Autor: Franz Zeller

CO2-Steuer als Teuerungsbremse

Diese Woche war klimapolitisch so wechselhaft wie das Wetter. Dass die CO2-Steuer in Österreich nicht so kommt, wie geplant, scheint mittlerweile fix. Statt im Juli wird sie wohl erst im Oktober eingeführt. Die Bepreisung mit 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid haben Umweltschutzorganisationen ohnehin wiederholt als zu niedrig kritisiert, weil dies keinen Steuerungseffekt habe.

Auf den ersten Blick wirkt die Verschiebung sozial, um die jüngsten Teuerungen bei fossilen Energieträgern abzufedern. Auf den zweiten Blick könnte der neue Termin aber auch eine wenig durchdachte, populistische Panikreaktion sein. Das legt zumindest eine Studie der deutschen Mercator-Stiftung nahe, die im Mai erschienen ist. Der Bericht empfiehlt, auch angesichts der Energiekrise an der CO2-Steuer festzuhalten, sie jedoch als Umverteilungsinstrument zu nutzen. Wichtig sei die Rückerstattung der Einnahmen. „Das Festhalten am Fahrplan für die CO2-Bepreisung … ist mit Blick auf den Wohlstand die richtige Strategie – sofern der Staat die entsprechenden Einnahmen weitgehend durch Steuersenkungen oder Transfers an die privaten Haushalte zurück verteilt“, so das „Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“.

Die Energiekrise trifft die Geringverdiener am meisten. Das sind aber gleichzeitig jene, die auch am klimafreundlichsten leben – eine Gleichung, auf die ich in diesem Newsletter schon mehrfach hingewiesen habe. Nutzt man die Einnahmen aus der CO2-Steuer, um finanziell Schwächere zu unterstützen, hält man die finanzielle Belastung durch die verteuerten Energieträger real ebenfalls niedrig und belohnt Klimaschutz. Ein Wegfall der Kohlendioxid-Bepreisung führt nur zu niedrigeren Energiekosten ohne Lenkungseffekt.

Ruppig ist das Klima derzeit auch in Brüssel. Das EU-Parlament hat eine Reform des Emissionshandelssystems abgelehnt. Um die Klimaziele 2030 (-55% CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990) zu erreichen, war geplant, auch die Treibhausgase aus dem Verkehr und dem Gebäudebereich, zusätzlich zum bestehenden Emissionshandelssystem für die Großindustrie, mit einem Preis zu belegen. Darüber hinaus sollten Importe von Zement und Stahl aus wenig klimafreundlicher Erzeugung über einen CO2-Zoll verteuert werden.

Der Großteil der Abgeordneten stimmte schlussendlich gegen das schon vermeintlich akkordierte Paket, weil es durch zu klimafeindliche Abänderungsanträge kurz vor der Abstimmung verwässert worden wäre. Nun liegt es wieder im Umweltausschuss des EU-Parlaments.

Aber zwischen Bremsen und Vertagen gibt es auch Positives zu berichten. Ab 2035 dürfen in der EU keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden, so zumindest ein Beschluss des EU-Parlaments, der noch mit den Staaten abgestimmt werden muss. Und Österreich wird nächste Woche voraussichtlich ein Verbot für Gasheizungen in Neubauten verabschieden sowie einen Fahrplan für den Ausbau alter Ölheizungen.

Entlastungspaket: Verschiebung von CO2-Steuer wohl fix – news.ORF.at

Warum der CO2-Preis trotz Energiekrise steigen sollte – Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) (mcc-berlin.net)

Rückschlag für EU-Klimapaket: Abstimmungen im EU-Parlament gescheitert – news.ORF.at

Steigende Temperaturen trotz Emissionsstopp

Was wäre wenn – Klimaszenario

Mit welcher Verzögerung sich der Planet abkühlen würde, selbst wenn schlagartig alle Treibhausgas-Emissionen zum Erliegen kommen: das haben Wissenschafter:innen um Michelle Dvorak von der University of Washington simuliert. In Nature Climate Change berichten sie, dass die Temperaturen zuerst noch ansteigen und erst nach einigen Jahren sinken. Das liegt paradoxerweise zum Teil an der kurzzeitig kühlenden Wirkung von Aerosolen aus der fossilen Verbrennung, diese mildern zumindest vorübergehend die Wirkung der Emissionen. Wichtiger ist allerdings die langfristige Wirkung der Treibhausgase: CO2 bleibt sehr lange in der Atmosphäre, Methan wird immerhin innerhalb von rund 10 Jahren wieder abgebaut.

Und so kommt die Studie zum Schluss, dass selbst bei einer (unwahrscheinlichen) Reduzierung der Emissionen auf null im Jahre 2029 die 1,5 Grad-Grenze mit 66prozentiger Wahrscheinlichkeit überschritten wird, selbst wenn die Temperaturen später wieder sinken.

Zunächst schnellere Erwärmung nach Emissionsstopp – science.ORF.at

Alpen ergrünen

Klimawandel

Sogar vom Weltall aus ist sichtbar, dass die Alpen immer grüner werden. Das zeigt ein Vergleich von Satellitenbildern aus den Jahren 1984 bis 2021. Demnach erscheinen 80% der alpinen Fläche heute grüner als noch vor 40 Jahren. „Grünere Berge reflektieren weniger Sonnenlicht und führen daher zu einer weiteren Erwärmung – und damit zu einer weiteren Schrumpfung der reflektierenden Schneedecke“, so die Studienautorin Sabine Rumpf von der Universität Basel.

Ergrünen der Alpen vom All aus sichtbar – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Das Mikroplastik hat auch die Antarktis erreicht. In jeder einzelnen Probe haben Wissenschafter:innen kleine Plastikbestandteile im antarktischen Schnee nachgewiesen, vor allem PET und noch 12 weitere Polymere.

Umwelt: Mikroplastik im Schnee der Antarktis nachgewiesen – science.ORF.at

Libellen sind Profiteure der Erderwärmung. Der Bestand von Schmetterlingen und Heuschrecken nimmt in Summe hingegen ab, wie eine Analyse von 200 Insektenarten zeigt.

Manche Insekten profitieren von Erderwärmung – science.ORF.at

Reparatur der Zukunft

Tipp

Noch bis zum 20. Juni sucht die Ö1-Initiative „Reparatur der Zukunft“ nach Ideen für Klimainnovationen. Das kann ein nachhaltiger Salz-Vitalofen ebenso sein wie eine Secondhand-Kleidertausch-App oder ein Klimadashboard, das permanent dokumentiert, wo Österreich bei der Bewältigung der Klimakrise steht. Einreichungen in Form kurzer Videoclips sind in Deutsch und Englisch möglich. Eine Jury wird die originellsten Projekte auszeichnen. Interessante Ideen gehen auch im RADIOKOLLEG auf Sendung.

https://oe1.orf.at/zukunft

Grüne Haut gegen Hitzesommer in der Stadt

Hörtipp

24mal stieg die Temperatur in Wien oder Graz im vergangenen Sommer über 30 Grad. Städte sind besonders anfällig für Hitzetage, weil Asphalt und Beton die hohen Temperaturen besonders gut speichern und dann auch nachts abgeben. Ein Mittel gegen die Erhitzung der Stadt sind begrünte Dächer. Sie sind gleichzeitig Hitzeschild, Dämmung und Luftfilter, bringen aber auch Natur zurück in die Häuserfluchten. MOMENT-NACHHALTIG LEBEN zeigt in einer Reportage, wie grüne Wände und Dachbegrünungen das Mikroklima in der Stadt beeinflussen.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Klimaschutz = Naturschutz = Armutsbekämpfung

Und wieder liegt eine Murmeltierwoche hinter uns – mit der Wiederholung von Dingen, die wir schon oft gehört haben, die aber nicht oft genug gesagt werden können: Klimaschutz ist auch Armutsbekämpfung und Naturschutz. Die jüngsten Berichte des Weltklimarates haben auf diesen Zusammenhang hingewiesen, und diese Woche tun es auch Berichte des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung PIK und des WWF zusammen mit dem Roten Kreuz.

„Klimafolgen wie etwa Wetterextreme oder Folgen der Naturzerstörung erhöhen zum Beispiel die Risiken für die Landwirtschaft, also für die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern, für die Lebensmittelpreise, und letztlich für die Ernährung und Gesundheit aller“, sagt Björn Sörgel vom PIK. Umgekehrt machen eine gesunde Artenvielfalt und eine nachhaltige Bewirtschaftung die Lebensräume resilienter gegen klimatische Veränderungen.

„Gezielte Maßnahmen zum Schutz der Natur können klimabedingte Katastrophen um über ein Viertel verringern. Das würde nicht nur unzählige Menschenleben retten, sondern gerade in den ärmsten Regionen der Welt Schäden in Milliardenhöhe verhindern”, wie auch WWF-Programmleiterin Hanna Simons betont.

