimaschutz verantwortlich sind und wie sozial gerechter Klimaschutz aussieht, spricht Juliane Nagiller mit den beiden Klimaforschern und IPCC-Autoren Keywan Riahi und Arnulf Grübler in den DIMENSIONEN.DISKUSSIONEN.

Streitfall Klimaschutz | DO | 12 05 2022 | 19:05 – oe1.ORF.at

Pilz-Proteine und gefährdete Haie

Es ist ein besonderer Moment, wenn Wissenschafter:innen plötzlich zu Aktivist:innen werden. Schließlich hat die Forschung vom Selbstverständnis her ja Distanz zu ihrem Gegenstand zu bewahren. Aber genau diese Wandlung hin zum Aktivismus ist in der Klimaforschung immer öfter zu beobachten.

Eine zentrale Figur des wissenschaftlich fundierten Protests ist Peter Kalmus. Auf Twitter folgen ihm unter dem Nickname @ClimateHuman 248.000 Menschen. Jüngst hat sich der NASA-Klimawissenschafter mit anderen an die Eingangstüren der JP Morgan Chase-Bank in Los Angeles gekettet, weil das Geldhaus neue fossile Projekte finanziert.

Wenn Menschen grundlegende Spielregeln ihrer Profession so radikal verändern und von Beobachtern zu Akteuren werden, muss es dafür starke Gründe geben. Der Wiener Politologe Reinhard Steurer diagnostiziert, es handle sich bei den Protesten „um eine angemessene Notwehrreaktion von jenen, die schon heute wissen, wie groß die Katastrophe in wenigen Jahren werden wird, wenn sich unser Kurs nicht grundlegend ändert.“

Noch ist Zeit, die Fieberkurve der Erde verhältnismäßig billig zu drosseln. „Die Kosten für die Emissionsreduktion sind relativ gering und jedenfalls niedriger als die Kosten, die die Auswirkungen der Erwärmung verursachen“, meinte etwa Keywan Riahi vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg in einem Webinar des Climate Change Center Austria (CCCA). Er ist Mitautor mehrerer IPCC-Berichte. Die Kosten liegen laut Riahi bis 2050 bei 2,6 bis 4,2 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei einer Eingrenzung der Erwärmung auf 1,5-Grad, und bei 1,3 bis 2,7 Prozent bei einem Zwei-Grad-Szenario. 

Wie die Wissenschafter:innen meinen, ist Klimaschutz ein Gewinn für alle. Eine relativ billige Maßnahme, die noch dazu jeden gesünder macht, besteht etwa in einer Hinwendung zu pflanzlicher Ernährung, wie sie am Beginn dieses Newsletters lesen.

Der Politikwissenschafter Steurer ist nur gedämpft optimistisch, was die realistische Einschätzung der Klimakrise betrifft. „Man muss kein Hellseher sein, um zu sehen, dass sich der Klimanotstand weiter zuspitzen und politische Reaktionen darauf unangemessen bleiben werden.“

Neues Phänomen: Klimaforscher rufen zu Protest auf – science.ORF.at

Umweltschutz durch Fleischreduktion

Ökologie

Wenn wir den globalen Rindfleischkonsum nur um 20% reduzieren und durch pflanzliche Alternativen ersetzen, können wir die nahrungsmittelbedingten Abholzungen bis 2050 weltweit halbieren. Die Verluste von Waldflächen sind für Umwelt und Klima ebenso ein Problem wie die Emissionen aus der Tierhaltung. Rund ein Drittel der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen kommt aus dem Bereich „Landwirtschaft und Ernährung“.

Um Menschen den Umstieg auf pflanzliche Produkte zu erleichtern, könnte man etwa auf mikrobielles Protein ausweichen. Es wird durch Fermentation (eine sehr alte Kulturtechnik) aus Pilzen gewonnen und ähnelt auch von der Textur her Fleisch.