So sieht das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung die UN-Nachhaltigkeitsziele untrennbar mit den Pariser Klimazielen verbunden sowie mit den 2010 beschlossenen Aichi-Biodiversitätszielen. In keinem der drei Bereiche ist die internationale Staatengemeinschaft auf Kurs, um die Ziele auch tatsächlich zu erreichen.

Wie schon öfter angemerkt, gilt: Je reicher eine Gesellschaft bzw. eine Personengruppe innerhalb einer Gemeinschaft, umso mehr Klimaschäden richtet sie an. Begüterte fliegen etwa weitaus mehr als Menschen mit wenig finanziellem Spielraum. Deshalb verlangt der Klimaschutz auch nach Umverteilung: Als wichtiges Mittel der Umverteilung nennt das PIK eine CO2-Emissionsabgabe. Sie könnte an jene gehen, die treibhausgassparsam leben.

Aber selbst eine Bepreisung von Kohlendioxid ist keine Generallösung: Während Indien laut PIK damit einen Großteil der Mittel aufbringen könnte, die für das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele (u.a. Abschaffung von Armut und Hunger oder das Bereitstellen von leistbarer und sauberer Energie) nötig sind, wird Afrika dafür Milliardenhilfen brauchen.

Und so meint auch PIK Direktor Ottmar Edenhofer: „Es ist halt leider nichts kostenlos. Entweder wir zahlen weiterhin für die Schäden an Klima und Natur, und damit letztendlich auch für menschliches Leid. Oder wir zahlen für die Lösungen.“

PIK-Policy Paper: “Joint implementation of the Sustainable Development Goals, climate change mitigation and biosphere protection: Policy options for tackling multiple crises simultaneously”

WWF-Report: „Working with Nature to Protect People: How Nature-based Solutions Reduce Climate Change and Weather-Related Disasters“

G7 verabschieden sich von Kohlestrom

Energiewende I

Die größten Industrienationen der Welt (u.a. Deutschland, Frankreich und die USA) wollen bis 2035 Strom weitgehend CO2-frei erzeugen. Damit verbunden ist ein Ausstieg aus Kohlekraftwerken. Darauf haben sich die G7 in Berlin geeinigt. Auch ineffiziente und klimaschädliche Subventionen für fossile Energien sollen bis 2025 auslaufen.

Ambitioniert sind die Ziele auch beim Methan, das als etwa 25mal so klimaschädlich gilt wie Kohlendioxid. Sein Ausstoß (er kommt vor allem aus der Tierhaltung) soll weltweit bis 2030 um 34% sinken.

Die G7 haben sich auch darauf geeinigt, ärmere Länder bei der Energiewende und den Folgen der Erderwärmung zu unterstützen. Die Gelder, die Entwicklungsländer für die Anpassung an den Klimawandel erhalten, sollen bis 2025 gegenüber 2019 mindestens verdoppelt werden.

Als nächsten Schritt wollen die G7 die G20 ins Boot holen. Die G20-Staatengruppe verursacht 80% der weltweiten Emissionen.

Quelle: APA

Noch mehr Photovoltaikförderung

Energiewende II

Die Förderung für Photovoltaik wird um 40 Millionen Euro aufgestockt. Das hat das Klimaschutzministerium diese Woche bekanntgegeben. Mit den 40 Millionen der ersten Förderrunde wurden 11.000 PV-Anlagen unterstützt. Für die zweite Förderrunde ab 21. Juni stehen nach der Erhöhung 60 Millionen Euro zur Verfügung.

https://www.orf.at/#/stories/3268993/

Photovoltaikförderungen-Österreich

Der schwierige Weg zu nachhaltigem Kerosin

Energiewende III

Der Anteil der Flugbranche am CO2-Ausstoß der EU wird auf rund 3,8 Prozent geschätzt. Als Hoffnungsträger für „grüneres“ Fliegen gelten Sustainable Aviation Fuels (SAFs). Sie können beispielsweise aus gebrauchtem Speiseöl und Altfetten hergestellt werden.

Bereits in drei Jahren sollen alle EU-Staaten zumindest 2% des Kerosins durch SAFs ersetzen. Größere Mengen des nachhaltigeren Flugbenzins sind allerdings auch noch nicht verfügbar. Und zudem ist es fünf- bis neunmal so teuer wie das (nicht-besteuerte) fossile Kerosin.

Zum Klimawandel trägt übrigens nicht nur der enorme CO2-Ausstoß der Flugzeuge bei, sondern auch die Bildung von Kondensstreifen. Sie führen zur Bildung von Wolken, die wiederum zur planetaren Aufheizung beitragen.

https://orf.at/stories/3266129/

Kurz gemeldet

Die Stadt Paris will in ihren 1.300 Kantinen künftig an zwei Tagen pro Woche ausschließlich vegetarische Mahlzeiten servieren. Darüber hinaus sieht der Ernährungsplan des Stadtrats bis 2027 nur mehr nachhaltige Gerichte in den Pariser Krippen, Schulen, Altersheimen und kommunalen Betrieben vor.

https://www.orf.at/#/stories/3268961/

Knappes Holz

Hörtipp

Bäume formen unsere Landschaft, Holz unsere Kultur – vom Bauen bis zum Heizen. Dabei ist Holz weitaus mehr als ein Rohstoff für Gebäude und Energie. Es ist eine wertvolle Faser, für die sich mittlerweile viele Industriezweige interessieren. Wald ist auch ein riesiger Kohlenstoffspeicher und Teil der grünen Lunge dieses Planeten – und vielleicht auch deshalb viel zu schade zum Verbrennen, dauert es doch Jahrzehnte, bis ein neuer Baum nachgewachsen ist. Gleichzeitig wird der Rohstoff immer knapper. Was Europa nicht selbst decken kann und importieren muss, holzt man andernorts ab. Ein RADIOKOLLEG über eine unterschätzte und rarer werdende nachwachsende Ressource.

Wirtschaft – oe1.ORF.at

Nachhaltige Ernährung und nachhinkender Klimaschutz

Jüngst beim Tennistraining: Mein Doppelpartner Simon unterbricht plötzlich das Einschlagen, bückt sich und hebt vorsichtig ein Insekt auf. Dann trägt er es vom Spielfeld und setzt es in die Wiese. Früher wäre diese Art Umsicht als Blümchenromantik abgetan worden, nunmehr ist das genau jener Paradigmenwechsel, den wir brauchen. Wir müssen mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen sorgsamer umgehen als in den vergangenen Jahrzehnten. Das übertriebene Konsumieren der Natur ist zu einem ruinösen Ausbeutungssystem geworden, das sich in einer teils ruinösen, ausbeuterischen Arbeitswelt widerspiegelt.

Die individuelle Sorge für die Biosphäre im breitesten Sinn ersetzt zwar überhaupt keine politischen Weichenstellungen, aber sie kann jenen Druck aufbauen, den wir brauchen, um die Entscheidungsträger von der Dringlichkeit eines neuen Miteinander zu überzeugen. Deshalb hört man auch vielfach Rufe nach einem Systemwechsel.

Dass diese scheinbar pathetischen Plädoyers einen fundierten Hintergrund haben, zeigt diese Woche ein Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI. Es sieht ein Zeitalter der Risiken auf uns zukommen, für die unsere Entscheidungsträger überhaupt nicht vorbereitet seien. Bezeichnenderweise nennt SIPRI seinen Report „Umwelt des Friedens“. Anhand von Beispielen aus Afrika dokumentiert das Institut, wie etwa Dürren und Krieg ineinandergreifen. In Somalia hätten anhaltende Dürren und andere klimatische Veränderungen, verbunden mit Armut, viele Menschen in die Arme terroristischer Milizen getrieben. In Zentralamerika wiederum führten Auswirkungen der Klimakrise zu einer verstärkten Migration nach Nordamerika.

Das Umdenken beginnt also tatsächlich dort, wo wir nicht mehr achtlos auf unserer Mitwelt herumtrampeln, aber es darf damit keineswegs aufhören und muss noch das letzte Gesetz durchdringen.

Europa isst die Welt

WWF-Report

Europa importiert mehr Nahrungsmittel als es exportiert. Damit entzieht es anderen Regionen 11 Prozent der Kalorien und 26 Prozent der Proteine. Das dokumentiert der neue WWF-Report „Europe eats the world“. Europa ist nach China und den USA zwar der drittgrößte Nahrungsmittel- und Agrarexporteur, aber vor allem die Einfuhr von Tierfutter wie Soja führt zu einer negativen Kalorienbilanz.

Der WWF fordert mehr Nachhaltigkeit ein. So lande die Hälfte des Getreides als Futter zur Fleischerzeugung im Trog, anstatt als Lebensmittel auf dem Teller. Außerdem kritisiert der WWF, dass 15% der produzierten Nahrung schon kurz nach der Ernte verloren gehen – das sind 1,2 Milliarden Tonnen weltweit.

WWF: EU „teurer Supermarkt, nicht Kornkammer der Welt“ – news.ORF.at

Wie unser Ernährungssystem klimaneutral wird

Potsdam-Studie

Eine Eindämmung des Wachstums allein macht unser Ernährungssystem nicht nachhaltig. Diese Erkenntnis haben Forscher:innen des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung PIK anhand von Simulationen gewonnen. Ziel war es, effektive Maßnahmen zu finden, um die Nahrungsmittelproduktion emissionsneutral zu gestalten. Am effektivsten ist demnach eine „Kombination aus Ernährungsumstellung, Emissionsbepreisung und internationalen Einkommenstransfers“. Dies würde auch zu einer gesünderen Ernährung für die wachsende Weltbevölkerung führen. Einfach nur dem Degrowth-Gedanken zu folgen und zu reduzieren, reicht laut Benjamin Bodirsky vom PIK nicht aus. „Unser Ergebnis zeigt, dass das derzeitige Ernährungssystem im Grunde nie wirklich nachhaltig ist, egal mit welcher Wachstumsrate.“ Stattdessen müsse man das System selbst „von Grund auf verändern“.

Die Lebensmittelproduktion vom Acker bis zum Teller ist weltweit für rund ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich.

Nachhaltigkeit im Ernährungssystem: Nicht einfach weniger, sondern anders und besser — Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (pik-potsdam.de)

Österreich hinkt bei Klimazielen stark hinterher

EU-Kommission

Die in Österreich geplanten CO2-Reduktionen reichen nicht aus, um bis 2040 Klimaneutralität zu schaffen, so eine Kritik der EU-Kommission. Vor allem bei der Reduktion des Autoverkehrs passiere zu wenig. Es brauche einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs und bessere Alternativen zur Autonutzung. Allein bis 2030 muss Österreich seinen Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 2005 um 36% reduzieren. Laut Kommission könnte das Land dieses Ziel um bis zu 9% verfehlen.

Kommission: Österreich hinkt bei Klimazielen stark hinterher – news.ORF.at

Kurz gemeldet

Die internationale Fischerei verstärkt die Mangelernährung in einigen Weltgegenden, weil sie wichtige Nährstoffe umverteilt.

Globalisierung: Fischerei verstärkt Mangelernährung – science.ORF.at

Nachhaltige Waldbewirtschaftung

Hörtipp

Ein Baum braucht oft Generationen von Menschenleben, bis er ausgewachsen ist. Die Forstbäuer:innen müssen bei der Bewirtschaftung weit über ihr Leben hinausdenken.  Deshalb verwundert es nicht, dass der heute inflationär verwendete Begriff „Nachhaltigkeit“ aus der Forstwirtschaft stammt. „Nachhaltige Nutzung“ wurde schon vor mehr als 300 Jahren eingefordert, wie die fünfteilige Serie in der Reihe VOM LEBEN DER NATUR zeigt.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

„Mastjahre“ und gefährliche Spins

Diese Woche habe ich bei einem Gespräch mit dem Klima-Ökonomen Karl Steininger gelernt, dass eine globale Erwärmung von 1,5 Grad für Österreich wahrscheinlich 3 Grad bedeutet. Dazu kommen noch die Nachrichten, dass wir diese Grenze möglicherweise schon in diesem Jahrzehnt überschreiten, und zwar bis 2026, und nicht erst im kommenden Jahrzehnt.

Viele Klimaprognosen erweisen sich als zu optimistisch. 2015 hielt man es noch für ausgeschlossen, dass die 1,5 Grad-Grenze so schnell erreicht wird. Auch die Konferenz der Universitäten hat diese Woche von der Politik ein „radikales und sofortiges Umdenken“ in der Energie- und Wachstumspolitik gefordert.

Beruhigend ist das alles nicht. Was aber wirklich Emotionen (bei mir) hochgehen lässt, sind neue Spins, um die alten, eingefahrenen CO2-Pfade nur ja nicht verlassen zu müssen und weiter mit Pestiziden und fossil erzeugten Düngern Geschäfte treiben zu können. Da fordert der Chef des Schweizer Agrarkonzerns Syngenta, übrigens die Tochtergesellschaft eines chinesischen Mega-Unternehmens, tatsächlich die Abkehr vom Biolandbau. Er trage, so Erik Fyrwald, nicht nur zur Klimakrise bei, sondern auch zum Hunger auf der Welt.

Fyrwald, ein Donald Trump der industriellen Landwirtschaft, wurde mit seinen Schwurbeleien in jeder Menge deutschsprachiger Medien zitiert. Und damit ist der Schaden schon angerichtet.

Zur Erinnerung: Der Biolandbau verursacht halb so viele Klima- und Ökoschäden wie die industrielle Landwirtschaft. Er baut Humus auf, statt ihn zu vernichten. Und er muss keine Erdölprodukte ins Feld gießen, um Erträge zu erwirtschaften, die zugegebenermaßen um rund ein Fünftel geringer sind als jene aus dem chemischen Landbau. Aber selbst mit ausschließlich biologischer Landwirtschaft ließe sich die ganze Welt ernähren – wenn wir denn unseren Fleischkonsum deutlich reduzieren.

Ihr erboster

Franz Zeller

Überschreitung der 1,5-Grad-Schwelle bis 2026 möglich – news.ORF.at

2 Millionen Hektar Brachflächen für Agrarproduktion

Kritik an Freigabe

Als Reaktion auf die Getreidekrise durch den Ukraine-Krieg werden europaweit rund 2 Millionen Hektar Brachland für die landwirtschaftliche Nutzung freigegeben. Österreich hat bereits 9.000 Hektar umgewidmet. Umweltexperten kritisieren, dass damit wichtige Lebensräume beschädigt werden. Brachflächen sind Rückzugsorte für die unterschiedlichsten Tier- und Pflanzenarten. Das Rebhuhn braucht die nicht-bewirtschafteten Areale genauso wie Insekten, die dort Schutz finden vor den Pestiziden der industriellen Landwirtschaft.

Artenvielfalt: Kritik an Freigabe von Brachflächen – science.ORF.at

Rekordverdächtige Baumblüte

Mastjahr

Bei Bäumen kommt es in immer kürzeren Abständen zu sogenannten „Mastjahren“ – das sind Jahre mit besonders ausgeprägten Blütenmengen. Üblicherweise blühen etwa Apfelbäume alle zwei Jahre besonders stark, Eichen alle 6-12 Jahre und Nadelbäume im 7-Jahresabstand. 2022 wird ein besonders starkes Mastjahr werden, so der Naturschutzbund in einer Aussendung.

Rekordverdächtiges Baumblühen erwartet – noe.ORF.at

Temperatur der Woche

Texas

Nicht nur Indien und Pakistan kämpfen mit einer einzigartigen Hitzewelle. Auch den Texanern wird derzeit mächtig heiß. Am Samstag wurden in Texas fast 45 Grad Celsius gemessen. Auch Colorado und New Mexiko sind von der Rekordhitze betroffen.

https://www.washingtonpost.com/weather/2022/05/08/texas-record-heat-midwest/

Kurz gemeldet

30 Grad werden heutzutage um durchschnittlich zehn Tage früher erreicht als noch vor ein paar Jahrzehnten. Das zeigt eine Auswertung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ZAMG.

https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/erster-201e30er201c-immer-frueher-1

Seit dem Jahr 2000 sind Zahl und Dauern von Dürren global um rund 29 Prozent gestiegen, so die UNO in einem Bericht.

UNO-Bericht: Fast ein Drittel mehr Dürren seit 2000 – science.ORF.at

Zeigt man Menschen auf der Speisekarte, wie klimafreundlich das jeweilige Gericht ist, essen sie auch umweltverträglicher. Das hat eine Studie der Universität Würzburg nachgewiesen.

Weniger CO2 durch klimafreundliche Speisekarten – science.ORF.at

Streitfall Klimaschutz

Hörtipp

Um die steigenden CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre in den Griff zu kriegen, ist immer wieder vom Konzept der „Negativemissionen“ die Rede. Der Weg dorthin ist jedoch umstritten – das industrielle Entziehen aus der Luft wird ebenso angedacht wie natürliche Emissionssenken, etwa durch extensive Bepflanzungen. Dazu und über die Frage, ob Politik oder Individuen für den Klimaschutz verantwortlich sind und wie sozial gerechter Klimaschutz aussieht, spricht Juliane Nagiller mit den beiden Klimaforschern und IPCC-Autoren Keywan Riahi und Arnulf Grübler in den DIMENSIONEN.DISKUSSIONEN.

Streitfall Klimaschutz | DO | 12 05 2022 | 19:05 – oe1.ORF.at

Pilz-Proteine und gefährdete Haie

Es ist ein besonderer Moment, wenn Wissenschafter:innen plötzlich zu Aktivist:innen werden. Schließlich hat die Forschung vom Selbstverständnis her ja Distanz zu ihrem Gegenstand zu bewahren. Aber genau diese Wandlung hin zum Aktivismus ist in der Klimaforschung immer öfter zu beobachten.