Der Klimaforscher Florian Humpenöder vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat errechnet, dass dieser Fleischersatz zu einer drastischen Reduktion von Emissionen aus dem Agrarbereich führen würde. Ersetzt man nur 20% des Rindfleischs durch das mikrobielle Protein, lassen sich die landwirtschaftlich bedingten Treibhausgase bis 2050 halbieren.

https://science.orf.at/stories/3212935/

Haie gefährdet

Artensterben

Jede zweite Haiart ist vom Aussterben bedroht. Das berichtet die Tierschutzorganisation „International Fund for Animal Welfare“ (IFAW). Im vergangenen halben Jahrhundert ist der Haibestand auf offener See um 70% zurückgegangen. Daran ist einerseits der Handel mit Haifischfleisch und Haiflossen schuld, andererseits die Zerstörung von Lebensräumen wie Riffen.

Europa spielt beim Handel mit Haifischflossen eine unrühmliche Rolle. 2003 – 2020 kamen 28 Prozent der Flossenlieferungen nach Taiwan, Hongkong und Singapur – den Hauptumschlagplätzen – aus der EU, vor allem aus Spanien. Das sind pro Jahr mehr als 10.000 Tonnen.

Nur ein Viertel der Haiarten ist vom Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) erfasst. Es soll verhindern, dass Arten aufgrund des Handels aussterben.

Artenschutz: Jede zweite Haiart weltweit ist bedroht – science.ORF.at

TIPP: Spannendes Klima-Spiel für alle

„Schaffen Sie bis 2050 die Klimaneutralität?“ Das fragt die Financial Time in einem spannenden Simulations-Spiel mit dem Titel „Can you reach net zero by 2050?“ In diesem Browser-Game kann man sowohl politische und technische Maßnahmen setzen, um die Erderwärmung zu begrenzen, sich aber andererseits auch mit einer Aktivistin, einem Entrepreneur oder einer Politikerin verbünden, um an der Klimakrise arbeiten.

Ich habe im ersten Anlauf mit 1,56 Grad-Erwärmung das 1,5 Grad-Ziel übrigens knapp verfehlt. Aber ich probiere es wieder.

The Climate Game — Can you reach net zero? (ft.com)

Kurz gemeldet

Österreich könnte laut einer Analyse der Österreichischen Energieagentur bis 2027 von russischem Gas unabhängig werden. Dazu müsste u.a. der Energieverbrauch durch Effizienzmaßnahmen um ein Drittel gesenkt werden und die Erzeugung von erneuerbaren Gasen auf 14 Terrawattstunden steigen, während die inländische Erdgasförderung (10 Terrawattstunden) gleichbleibt.

Unabhaengigkeit_von_Gas_aus_Russland_Analyse_AEA_26-04-2022.pdf (energyagency.at)

Wie Humus zum Klimaschutz beiträgt

Hörtipp

Boden ist ein Kohlenstoffspeicher. Und ein riesiger Lebensraum. In einem Gramm Boden finden sich bis zu 10 Milliarden mikrobielle Zellen. Sie bauen Pflanzenreste ab und integrieren sie wieder in die Erde, die so besonders fruchtbar wird. Was wir Humus nennen, sind Reste und Abbauprodukte der Mikroorganismen. Für den nachhaltigen Ackerbau spielt der Humus eine besondere Rolle. Gleichzeitig hat das Bodenleben im Schnitt in den letzten Jahrzehnten abgenommen – ähnlich wie die Zahl der Insekten und Pflanzen auf intensiv landwirtschaftlich bearbeiteten Flächen. Wie man den Humusgehalt im Boden erhöhen kann und wo die Grenzen des Humusaufbaus liegen, zeigen die DIMENSIONEN zum Thema „Lebendiger Boden“. Eine Zusammenfassung der Sendung ist auch auf science.orf.at nachzulesen.

http://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Böden: Wie Humus zum Klimaschutz beiträgt – science.ORF.at

Lebendiger Boden, 03.05. | Ö1 | ORF-Radiothek