Eine zentrale Figur des wissenschaftlich fundierten Protests ist Peter Kalmus. Auf Twitter folgen ihm unter dem Nickname @ClimateHuman 248.000 Menschen. Jüngst hat sich der NASA-Klimawissenschafter mit anderen an die Eingangstüren der JP Morgan Chase-Bank in Los Angeles gekettet, weil das Geldhaus neue fossile Projekte finanziert.

Wenn Menschen grundlegende Spielregeln ihrer Profession so radikal verändern und von Beobachtern zu Akteuren werden, muss es dafür starke Gründe geben. Der Wiener Politologe Reinhard Steurer diagnostiziert, es handle sich bei den Protesten „um eine angemessene Notwehrreaktion von jenen, die schon heute wissen, wie groß die Katastrophe in wenigen Jahren werden wird, wenn sich unser Kurs nicht grundlegend ändert.“

Noch ist Zeit, die Fieberkurve der Erde verhältnismäßig billig zu drosseln. „Die Kosten für die Emissionsreduktion sind relativ gering und jedenfalls niedriger als die Kosten, die die Auswirkungen der Erwärmung verursachen“, meinte etwa Keywan Riahi vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg in einem Webinar des Climate Change Center Austria (CCCA). Er ist Mitautor mehrerer IPCC-Berichte. Die Kosten liegen laut Riahi bis 2050 bei 2,6 bis 4,2 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei einer Eingrenzung der Erwärmung auf 1,5-Grad, und bei 1,3 bis 2,7 Prozent bei einem Zwei-Grad-Szenario. 

Wie die Wissenschafter:innen meinen, ist Klimaschutz ein Gewinn für alle. Eine relativ billige Maßnahme, die noch dazu jeden gesünder macht, besteht etwa in einer Hinwendung zu pflanzlicher Ernährung, wie sie am Beginn dieses Newsletters lesen.

Der Politikwissenschafter Steurer ist nur gedämpft optimistisch, was die realistische Einschätzung der Klimakrise betrifft. „Man muss kein Hellseher sein, um zu sehen, dass sich der Klimanotstand weiter zuspitzen und politische Reaktionen darauf unangemessen bleiben werden.“

Neues Phänomen: Klimaforscher rufen zu Protest auf – science.ORF.at

Umweltschutz durch Fleischreduktion

Ökologie

Wenn wir den globalen Rindfleischkonsum nur um 20% reduzieren und durch pflanzliche Alternativen ersetzen, können wir die nahrungsmittelbedingten Abholzungen bis 2050 weltweit halbieren. Die Verluste von Waldflächen sind für Umwelt und Klima ebenso ein Problem wie die Emissionen aus der Tierhaltung. Rund ein Drittel der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen kommt aus dem Bereich „Landwirtschaft und Ernährung“.

Um Menschen den Umstieg auf pflanzliche Produkte zu erleichtern, könnte man etwa auf mikrobielles Protein ausweichen. Es wird durch Fermentation (eine sehr alte Kulturtechnik) aus Pilzen gewonnen und ähnelt auch von der Textur her Fleisch.

Der Klimaforscher Florian Humpenöder vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat errechnet, dass dieser Fleischersatz zu einer drastischen Reduktion von Emissionen aus dem Agrarbereich führen würde. Ersetzt man nur 20% des Rindfleischs durch das mikrobielle Protein, lassen sich die landwirtschaftlich bedingten Treibhausgase bis 2050 halbieren.

https://science.orf.at/stories/3212935/

Haie gefährdet

Artensterben

Jede zweite Haiart ist vom Aussterben bedroht. Das berichtet die Tierschutzorganisation „International Fund for Animal Welfare“ (IFAW). Im vergangenen halben Jahrhundert ist der Haibestand auf offener See um 70% zurückgegangen. Daran ist einerseits der Handel mit Haifischfleisch und Haiflossen schuld, andererseits die Zerstörung von Lebensräumen wie Riffen.

Europa spielt beim Handel mit Haifischflossen eine unrühmliche Rolle. 2003 – 2020 kamen 28 Prozent der Flossenlieferungen nach Taiwan, Hongkong und Singapur – den Hauptumschlagplätzen – aus der EU, vor allem aus Spanien. Das sind pro Jahr mehr als 10.000 Tonnen.

Nur ein Viertel der Haiarten ist vom Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) erfasst. Es soll verhindern, dass Arten aufgrund des Handels aussterben.

Artenschutz: Jede zweite Haiart weltweit ist bedroht – science.ORF.at

TIPP: Spannendes Klima-Spiel für alle

„Schaffen Sie bis 2050 die Klimaneutralität?“ Das fragt die Financial Time in einem spannenden Simulations-Spiel mit dem Titel „Can you reach net zero by 2050?“ In diesem Browser-Game kann man sowohl politische und technische Maßnahmen setzen, um die Erderwärmung zu begrenzen, sich aber andererseits auch mit einer Aktivistin, einem Entrepreneur oder einer Politikerin verbünden, um an der Klimakrise arbeiten.

Ich habe im ersten Anlauf mit 1,56 Grad-Erwärmung das 1,5 Grad-Ziel übrigens knapp verfehlt. Aber ich probiere es wieder.

The Climate Game — Can you reach net zero? (ft.com)

Kurz gemeldet

Österreich könnte laut einer Analyse der Österreichischen Energieagentur bis 2027 von russischem Gas unabhängig werden. Dazu müsste u.a. der Energieverbrauch durch Effizienzmaßnahmen um ein Drittel gesenkt werden und die Erzeugung von erneuerbaren Gasen auf 14 Terrawattstunden steigen, während die inländische Erdgasförderung (10 Terrawattstunden) gleichbleibt.

Unabhaengigkeit_von_Gas_aus_Russland_Analyse_AEA_26-04-2022.pdf (energyagency.at)

Wie Humus zum Klimaschutz beiträgt

Hörtipp

Boden ist ein Kohlenstoffspeicher. Und ein riesiger Lebensraum. In einem Gramm Boden finden sich bis zu 10 Milliarden mikrobielle Zellen. Sie bauen Pflanzenreste ab und integrieren sie wieder in die Erde, die so besonders fruchtbar wird. Was wir Humus nennen, sind Reste und Abbauprodukte der Mikroorganismen. Für den nachhaltigen Ackerbau spielt der Humus eine besondere Rolle. Gleichzeitig hat das Bodenleben im Schnitt in den letzten Jahrzehnten abgenommen – ähnlich wie die Zahl der Insekten und Pflanzen auf intensiv landwirtschaftlich bearbeiteten Flächen. Wie man den Humusgehalt im Boden erhöhen kann und wo die Grenzen des Humusaufbaus liegen, zeigen die DIMENSIONEN zum Thema „Lebendiger Boden“. Eine Zusammenfassung der Sendung ist auch auf science.orf.at nachzulesen.

http://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Böden: Wie Humus zum Klimaschutz beiträgt – science.ORF.at

Lebendiger Boden, 03.05. | Ö1 | ORF-Radiothek

Schein-Klimaschutz, planetare Grenzen und schnelle Mode

Textilien werden im Schnitt weit unter zehnmal getragen. Das sagt der Vorstand des Instituts für Nachhaltigkeitsmanagement an der TU Wien, Andre Martinuzzi. Da ich Modehäuser als die weltliche Version der Vorhölle empfinde, machen mich derlei Statistiken nachgerade fassungslos. Eines meiner ältesten T-Shirts habe ich 2012 in Panama gekauft, und es dürfte qualitativ tatsächlich top sein, da es die Peinlichkeitsschwelle noch immer deutlich unterschreitet.

In PUNKT EINS war diese Woche zu hören, dass Online-Versandhäuser textile Retouren vernichten, weil dies billiger kommt, als die Kleidung auf Lager zu legen. Und gekauft wird auf Anschlag. „Österreicher:innen kaufen derzeit durchschnittlich 60 Kleidungsstücke pro Jahr, und gleichzeitig hat sich die Dauer, die die Kleidung getragen wird, ganz stark verkürzt. Gut 20 Prozent der Kleidung wird gar nie und bis zu 40 Prozent der Kleidung sehr selten getragen“, meinte die Umweltsoziologin Mirjam Mock in der Sendung.

Fast Fashion ist zu einem veritablen Umwelt- und Klimaproblem geworden. Manche Modelabels bringen im Wochenabstand neue Kollektionen heraus, zu Preisen, die die planetaren Kosten überhaupt nicht abbilden. Schätzungen gehen davon aus, dass ein Drittel aller produzierten Textilien überhaupt nie auf den Markt kommt, sondern ungetragen verbrannt oder anders vernichtet wird.

Die Produktion von einem Kilogramm Baumwolle benötigt drei Kilogramm Chemikalien. Weltweit verschlingt die Textilproduktion vier Prozent des Wasserbedarfs oder 100 Milliarden Kubikmeter jährlich. Mit Stand 2019 emittierte die Textilindustrie jährlich 1,2 Milliarden Tonnen CO2, mehr als die gesamte Luftfahrt (0,9 Mrd. Tonnen). Insgesamt ist die Modebranche mit 8 Prozent am Treibhausgasausstoß beteiligt.  

Und dabei sprechen wir noch gar nicht von den unmittelbaren menschlichen Kosten durch die miserablen Arbeitsbedingungen und die Ausbeutung der Textilarbeiter:innen in Billiglohnländern. Menschliches Leid und ökologische Zerstörung gehen wie so oft Hand in Hand. Durch das Missverstehen von Kleidung als Wegwerfprodukt, machen sich auch die Konsument:innen mitschuldig.

Um Mode nachhaltiger zu machen, hat die EU Ende März eine „Initiative für nachhaltige Produkte“ gestartet, die die desaströse Fast Fashion bis 2030 verschwinden lassen soll. Mehr dazu im ersten Beitrag dieses Newsletters.

https://oe1.orf.at/player/20220427/676131

Aus für Fast Fashion

EU-Initiative

Um mehr Bewusstsein für die verheerenden Folgen von Billigmode zu schaffen, will die EU Textilien u.a. mit verpflichtenden Angaben zur Halt- und Wiederverwertbarkeit versehen, ebenso über die Nachhaltigkeit der Produktion. Die Initiative ist Teil der Kommissions-Pläne für eine Kreislaufwirtschaft, die nicht ständig neue Rohstoffe anzapfen und verschlingen muss. Durch Recycling und Reparierbarkeit soll der Ressourcenverbrauch von Textilien drastisch gesenkt werden. Jeder Europäer verbraucht allein über die Textilien, die er durchschnittlich pro Jahr kauft, 9.000 Liter Wasser.

Neue EU-Strategie: Der Anfang vom Ende für „Fast Fashion“ – news.ORF.at

Sechste Planetare Grenze überschritten

Süßwasser

Von den borealen Wäldern bis zu den Tropfen, auf Ackerflächen wie in Wäldern, verändert sich die Bodenfeuchtigkeit. Sie werden zunehmend extrem feucht oder extrem trocken. Dies bringt zum Beispiel den Amazonas-Regenwald nahe an einen Kipppunkt. Das Stockholm Resilience Center und das Potsdamer PIK schätzen die Veränderung des Süßwasserhaushalts als dermaßen gravierend ein, dass sie damit eine planetare Grenze überschritten sehen, weil damit die lebenserhaltenden Systeme der Erde bedroht sind. Hauptautorin Lan Wang-Erlandsson bezeichnet Wasser als den „Blutkreislauf der Biosphäre.“

Wasser ist einer der neun Regulatoren für den Zustand des Erdsystems und die sechste Grenze, deren Überschreitung Forschende festgestellt haben. Andere überschrittene Grenzen sind: Klimawandel, Integrität der Biosphäre, biogeochemische Kreisläufe, Veränderung des Landsystems und, im Jahr 2022, neuartige Stoffe, zu denen Plastik und andere vom Menschen hergestellte Chemikalien gehören, wie das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung in einer Aussendung schreibt.

Update planetare Grenzen: Grenze für Süsswasser überschritten — Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (pik-potsdam.de)

Wort der Woche

„Schein-Klimaschutz“

„Wir sind nach wie vor katastrophal in die falsche Richtung unterwegs.“ Das meinte diese Woche Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der BOKU. Im Klimaschutz würden in der österreichischen Politik Etikettenschwindel, Schönreden und (Selbst-)Täuschung regieren.

„Wir wählen regelmäßig Scheinklimaschutz“, so der Politologe, „im Supermarkt wie bei politischen Wahlen.“ Auch der von Österreich für 2040 versprochenen Klimaneutralität räumten die Expert:innen angesichts der gegenwärtig umgesetzten Maßnahmen nur geringe Chancen auf Realisierung ein. Verbrauchsreduktion und Energiesparen müssten ebenso zu einem Thema werden wie ein Umdenken beim größten Sorgenkind der Klimapolitik, der Mobilität.

„Scheinklimaschutz“ statt echter Maßnahmen – science.ORF.at

50 Grad in Indien

Rekord der Woche

Der März war der zweitheißeste des Subkontinents seit 120 Jahren, ähnliches gilt für April. Die begleitende Trockenheit lieferte auch nur ein Drittel bis ein Viertel der üblichen Regenmengen. Durch die Hitzewelle schrumpft Indiens Weizenproduktion. Sollte sich Indien nicht mehr selbst mit Getreide versorgen können, würde dies zusätzlich zur Weizen-Knappheit durch den Ukraine-Krieg Druck auf den Weltmarkt ausüben.

Der Deutsche Wetterdienst beschreibt Indien als einen der Hotspots des globalen Klimawandels. Als Folge der Erderhitzung nimmt die Zahl von Extremwetter-Ereignissen seit Jahren zu. In den 1980er Jahren gab es in Indien im Schnitt 41 Tage pro Jahr mit Temperaturen über 40 Grad, in den 2010er Jahren waren es bereits 60. In den nächsten Tagen könnte die Hitze in manchen Teilen Indiens und Pakistans die 50 Grad-Grenze überschreiten.

https://orf.at/stories/3262076/

Tipp

„Was müssen wir heute tun, um morgen in einer klimagesunden Zukunft zu leben?“ Mit dieser Frage hat sich der aus rund 100 Bürger:innen bestehende österreichische Klimarat in bislang vier Zusammentreffen beschäftigt. Nun fragt der Klimarat die Menschen in Österreich um ihre Meinung zu den Themen Ernährung und Landnutzung, Mobilität, Wohnen, Produktion und Konsum sowie Energie. Seit dem 27. April kann man sich über klimarat.org an der Diskussion beteiligen bzw. über vorgeschlagene Maßnahmen abstimmen.

Der Klimarat

Schwarze Bänder mit Reise-Geschichte

Hörtipp

Straßen sind Bodenfresser und, wenn befahren, meist indirekt auch Dreckschleudern.Manchmal tituliert man sie euphemistisch einfach um, wenn aus einer Autobahn eine Stadtstraße wird.Andererseits können sie selber eine Attraktion sein.AMBIENTEporträtiert die Westautobahn, die Großglockner Hochalpenstraße und die Salzburger Getreidegasse.

https://oe1.orf.at/player/20220424/675957

Vorzeichen eines Infarkts

„47 Prozent der natürlichen Ökosysteme sind durch die menschliche Nutzung stark geschädigt oder in einem schlechten Zustand.“ Das sagt Kirsten Thonicke vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Und Klimaschutz und Gesundheit der Ökosysteme gehen Hand in Hand, wie auch der jüngste IPCC-Report betont hat.

Alarmierende Daten kamen zuletzt aus dem Amazonas-Regenwald. In manchen Teilen setzt er bereits mehr Kohlendioxid frei als er aufnimmt, verliert also zunehmend seine Funktion als CO2-Senke. So sollen bereits 20% des Amazonas-Regenwaldes abgeholzt worden sein. Bereits dieser Verlust führt zu Dürren im Regenwald, wie der Innsbrucker Ökologe Michael Bahn diese Woche in der Sendung PUNKT EINS betont hat.

Der Regenwald hat die Fähigkeit, sich selbst mit Wasser zu versorgen. Die Feuchtigkeit, die vom Atlantik hereinkommt, wird laut Bahn mehrmals verdunstet und so auch in entlegene Gebiete transportiert. Funktioniert dieser Transport durch die Schädigung des Regenwaldes etwa aufgrund von Brandrodungen und Abholzung nicht mehr, verwandeln sich sensible Regionen in Savannen. Als erstes wird es Gebiete im südlichen und östlichen Teil des Amazonas-Regenwaldes treffen, so der Ökologe.

Thonicke wie Bahn sind sich einig, dass der Kipppunkt des Amazonas-Regenwaldes bedrohlich näher rückt und sich deutliche Zeichen eines ökologischen Zusammenbruchs zeigen. Folgt man dem Vergleich, wonach dieser Regenwald mit einer Fläche doppelt so groß wie Indien die grüne Lunge des Planeten ist, dann steht der Globus vor einem Lungeninfarkt. Die in Glasgow verabschiedete Absichtserklärung der Staatengemeinschaft, die Entwaldung bis 2030 global zu stoppen, könnte schon zu spät kommen.

Der Beginn des Newsletters führt sie allerdings in den Mikrokosmos.

Vielleicht kennen Sie mein Faible für Insekten schon. Die Sechsbeiner taugen selten einmal als „Flaggentiere“ für Kampagnen von Umwelt-NGOs und laufen meist unter unserer Wahrnehmungsschwelle durch. Und wenn nicht, rücken wir ihnen fatalerweise mit einer Fliegenklatsche zu Leibe oder zertrampeln sie respektlos. Dabei stehen Insekten an der Basis unserer Ökosysteme und sind bei genauem Hinsehen mindestens so spannend wie der Sibirische Tiger. Wie es ihnen weltweit an den Kragen geht, erfahren Sie im ersten Beitrag dieses Newsletters.

Ihr

Franz Zeller

https://science.orf.at/stories/3210530/

Industrielle Landwirtschaft und Erderwärmung sind mörderisch für Insekten

Artensterben

In Kombination sind Erderwärmung und industrielle Landwirtschaft besonders tödlich für Insekten. Von 1992 bis 2012 haben sich ihre Bestände auf den intensiv agrarisch genutzten Flächen halbiert. Auch die Artenvielfalt ist dort um rund 30 Prozent zurückgegangen. Das zeigt eine jüngst in Nature veröffentlichte Studie, die Daten von 6.000 Lebensräumen weltweit gesammelt hat. Auf naturnahen Flächen sanken die Insektenpopulationen im Vergleich nur um rund 7 Prozent.

Insektensterben: Fatale Kombi aus Erderwärmung und Landwirtschaft – science.ORF.at

Geoengineering verlagert Malariarisiko

Klima-Fummelei

Ein chemisches Sonnensegel in der Stratosphäre: So etwa könnte man die Vision umschreiben, Teile der Erde durch Beschattung abzukühlen. Techniker:innen überlegen, in 20 Kilometer Höhe Schwefelpartikel zu versprühen, die das Sonnenlicht ins Weltall reflektieren.

Dass dieses Konzept mehr als riskant ist, zeigen Simulationen der Georgetown University in Washington, DC. Durch das solare Geoengineering könnte das Malaria-Risiko im globalen Süden umverteilt werden. So würde etwa Indien von der Abschattung profitieren, dafür würden die Malariafälle in Südostasien zunehmen. Insgesamt wäre mit dem chemischen Sonnenschirm trotzdem eine Milliarde Menschen mehr der Krankheitsübertragung durch die Anopheles-Mücke ausgesetzt.

https://science.orf.at/stories/3212652/

Tipp

Wie das Wetter in Österreich 2021 klimatologisch einzuordnen ist, erfährt man im „Klimastatusbericht“, auch aufgeschlüsselt nach Bundesländern.

Kurz gemeldet

Das Meereis der Antarktis ist auf dem tiefsten Stand seit dem Beginn der Aufzeichnungen Ende der 1970er Jahre. Erstmals schrumpfte die Fläche des antarktischen Eises im Februar auf weniger als 2 Millionen Quadratkilometer.

Schmelze: Meereis in Antarktis auf niedrigstem Stand – science.ORF.at

Selbst mit Klimaschutzmaßnahmen wird die Schneedecke auf 1000 Meter Seehöhe Ende des Jahrhunderts um drei Wochen kürzer liegen bleiben. Ohne Bremsen der Erwärmung nimmt sie bis 2100 auf dieser Seehöhe um 80 Prozent ab. Auch künstliche Beschneiung wird aufgrund steigender Temperaturen oft nicht mehr möglich sein.

https://science.orf.at/stories/3212657/

Der Lebensraum von Hochgebirgsvögeln schrumpft durch die Erderhitzung. Am stärksten ist das Alpenschneehuhn davon betroffen, mit einem Flächenverlust von bis zu 59 Prozent.

https://science.orf.at/stories/3212662/

Hörtipps

Negativemissionen

Selbst der Weltklimarat prophezeit, dass wir nicht ohne Negativemissionen auskommen werden, also ohne die großtechnische Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Wie das aussehen könnte, behandelt der Physiker Florian Aigner diese Woche in seiner Podcast-Kolumne AIGNERS UNIVERSUM.

https://radiothek.orf.at/podcasts/oe1/aigners-universum

Dezentral und grün: Energiesysteme im Wandel

Unser Stromnetz ist weitaus sensibler, als wir Endverbraucher:innen das glauben. Vor allem wurde es für wenige Großerzeuger wie Donaukraftwerke gebaut und ist (noch immer) nicht für viele kleine, dezentrale und erneuerbare Energielieferanten wie Photovoltaik und Windräder ausgelegt. Vor welchen Herausforderungen die Leitungen stehen, dokumentieren die DIMENSIONEN in einer Reportage unter anderem aus der Steuerzentrale des überregionalen Stromnetzes.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/wirtschaft

Methan-Spitze

15.4.2022

Im Grunde könnte ich jeden Newsletter im Stil von Wolf Haas und seinem (Anti-)Helden Brenner beginnen: „Jetzt ist schon wieder was passiert!“ Diesmal ist ein neuer Methan-Rekord passiert. Andererseits löst ständig irgendein Klima-Rekord einen anderen ab. Es braucht manchmal etwas emotionale Beherrschung, nicht dagegen abzustumpfen. So habe ich den zweithöchsten Methan-Wert der Geschichte in einem science.orf.at-Artikel aus dem Juli 2020 gefunden.

Methan baut sich in der Atmosphäre zwar viel schneller ab als Kohlendioxid. Über 20 Jahre gerechnet ist seine Treibhaus-Wirkung aber 80mal stärker als jene von CO2.

Woher der jüngste Rekord genau kommt, ist unklar. Bekannte Quellen sind die Viehzucht, fossile Brennstoffe, Erdgaslecks oder Deponien. Erreichen die Permafrostböden den drohenden Kipppunkt, werden auch sie große Mengen Methan emittieren.

Seit der vorindustriellen Zeit ist der Gehalt in der Atmosphäre jedenfalls auf mehr als das zweieinhalbfache gestiegen. 2021 war das Jahr mit dem stärksten Anstieg in der Messhistorie.

Feiertagsbedingt habe ich diesmal den News-Teil eher kurz gehalten und empfehle Ihnen stattdessen eine Reihe sehr lohnender Sendungen rund um Klima und Nachhaltigkeit – von einem Hörbild über persönliche Erfahrungen mit dem Klimawandel bis hin zu DIMENSIONEN über Natur aus zweiter Hand.

Stärkster Methananstieg seit Beginn der Messungen – news.ORF.at

Methan – die unerkannte Gefahr – oe1.ORF.at

Waldschädlinge werden aggressiver

Erderhitzung

Durch den Klimawandel nehmen Extremwetter wie Dürren zu. Je öfter ein Baum an Wassermangel leidet, umso anfälliger wird er für Insekten. So hat die Zahl der Nadelwälder in Europa, die durch Insektenbefall abgestorben sind, laut einer neuen Studie in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Widerstandsfähigkeit von Wäldern etwa gegen den Borkenkäfer hängt fast ausschließlich von der Anzahl und Dauer der erlebten Trockenheitsphasen ab. Gleichzeitig begünstigt die Erderwärmung auch die Vermehrung von Schädlingen wie Kieferborkenkäfern. Von den tausenden untersuchten Nadelbäumen waren 30% von holzbohrenden Käfern befallen.

Waldschädlinge werden aggressiver – science.ORF.at

Nur mehr 2-Grad-Ziel machbar?

Wackelige Prognose

Wenn alle Regierungen ihre bisher gemachten Zusagen für Klimaschutzmaßnahmen einhalten, ist zumindest das 2-Grad-Ziel erreichbar. Das meint ein internationales Forscher:innen-Team in einer Studie, die in Nature publiziert wurde. Andere Wissenschafter:innen kritisieren die Ergebnisse allerdings als zu optimistisch. So geben auch die Studien-Autor:innen selbst nur eine Wahrscheinlichkeit von 48-58% für die Richtigkeit ihrer Prognose an.

Einerseits seien die Angaben von Regierungen oft sehr vage, andererseits seien Faktoren wie Änderungen in der Landnutzung oder die Abholzung der Regenwälder nur schwer kalkulierbar.

Gängige Prognosen gehen auf Basis der derzeitig zugesagten Klimaschutzmaßnahmen von einer Erwärmung über 3 Grad aus.

Klimaerwärmung: Zwei-Grad-Ziel erreichbar – wenn alle Zusagen einhalten – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Der Internationale Währungsfonds (IWF) wird einen rund 41 Milliarden Euro schweren Fonds schaffen, um vor allem ärmeren und Schwellenländern bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Die Förderung soll ab Oktober verfügbar sein.

IWF will 45-Mrd.-Fonds für Auswirkungen des Klimawandels – news.ORF.at

Hörtipps

Klimakrise – eine persönliche Annäherung

Als Elisabeth Weilenmann 2017 erstmals von irreversiblen Kipppunkten im ökologischen System hört, ist das ein Schock für sie. Es ist der Sommer, in dem sich Greta Thunberg aus Sorge um die Erderwärmung auf die Straße setzt. Zuerst versucht sich Weilenmann mit privatem Engagement – Einkaufen im Bio-Markt oder Teilnahme bei Demonstrationen – von ihren Ängsten zu befreien. Aber nicht immer gelingt die Loslösung von der erdrückenden Kraft apokalyptischer Szenarien. Aus ihrem Erleben der Klimakrise zwischen Resignation und Hoffnung hat die Autorin u.a. über Gespräche mit ihrem Vater sehr persönliche HÖRBILDER gemacht.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/klima

Klimarettung Elektromobilität?

Vielen erscheinen Elektroautos als Lösung aller Umwelt- und Klimaprobleme. Tatsächlich ist ein E-Mobil – je nach Größe – schon nach 25.000 oder 30.000 Kilometern ökologischer als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Ab diesem Zeitpunkt hat es seine aufgrund der Batterie höheren CO2-Emissionen bei der Erzeugung sozusagen abgedient. Gleichzeitig gibt es weitaus effektivere Formen des Transports, zum Beispiel den öffentlichen Verkehr. Sabine Nikolay beleuchtet in einem vierteiligen RADIOKOLLEG Licht- und Schattenseiten der Elektromobilität.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Natur aus zweiter Hand

Kiesgruben können zu einem Totalverlust von Natur führen, bei sorgsamer Renaturierung aber auch zu Biodiversitäts-Hotspots werden. Kathrin Horvath zeigt in den DIMENSIONEN, dass sich in den Abbaustätten sogar seltene und gefährdete Arten ansiedeln. Für Amphibien wie die Gelbbauchunke oder die Knoblauchkröte müssen die Kiesgrubenbetreiber allerdings Flachwasserzonen herstellen oder Abbruchkanten mit Brutröhren der spatzengroßen Uferschwalbe eine Weile unbewirtschaftet lassen.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Österreichs Industrie und der Gasausstieg

Ein JOURNAL PANORAMA zeigt in einer Reportage, wie stark etwa Papier-, Aluminium- oder Zementindustrie von der Gasversorgung abhängig sind.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/wirtschaft

Systemwende jetzt

8. April 2022

Das mediale Echo auf den dieswöchigen Bericht des Weltklimarats war „verhalten“, um es freundlich auszudrücken. Langfristige Entwicklungen verlangen Wiederholungen. Das ermüdet, im Vergleich zur adrenalingeladenen Aufregung durch punktuelle, chronikale Ereignisse. Auch wenn Aufregung angesichts des dritten Teils des 6. IPCC-Reports zu „Mitigation of Climate Change“ mehr als angemessen gewesen wäre. Deshalb hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung.

Im Bericht haben sich die rund 300 Autor:innen mit den Maßnahmen beschäftigt, die zur Eindämmung der Erderwärmung dringend nötig sind. Immerhin war der Treibhausgasausstoß zwischen 2010 und 2019 so hoch wie noch nie zuvor in der Geschichte, auch wenn sich die Wachstumsraten verlangsamt haben. So ist bis 2030 eine CO2-Reduktion (bzw. seiner Äquivalente) von 43 Prozent notwendig, bei einem angenommenen Emissionshöhepunkt im Jahr 2025. (Die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung verursachen übrigens 40 Prozent der weltweiten Treibhausgase.) Geht es ohne neue Maßnahmen weiter, ist die Erde im Jahr 2100 wahrscheinlich um 3,2 Grad wärmer.

Was ist aber nun zu tun?  Unsere Energieerzeugung muss wegkommen von fossilen Rohstoffen. Die Chance dazu ist längst da. Immerhin sind die Kosten für Solarenergie und Lithium-Ionen-Batterien seit 2010 um 85 Prozent gesunken, jene für Windanlagen um 55 Prozent. Auch Industriebetriebe können ihre Prozesse weg von Erdgas, hin zu erneuerbaren Gasen, etwa Wasserstoff, umstellen. Das sei zwar „herausfordernd, aber möglich.“

Ein großes Potential sieht der Bericht in Städten, etwa durch Umstieg auf Elektromobilität, aber auch im Gebäudebau. Durch klimafreundliche Neubauten und Renovierungen könnten bis 2050 rund 42 Prozent der Gebäudeemissionen eingespart werden.

Großes Potential hat auch die Landwirtschaft. Biologische und mit Kompost gedüngte Felder binden etwa 1.700 Kilogramm CO2 pro Hektar und Jahr, wie ich diese Woche in Ilse Hubers DIMENSIONEN über Biostädte gelernt habe. Mit Kunstdünger behandelte Flächen emittieren hingegen 2.000 Kilogramm. Es fehlt also nicht an Alternativen.

Der Weltklimarat hat übrigens auch vorgerechnet, dass ein großer Teil der notwendigen Maßnahmen relativ billig zu erreichen ist. So liegen die Kosten pro vermiedener Tonne Kohlendioxid unter 100 Euro, wenn wir den Treibhausgasausstoß bis 2030 auf die Hälfte von 2019 reduzieren wollen. Ein großer Anteil dieser Klimaschutzmaßnahmen komme zu einem Preis von unter 20 Euro „aus der Wind- und Solarenergie, von Verbesserungen der Energieeffizienz, weniger Zerstörung ökologischer Ressourcen und der Reduktion von Methan-Emissionen aus Kohle, Öl, Gas und Abfall.“

Und auch wenn es vor allem politischer Konzepte bedarf, um uns vor einem heißen Globus zu bewahren: Verhaltensänderungen, etwa durch weniger Fleischkonsum oder eine stärkere Nutzung von öffentlichem Verkehr, könnten den privaten Treibhausgasausstoß bis 2050 um 40 – 70 Prozent verringern.

Kosmetische Maßnahmen werden es allerdings nicht tun. Wir brauchen einen „Systemwandel“, wie der Südtiroler Klimaforscher Georg Kaser meinte. Denn die Zeit drängt. Wollen wir auch nur in die Nähe des 1,5 Grad-Ziels kommen, müssen wir bis 2050 klimaneutral sein. Lassen wir uns auf das 2 Grad-Experiment ein, haben wir noch bis 2070 Zeit.

Ich habe dieser Einleitung diesmal eine Menge unterschiedlichster Quellen und Kurzfassungen, von orf.on bis zu den scientists4future, angehängt. Einfach, weil es sich lohnt, sich mehr als nur ein paar Minuten mit unserer Zukunft zu beschäftigen.

Ihr

Franz Zeller

https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg3/

https://orf.at/stories/3257937/

https://science.orf.at/stories/3212384/

„Jetzt oder nie“: Klimabericht fordert radikale Einsparungen – news.ORF.at

Weltklimarat fordert sofortige drastische Einsparungen – Spektrum der Wissenschaft

https://www.bbc.com/news/science-environment-60984663

„Negativemissionen“

Kunstwort der Woche

Von Negativemissionen spricht man, wenn CO2 wieder aus der Atmosphäre geholt wird. Das braucht aber Energie und außerdem Platz, um es sicher zu speichern. Da wir laut IPCC-Autor:innen nur mehr eine Dekade haben, um den Klimaschutz auf Schiene zu bringen, könnten Negativemissionen zu einer Art Notfallprogramm werden, mit dessen Hilfe wir morgen die Treibhausgase von heute teuer wieder entfernen. Dass für die privatwirtschaftlichen Gewinne in der Gegenwart, in der Zukunft die Allgemeinheit zahlen wird müssen, ist absehbar.

Klimaerwärmung: Negativemissionen als Lösungsansatz – science.ORF.at

Hitze macht krank

2 Studien und 1 Kommentar

Zwischen 2030 und 2050 wird es weltweit jährlich 250.000 zusätzliche Todesfälle geben, die mit der Erderwärmung zu tun haben, so die WHO. Sie werden vor allem auf das Konto von Mangelernährung, Malaria, Durchfall und Hitzestress gehen.

Die Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe fördert zum Beispiel die Verbreitung von krankmachenden Pilzsporen oder verschlechtert die Gehirnleistung und die Lungenfunktion.

Extreme Temperaturen erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit eines Hitzeschlags sowie von Herz-Kreislauf- oder Nierenproblemen. Gleichzeitig verbreiten sich im wärmeren Klima Mosquitos, Zecken und andere krankmachende Insekten stärker, weshalb neben Malaria auch das West Nil- oder Chikungunya-Fieber häufiger werden könnten.

Laut einem Bericht vom Mai 2021 sind auch die Kosten aus diesen Krankheitsfällen erheblich. Sie sollen in den USA schon derzeit bei 800 Milliarden jährlich liegen.

https://www.the-scientist.com/critic-at-large/opinion-climate-change-is-dangerous-to-your-health-69801

Wie ganz neue Daten der WHO aus Afrika zeigen, waren 56 Prozent der zwischen 2001 und 2022 untersuchten gesundheitlichen Notfälle klimabedingt. 40% davon verursachten Krankheiten, die über das Wasser übertragen werden. Bei Kindern unter 5 Jahren sind Durchfallerkrankungen die dritthäufigste Todesursache. „Durch Mücken oder Zecken übertragene Krankheiten – insbesondere Gelbfieber – machten demnach 28 Prozent der klimabedingten Notfälle aus“, schreibt science.orf.at.

https://orf.at/stories/3258268/

An Tagen mit extremer Hitze (im Schnitt 34 Grad Celsius) suchen 66 Prozent mehr Menschen die Notfall-Ambulanzen von Spitälern auf als bei normalen Temperaturen. Das zeigt eine im British Medical Journal veröffentlichte Studie. Das Team dahinter hat dazu Daten von 70 Millionen Menschen aus den USA und 22 Millionen Ambulanzbesuchen ausgewertet. Überraschenderweise war die Altersgruppe zwischen 18 und 64 mehr von der Hitze betroffen als ältere Menschen.

Kurz gemeldet

Ozonschwund in der Höhe und ein Übermaß an bodennahem Ozon heizen das Südpolarmeer auf. Die beiden Phänomene sind für 30 Prozent seiner Erwärmung verantwortlich.

https://science.orf.at/stories/3212325/

Österreich hat bereits am 6. April seinen individuellen „Welterschöpfungstag“ erreicht. Das ist jener Zeitpunkt, an dem das Land jene Ressourcen aufgebraucht hat, die ihm im Sinne der Nachhaltigkeit zustehen. Der globale Welterschöpfungstag fällt gewöhnlich in den Juli. In den besonders verschwenderischen USA liegt er Anfang März, am spätesten begeht ihn am 20. Dezember Jamaika.

Österreich hat „Welterschöpfungstag“ erreicht – news.ORF.at

Nachhaltige Landwirtschafts- und Mobilitätsprojekte

Hörtipp

„Market Gardens“ sind kleine landwirtschaftliche Flächen, auf denen eine Vielfalt an Obst, Gemüse und Pflanzen angebaut werden kann. In den letzten Jahren wurde diese Tradition aus dem 19. Jahrhundert wiederbelebt. Gärtner:innen kultivieren auf den Miniflächen Pflanzen und vermarkten sie lokal – bei sehr guten Erträgen.

Die Market Gardens sind eines von mehreren klimainnovativen Projekten, die das RADIOKOLLEG aus der Ö1-Initiative REPARATUR DER ZUKUNFT präsentiert.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Wärmere Ozeane sind lauter

  1. April 2022

Der Mensch kann schlecht mit Unsicherheit umgehen. Wir lieben Gewissheiten. Die können uns aber nur Religionen geben, so fragwürdig auch immer sie sein mögen. Zu den zentralen Spielregeln der Wissenschaft hingegen gehört, dass ihre Erkenntnisse immer widerlegbar sein müssen – und manchmal auch widerlegt werden. Manche rechnen ihr das als Schwäche an. Dabei ist das genau die Stärke der Wissenschaft.

Auch in der Klimaforschung haben sich manche Voraussagen verändert. Leider nicht unbedingt in jene Richtung, die zu unserer Entspannung beitragen würden. Bereits 2001 wurde im 3. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC die Möglichkeit von Kipppunkten in unserer Atmosphäre und unseren Ökosystemen angesprochen – das sind jene Momente, ab denen ein Ereignis wie das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes unumkehrbar wird.

2008 hat der deutsche Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber mehr als ein Dutzend solcher tipping points aufgrund der Erderwärmung publiziert. Dazu gehört etwa der Zusammenbruch der Nordatlantischen Umwälzströmung. Sie hat sich schon jetzt um 15% verlangsamt. Bleibt dieses gigantische Energieförderband stehen, kommt es im nordatlantischen Raum zu einer dramatischen Abkühlung. Durch die Erderwärmung könnte auch der Indische Monsun destabilisiert werden. Das hätte mehr Dürren und Flutkatastrophen zur Folge, um nur zwei Beispiele zu nennen.

2019 haben Schellnhuber und seine Kolleg:innen ihre Prognosen revidiert und gewarnt, dass die Kipppunkte wahrscheinlicher und zeitlich näher sein könnten, als zuvor angenommen. Ging man vor zwei Jahrzehnten noch davon aus, dass sie erst bei einer globalen Erwärmung von 5 Grad auftreten, gelten manche Kipppunkte auch schon bei einem Temperaturanstieg von 1 bis 2 Grad als wahrscheinlich. Und wie vor einigen Wochen erwähnt, stehen wir momentan bei einer durchschnittlichen Erderwärmung von 1,1 Grad, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Amundsen See-Einbuchtung in der Westantarktis könnte diesen point of no return bereits überschritten haben. Und auch für das Grönländische Eisschild könnte der irreversible Abschmelzprozess schon bei 1,5 Grad Erwärmung starten – möglicherweise in den 2030er-Jahren. Vom Auftauen der Permafrostböden haben wir ja erst vor kurzem im Ö1 Klima-Newsletter berichtet.

Insofern ist das Paris-Ziel von 1,5 Grad nicht der sichere Klima-Hafen, wie viele meinen, sondern nur ein Zielwert zur Schadensminimierung. In Wahrheit zählt jedes Zehntel Grad, das wir vermeiden können.

Wärmer Ozeane sind lauter

Biodiversität

Steigt die Temperatur in den Meeren, können sich die Schallwellen schneller ausbreiten. In der arktischen Barent See oder im nordwestlichen Pazifik ist die Schallgeschwindigkeit in einer Tiefe von 50 Metern bereits um ein Prozent gestiegen, wie eine kanadische Studie zeigt. Gleiches gilt für die Arktis, den Golf von Mexiko oder die südliche Karibik 500 Meter unter der Wasseroberfläche. Für die Meerestiere wird sich damit die Kommunikation möglicherweise folgenschwer wandeln. „Die Veränderung der Schallgeschwindigkeit beeinflusst auch ihre Fähigkeit zur Nahrungsaufnahme, das Paarungsverhalten oder die Flucht vor Räubern“, so die Autoren.

Warming oceans are getting louder – AGU Newsroom

Riesiger Eisberg abgebrochen

Ostantarktis

Bereits Mitte März dürfte sich ein Eiskoloss in der Größe Roms vom Festland der östlichen Antarktis gelöst haben.  Die NASA-Expertin Catherine Colello Walker beschrieb die Ablösung des sog. Conger Eisschelfs im Guardian als „einen der bedeutsamsten Abbrüche in der Antarktis seit den frühen 2000er Jahren“ und als „Anzeichen für das, was kommen mag.“

Im Gegensatz zur Westantarktis ist ein Abschmelzen der Ostantarktis zwar unwahrscheinlicher. Aber auch hier könnte durch punktuelle Ereignisse ein nicht mehr zu stoppender Eisverlust in Gang gesetzt werden – mit einem langfristigen Meeresspiegelanstieg von 3-4 Metern.

Riesiger Eisberg in östlicher Antarktis abgebrochen – science.ORF.at

Wie Gas in der Industrie ersetzen?

Energiewende

8,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht Österreich pro Jahr. Mehr als 70 Prozent davon gehen in die Industrie, einerseits als Energieträger, andererseits auch als Rohstoff für chemische Produkte oder Düngemittel. Der größte Verbraucher ist der Chemiesektor, gefolgt von der Papier- und Zellstoffproduktion und der Stahlindustrie. In einigen Bereichen, etwa der Lebensmittelindustrie, könnten Trocknungsprozesse statt mit Gas über Biomasse betrieben werden. Auch in der Stahlindustrie seien Verfahren mit Strom statt Gas möglich, allerdings mit einer Umstellungszeit von 10-15 Jahren, so Ilse Schindler vom Umweltbundesamt in Wien.

Weniger Erdgas: Wie der Energiewechsel funktionieren könnte – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Australischen Forscherinnen ist es gelungen, hitzetolerantere Korallen zu züchten. Am Great Barrier Reef hat gerade wieder eine temperaturbedingte Korallenbleiche eingesetzt.

Ökologie: Hitzetolerante Korallen am Great Barrier Reef – science.ORF.at

Podcast NACHHALTIG LEBEN

TIPP

Jeden zweiten Freitag fragt Ruth Hosp in der Sendung NACHHALTIG LEBEN (11.55 Uhr), wie ein ökologisch verträglicher Lebensstil aussehen könnte. Es geht um „grünes“ Reisen genauso wie um den Ausstieg aus der ressourcenverschlingenden „Fast Fashion“. NACHHALTIG LEBEN ist auch als Podcast abonnierbar.

https://radiothek.orf.at/podcasts/oe1/oe1-nachhaltig-leben

Sendungen zum Thema aus dem gesamten Ö1-Angebot, von DIMENSIONEN über MOMENT bis zum RADIOKOLLEG sind dauerhaft unter https://oe1.orf.at/nachhaltigleben nachhörbar.